Bilder und Geruch im Kopf - Wenn Einsätze Helfer belasten Von Birgit Reichert, dpa

Verletzte aus Autos schneiden, Tote bergen: Einsätze können
Rettungskräfte psychisch belasten. Wie selbst erfahrene Retter damit
umgehen müssen - und wann Helfer Hilfe brauchen.

Trier (dpa/lrs) - Es gibt Einsätze, die lassen selbst erfahrene
Rettungskräfte lange nicht los. Bei Jörg Teusch war dies ein
Geisterfahrer-Unfall Anfang Mai auf einer Autobahn in der Eifel, bei
dem eine junge Frau ums Leben kam. «Man kommt zur Einsatzstelle und
versucht alles, um sie doch noch zu retten. Kurze Zeit später kommt
der Anruf, dass sie es leider nicht geschafft hat.»

Wenn man selbst Kinder in dem Alter habe, beschäftige das einen
länger. Man könne sich die Situation gut vorstellen - wie das Kind
das Haus verlasse und sage, ich fahre eben mal dorthin. «Und dann
wird daraus eine Ewigkeit.»

Der Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Landkreises
Bernkastel-Wittlich sage sich: «Man darf mitfühlen, man darf aber
nicht mitleiden.» Aber dennoch gebe es immer wieder Situationen, die
Spuren hinterlassen - auch nach mehr als 1.000 gefahrenen Einsätzen.

Gesehen und erlebt hat der 54-jährige Teusch eigentlich schon alles.
Schwere Verkehrsunfälle, Gebäudebrände, Gefahrstoff- und
Unwettereinsätze - mitsamt der Opfer. Fragen wie: «Hätte ich jemanden

noch retten können, wenn ich ein paar Minuten schneller da gewesen
wäre?» - die dürfe man sich nicht stellen. «Man muss sich immer kla
r
sein: Man hat die Situation ja nicht verursacht.»

Psychosoziale Notfallversorgung gibt's auch für Einsatzkräfte

Immer wieder komme es vor, dass Einsatzkräfte psychologische Hilfe
bräuchten, sagte Teusch. Oft liege es auch an der jeweiligen
persönlichen Situation, ob man stärker belastet werde. Bei dem
Einsatz funktioniere man noch gut - alles läuft nach Plan. «Aber
dann, wenn es rum ist, sitzt man mit dem Helm am Boden und fängt an
zu grübeln.»

Wenn man dann «nicht mehr aus dem Loch rauskommt», sei es gut, dass
es die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) auch für Einsatzkräfte
gebe. Wenn heute eine Rettungskraft jemand Hilfe brauche, stoße das
auf allgemeines Verständnis, sagte Teusch. Früher habe man sich nicht
getraut, was zu sagen. «Es ist gut, dass wir da einen Wandel
hinbekommen haben.»

Das sieht sein Kollege Jürgen Larisch vom Eifelkreis Bitburg-Prüm
genauso. Er erinnere Einsatzkräfte nach tragischen Unfällen an diese
Notfallseelsorge. Wie jüngst bei dem schlimmen Autounfall auf der B51
zwischen Trier und Bitburg, bei dem vier Menschen getötet wurden: «So
etwas schüttelt man nicht ab, das nimmt man mit nach Hause.»

Vielen Menschen sei nicht bewusst, dass deutschlandweit über 90
Prozent der Einsatzkräfte ehrenamtlich tätig seien. «In
Rheinland-Pfalz haben wir nur sechs Berufsfeuerwehren», sagt der
Brand- und Katastrophenschutzinspekteur aus der Eifel.

Manche Einsatzkräfte belaste ein schlimmes Erlebnis ganz besonders.
Bei anderen seien es dann ganz viele kleinere Einsätze: «Und dann
merken sie irgendwann: Das Fass ist voll. Ich kann nicht mehr»,
berichtete Larisch.

Mehr Nachfrage bei Psychosoziale Notfallversorgung 

Oliver Pick von der PSNV für Einsatzkräfte vom Deutschen Roten Kreuz
sagte, seit rund vier Jahren gebe mehr Nachfrage nach den Angeboten.
«Die Flut im Ahrtal und in der Eifel: Das war ein Game-Changer»,
sagte er. Kräfte meldeten sich unter anderem mit Schlafstörungen. «Es

ist diese Gewalt der Bilder, die zu sehen sind.»

Der Unfall mit vier Toten auf der B51 Mitte November habe etliche
Einsatzkräfte hart getroffen, weil sie die Opfer kannten, sagte Pick.
Generell seien Unfälle mit Kindern immer besonders belastend. 

Sieben bis zehn Prozent erleiden Trauma-Störung 

Die Belastungen für Rettungskräfte seien eindeutig vorhanden, sagte
Psychologe Peter Schüßler von der Deutschsprachigen Gesellschaft für

Psychotraumatologie. Die allermeisten Einsatzkräfte hätten aber ihre
eigenen Strategien, damit umzugehen - und kämen teils auch mit
Unterstützung klar.

Es gebe aber persönliche Situationen, die besonders belasten könnten
- etwa, wenn man ein Opfer kenne oder es eine Beziehung gebe. «So ist
es nicht klug, im Rettungsdienst einen, der vorgestern Vater geworden
ist, mit einem Einsatz plötzlicher Kindstod zu konfrontieren», sagte
Schüßler in Koblenz.

Nach Studien erlitten sieben bis zehn Prozent der Einsatzkräfte eine
posttraumatische Belastungsstörung oder eine andere
Traumafolgestörung. «Wichtig ist, dass wir die Menschen, die
tatsächlich durch einen Einsatz traumatisiert wurden, möglichst
schnell finden», sagte der Experte.

Jahrelang noch Brandgeruch noch in der Nase

Einer der schlimmsten Einsätze für Larisch sei vor Jahren in der Nähe

von Spangdahlem gewesen. Damals sei ein Lastwagen beim Abladen mit
seinem Kran in eine Hochspannungsleitung gekommen. Der Fahrer fiel
dabei herunter und lag brennend auf den Abstützungen des Lkws. 

Wegen des Stroms sei man zunächst nicht an die Stelle gekommen, sagte
Larisch. Noch Jahre später habe er immer diesen Brandgeruch in der
Nase gehabt, wenn er dort vorbeifuhr. «Ich habe versucht, diese
Stelle zu meiden.»

Nach Einsätzen bedauere er manchmal, «dass die Rückmeldung fehlt, ob

die ein oder andere Person überlebt hat», sagt der 66-Jährige. Auch
müsse man sich immer wieder sagen: «Bei einem Einsatz können wir
nicht jeden retten.» Man könne so gut und schnell arbeiten wie nur
möglich. Aber es werde auch Menschen geben, die sterben.

Etwa wie bei dem Hoteleinsturz in Kröv im Kreis Bernkastel-Wittlich
im August 2024. Zwei Menschen kamen damals ums Leben. Sieben weitere
waren teils über Stunden in den Trümmern gefangen, bevor sie gerettet
werden konnten. 

«Es war ein Wechselbad der Gefühle», sagte Teusch, der den langen
Einsatz damals leitete. Die Bergung der Toten sei sehr schlimm
gewesen. «Aber letztlich hat die Freude über die Rettung der
Personen, die unter den Trümmern lagen, überwogen. Weil es hätten ja

auch neun Tote sein können.»

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