Psychische Probleme: Beamte im Zwiespalt Von Nikolaus Nützel, dpa
Die Zahl der Menschen mit psychischen Problemen steigt. Patienten,
die in den Staatsdienst wollen, fürchten oft um ihren Beamtenstatus.
Amtsärzte und der Beamtenbund warnen vor übertriebenen Sorgen.
München (dpa/lby) - Menschen mit psychischen Problemen werden
diskriminiert, wenn sie Beamte werden wollen. Davon ist Maria Schid
überzeugt, die ihren richtigen Namen nicht in der Öffentlichkeit
nennen möchte. «Es ist ein Makel», ärgert sich die Münchnerin, di
e
inzwischen in der Versicherungsbranche arbeitet. Es ist zwar schon
mehr als zwei Jahrzehnte her, dass sie erfolglos versucht hat,
Beamtin zu werden. Doch sie erinnert sich noch gut, wie ihr Weg in
die öffentliche Verwaltung endete.
Als sie nach einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik an
ihren Schreibtisch zurückkehrte, habe ihre Chefin ihr gesagt: «Sie
machen jetzt Urlaub und wir machen Ihre Kündigung fertig.» Sie sei
noch in der Probezeit gewesen und ihr Weg ins Beamtentum zu Ende,
sagt Schid.
Amtsärzte: Jeder Einzelfall wird geprüft
Johannes Rank, zweiter Landesvorsitzender des Ärzteverbands
Öffentlicher Gesundheitsdienst Bayern, kennt Sorgen, dass Menschen
ihren Wunschberuf als Beamte nicht ergreifen können, wenn sie sich
wegen psychischer Probleme behandeln lassen. Aber diese Sorgen seien
oft übertrieben, erklärt Rank. Amtsärzte wie er würden jeden
einzelnen Fall prüfen.
Eine Behandlung bei einem Psychiater oder einer Psychotherapeutin sei
keineswegs ein Ausschlusskriterium für junge Menschen, die Beamte
werden wollen. Eine solche Behandlung sei auch nicht das Karriereende
für die, die bereits verbeamtet sind: «Unser Anspruch ist, dass wir
jede Person individuell betrachten», betont Rank. Und eine leichte
oder mittelschwere Depression sei etwas anderes als etwa eine
diagnostizierte Schizophrenie.
Er habe zwar keine genauen Zahlen zur Verfügung, wie oft psychische
Probleme bei einer Verbeamtung zum Problem werden, sagt Rank. Aber
seine Beobachtung auch als bayerischer Vizechef des Berufsverbands
der Amtsärzte sei eindeutig: «Die Wahrscheinlichkeit, als junger
Mensch aus gesundheitlichen Gründen nicht verbeamtet zu werden, ist
sehr gering.» Das gelte auch für die psychische Gesundheit.
Staat schützt sich vor Kosten
Doch das Beamtentum sei nun einmal ein anderes
Beschäftigungsverhältnis als eine Anstellung in der freien
Wirtschaft, stellt Rank fest. Beamte verpflichten sich,
ihre Arbeitskraft dem Staat zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug
bietet der Dienstherr den Beamten nach dem sogenannten
«Alimentationsprinzip» finanzielle Sicherheit. Dazu gehören auch
lebenslange Bezüge bei einer Dienstunfähigkeit. Deshalb liege eines
auf der Hand, sagt Rank: «Der Staat möchte niemandem alimentieren,
wenn bereits bei der Einstellung klar ist, dass diese Person sehr
viel kosten und sehr wenig leisten wird.»
Besser nichts verschweigen
Rainer Nachtigall, der Vorsitzende des Bayerischen Beamtenbundes
(BBB), kennt Berichte, dass Beamtenanwärter psychische Probleme
verschweigen, weil sie negative Folgen befürchten. Sich nicht
behandeln zu lassen, sei aber in jedem Fall der falsche Weg, warnt
er: «Am wichtigsten ist, dass Menschen geholfen wird.»
Nachtigall weiß, dass immer wieder auch Beamte, die schon länger im
Dienst sind, Sorgen um ihre Aufstiegsmöglichkeiten haben, wenn sie
wegen psychischer Probleme behandelt werden. Doch auch hier rät er zu
einem offenen Umgang. Während seiner Laufbahn als Polizist habe er
die Erfahrung gemacht, dass Menschen mit psychischen Schwierigkeiten
keineswegs automatisch abgestempelt würden. Es werde in der Regel
nach Wegen gesucht, Beamtinnen und Beamte an passenden Stellen
einzusetzen: «Gewinnbringend für den jeweiligen Menschen, aber auch
für den Dienstherrn.»
Forderung nach weniger Verbeamtungen
Maria Schid, deren Weg auf einen Beamtenposten an einer psychischen
Erkrankung gescheitert ist, sieht trotzdem noch viele Hürden. Sie
engagiert sich in der Selbsthilfe bei den «Münchner
Psychiatrie-Erfahrenen» und tritt auch dort für eine Forderung ein:
Lehrerinnen und Lehrer sollten öfter als Angestellte und nicht als
Beamte arbeiten, denn dann wäre für viel der Weg in den Beruf
leichter, ist Schid überzeugt.
Sie verweist auf Bundesländer, in denen deutlich weniger Lehrkräfte
verbeamtet sind als in Bayern. Nach einer Aufstellung des Instituts
der Deutschen Wirtschaft sind in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und
Berlin weniger als ein Drittel der Lehrerinnen und Lehrer Beamte, in
Bayern sind es mehr als 90 Prozent.
Die Bayerische Staatsregierung will aber an der hohen
Verbeamtungsquote bei Lehrkräften nichts ändern, im Gegenteil.
Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) sieht im Beamtenstatus von
Lehrkräften «ein staatliches Bekenntnis zu Qualität, Stabilität und
Wertevermittlung in unserem Bildungssystem». Und für den Staat sei
der Beamtenstatus ein gutes Argument, wenn es darum geht, Fachkräfte
zu gewinnen, so Stolz. Er bedeute «Verlässlichkeit, Sicherheit und
klare Perspektiven». Deswegen setze Bayern weiterhin gerade im
Lehrerberuf auf den Beamtenstatus als Beschäftigungsverhältnis.
Angestellte sollen die Ausnahme bleiben.
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