Institut: Alzheimer-Medikament Lecanemab hat keinen Zusatznutzen
Das Alzheimer-Medikament Lecanemab ist seit 1. September in
Deutschland verfügbar. Doch wirkt es auch?
Berlin/Köln (dpa) - Ein umfassender Report sieht keinen Beweis für
einen Zusatznutzen des Alzheimer-Medikaments Lecanemab in
Deutschland. Allerdings wird die Berechnungsgrundlage der Analyse
kritisiert. Die EU-Kommission hatte Lecanemab (Handelsname Leqembi)
im April für die Therapie der Alzheimerkrankheit im Frühstadium
zugelassen, seit 1. September ist es in Deutschland auf dem Markt.
Das unabhängige Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im
Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln kommt in einer aktuellen Bewertung
zu dem Schluss: Ein Zusatznutzen von Lecanemab gegenüber dem
bisherigen Therapiestandard in Deutschland sei nicht belegt. Das
gelte sowohl für Patienten mit einer leichten kognitiven Störung als
auch für diejenigen mit einer leichten Demenz - das sind Patienten,
die bereits in ihren Alltagsaktivitäten eingeschränkt sind.
Im Fall von kognitiven Störungen verglich das IQWiG Menschen, die
Lecanemab bekamen, mit solchen, die nur beobachtet wurden. Bei
Patienten mit leichter Demenz verglichen die Experten die Wirkung von
Lecanemab mit der von älteren in Deutschland genutzten Mitteln. Diese
Acetylcholinesterase-Hemmer greifen nicht in ursächliche
Alzheimer-Prozesse im Gehirn ein, sondern behandeln nur die Symptome.
Insgesamt hatte das IQWiG in seiner Analyse daher wesentlich weniger
Patienten als die EU-Zulassungsstudie, die mehr Patientengruppen
umfasste.
Anderes statistisches Verfahren
Er schätze das IQWiG sehr, sehe den aktuellen Report aber sehr
kritisch, sagte der Neurologe Jörg Schulz von der Uniklinik der RWTH
Aachen. So hatte das Institut ein anderes Berechnungsverfahren als
die EU-Zulassungsstudie verwendet, um den Nutzen von Lecanemab zu
ermitteln, das Schulz als nicht geeignet für diesen Fall ansieht. Er
kritisierte zudem Aspekte der Gruppeneinteilung.
«Unsere Bewertung stützt sich auf bislang unveröffentlichte Daten,
die der Hersteller in seinem Dossier vorlegen musste», sagte Daniela
Preukschat vom IQWiG-Ressort Arzneimittelbewertung. «Die Daten lassen
allerdings noch einige Fragen offen, da weitere relevante
Informationen im Dossier fehlten», räumt sie ein.
Preukschat betonte, dass die Fragestellung der Zulassung eine andere
sei als die der Nutzenbewertung. Das IQWiG habe sich nur die
Patienten in der Studie angeschaut, die auch gemäß dem deutschen
Therapiestandard behandelt wurden. Die positiven Effekte von
Lecanemab in der Gesamtpopulation der zur Zulassung genutzten Studie
«gehen vor allem auf Patienten und Patientinnen zurück, die eben
nicht nach deutschem Therapiestandard behandelt wurden». Die
Nutzenbewertung des IQWiG für das zweite Alzheimer-Medikament in
Deutschland, Donanemab, laufe derzeit.
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen bis zu sechs Monate nach
Markteintritt den Herstellerpreis für das Medikament. Ab
Markteintritt läuft ein Nutzungsbewertungsverfahren, bei dem der
IQWiG-Report eine bedeutende Rolle spielt. Die maßgebliche Bewertung
des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über das Ausmaß des
Zusatznutzens ist für Februar geplant. Diese ist die
Entscheidungsgrundlage dafür, wie viel die gesetzlichen
Krankenversicherungen für ein neues Arzneimittel mit einem neuen
Wirkstoff zahlen.
Lecanemab kann laut EU-Zulassungsstudie bei einer kleinen Auswahl von
Patienten den Verlauf der Alzheimer-Krankheit im Frühstadium um
einige Monate verzögern. Um Heilung oder Verbesserung ging es auch
bei diesem Wirkstoff von vornherein nicht.
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