Von Ziege «aufs Korn» genommen? Unfall in Gehege vor Gericht von Christopher Hirsch, dpa
Schuldet ein Tierpark einer Krankenkasse Geld, weil eine Ziege eine
Besucherin im Streichelgehege zu Fall gebracht hat? Damit befasst
sich ein Gericht, wie auch mit dem Geschlecht des Tieres.
Stralsund (dpa) - In Streichelzoos sollen sich Mensch und Tier
eigentlich friedlich näherkommen. Doch die Begegnung einer Urlauberin
mit einer Ziege im Streichelgehege des Vogelpark Marlows in
Mecklenburg-Vorpommern ist nun Gegenstand eines Verfahrens am
Landgericht Stralsund.
Eine inzwischen 63-Jährige aus dem Landkreis Wittenberg hatte das
Gehege nach eigener Aussage mit ihrer Tochter, ihrem Schwiegersohn
und ihrem Enkel im Sommer 2023 während ihres Urlaubs besucht. Dort
habe sie «plötzlich einen ordentlichen Rums in meine Kniekehle
bekommen», sagte sie als Zeugin in der Verhandlung am Mittwoch. Die
Altenpflegerin musste später am Knie operiert werden und war etwa ein
Jahr lang krankgeschrieben.
Ihre Krankenkasse, die Salus BKK, klagt gegen den Vogelpark. Sie
fordert von ihm mehr als 31.000 Euro, etwa für die Behandlung der
Frau oder auch Krankengeldzahlungen. Auch mögliche künftige Kosten
will die Kasse geltend machen.
«Auf's Korn genommen» oder «im Weg»? Zeugen sagen aus
Dass die Frau am 12. Juli von einer Ziege zu Fall gebracht wurde,
dahingehend stimmten die Zeugenaussagen während der Verhandlung am
Mittwoch weitgehend überein. Wie genau es dazu kam, bleibt aber
unklar.
Ein weiterer Urlauber, ebenfalls aus Sachsen-Anhalt, sagte: «Die hat
die voll aufs Korn genommen.» Demnach soll das Tier einzeln
zielgerichtet auf die Frau losgelaufen sein. Der Schwiegersohn der
Geschädigten sagte hingegen aus, eine große Gruppe Ziegen sei aus
irgendeinem Grund in eine bestimmte Richtung des Geheges losgerannt.
«Sie stand halt genau im Weg.»
Die Zeugen schilderten die Ziegen als aufdringlich, besonders in
ihrem Bemühen um Futter.
«Ein kleines kräftiges Ziegentier mit Hörnern»
Laut Klage der Krankenkasse ging der Angriff von einem aggressiven
Ziegenbock aus. Zudem seien die Tiere ausgehungert gewesen. «Es war
jedenfalls ein kleines kräftiges Ziegentier mit Hörnern», sagte die
Rechtsanwältin der Krankenkasse. Da bei der entsprechenden Art - den
Afrikanischen Zwergziegen - auch Weibchen Hörner haben, sei das
Geschlecht nicht ganz klar.
Die zoologische Leiterin des Vogelparks sagte vor Gericht, es seien
keine männlichen Tiere auf der Anlage gewesen. Afrikanische
Zwergziegen würden in fast allen deutschen Zoos in Streichelgehegen
gehalten, so wie auch in Marlow. Es handle sich um freundliche Tiere.
Bei den Ziegen habe es in Marlow ihres Wissens bislang keinen Vorfall
wie diesen gegeben, der nun strittig wurde. «Es sind vor allem
eigentlich die Affen, die mal jemanden beißen.»
«Luxustier» oder Nutztier? Entscheidung vor Weihnachten
Die Tiere würden auch nicht hungern, sagte die ausgebildete
Tierärztin. Als Wiederkäuer brauchten sie permanent Futter, daher
hätten sie auch rund um die Uhr Zugang etwa zu Heu. Nach dem in
Tütchen an Besucher verkauften Pellet-Futter hätten die Ziegen so
sehr gestrebt, weil es ihnen besonders gut schmecke, nicht weil sie
hungrig seien.
Laut Richterin kommt gegebenenfalls ein Delikt nach Paragraf 833 des
Bürgerlichen Gesetzbuches infrage, der die Tierhaftung für Halter
regelt. Dafür müsse aber geklärt werden, ob es sich rechtlich um
sogenannte «Luxustiere» wie Haustiere oder aber um Nutztiere handelt
- für letztere gilt bei der Haftung eine Ausnahme. Eine Entscheidung
soll am 23. Dezember verkündet werden.
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