Mutter von Anschlagsopfer sagt vor Gericht aus
Bei der Todesfahrt über den Magdeburger Weihnachtsmarkt vor knapp
einem Jahr kamen fünf Frauen ums Leben und ein Neunjähriger. Jetzt
hat die Mutter des Jungen ausgesagt.
Magdeburg (dpa) - Im Prozess gegen den Todesfahrer vom Magdeburger
Weihnachtsmarkt hat die Mutter des getöteten Neunjährigen aus
Niedersachsen als Zeugin ausgesagt. Unter Tränen, mit einem
Kuscheltier vor sich und ihrem Partner an der Seite berichtete sie,
wie sie ihren Kindern 50 Euro in die Hand gedrückt habe, damit sie
allein über den Markt gehen können. Nachdem sie den Anschlag
mitbekommen habe, sei sie schreiend auf die Suche nach dem
Neunjährigen und seinem großen Bruder gegangen. Immer wieder
unterbrach die Zeugin ihre Aussagen, wendete ein Taschentuch hin und
her. «Unser Leben ist zerstört.» Die Familie war einige Monate vor
dem Anschlag aus Bayern nach Niedersachsen gezogen.
Sie hatte sich gewünscht, dem Angeklagten im Gerichtssaal nicht ins
Gesicht sehen zu müssen. Deshalb wurden, als sie in den Raum kam,
kurzzeitig graue Sichtschutzwände vor der Glaskabine aufgestellt, in
der der Angeklagte während der Verhandlungen sitzt. Während der
Aussage der Mutter senkte der Angeklagte seinen Kopf so weit nach
vorn, dass sein Gesicht kaum noch zu sehen war.
Der Vorsitzende Richter, Dirk Sternberg, drückte der Zeugin seinen
großen Respekt dafür aus, dass sie die Kraft gefunden habe, vor
Gericht überhaupt etwas zu sagen. Es sei schwer, Worte für das zu
finden, was geschehen sei.
Am Vortag hatte eine Anästhesistin von den dramatischen Umständen vor
Ort berichtet und wie sie vergeblich versuchte, den
schwerstverletzten Jungen wiederzubeleben. Eine Rechtsmedizinerin,
die an der Obduktion beteiligt war, sagte als Sachverständige auf die
Frage, ob es eine Rettungsmöglichkeit für den Jungen gegeben hätte:
«Ich denke nicht.»
Am 20. Dezember lenkte der damals 50-jährige Taleb al-Abdulmohsen
laut der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg den mehr als zwei Tonnen
schweren und 340 PS starken Wagen etwa 350 Meter weit über den
Weihnachtsmarkt. Er war mit bis zu 48 Kilometern pro Stunde
unterwegs. Der Junge sowie fünf Frauen im Alter von 45 bis 75 Jahren
kamen ums Leben. Mehr als 300 weitere Menschen wurden verletzt.
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