Fehlende Arzneimittel - Warum sich Eltern bevorraten sollten

Schon seit einigen Jahren stellen Patientinnen und Patienten fest,
dass mitunter vom Arzt verordnete Medikamente nicht lieferbar sind.
Diese Engpässe seien kaum vorherzusehen, sagen Apotheker.

Hannover/Duderstadt (dpa/lni) - Lieferengpässe bei Medikamenten sind
seit einiger Zeit ein Dauerbrennerthema - es kann von heute auf
morgen kommen, dass ein Medikament von der Apotheke nicht beschafft
werden kann. «Ein Lieferengpass kündigt sich nicht an», sagt Frank
Germeshausen, stellvertretender Landesvorsitzender des
Landesapothekerverbandes Niedersachsen, der in Duderstadt eine
Apotheke betreibt.

Mit Blick auf den Winter und damit einhergehenden
Erkältungskrankheiten rät Germeshausen daher gerade jungen Eltern,
sich zu bevorraten. Auch wenn es im Moment keine Knappheit bei
Fiebersäften für Kinder gebe, anders als noch vor drei Jahren: «Wenn

ich in meinen Schrank gucke, ist das eigentlich ein Thema von
früher.» 

Komplizierte Suche nach Alternativen

Vielmehr seien derzeit vor allem einige Psychopharmaka nicht
lieferbar. Zwar gebe es in der Regel auch Alternativprodukte, aber
die Patienten, etwa an Depression erkrankte Menschen, seien daran
gewöhnt, regelmäßig und immer das gleiche Medikament zu bekommen. 


«Wenn Sie jemanden haben, der wirklich Psychopharmaka braucht, der
nun die Medikamente anders nehmen muss, weil er eine andere Stärke
oder eine andere Dosierung bekommt, ist das für diese Person schon
erst einmal ein schwieriger Einschnitt», erklärt Germeshausen. In
vielen Fällen gebe es eine Lösung, die zusammen mit den Ärzten
gefunden werde. Den meisten Praxen sei die Situation bekannt und sie
seien sehr kooperativ, sagt der Apotheker.

Lieferengpässe seit Jahren Alltag für Apotheken

Von einem Lieferengpass ist die Rede, wenn eine bestimmte Arznei über
einen Zeitraum von zwei Wochen nicht im üblichen Umfang an die
Apotheken geliefert wird, erläutert die Sprecherin der
Apothekerkammer Niedersachsen, Panagiota Fyssa. Solche Engpässe
gehören schon seit Jahren zum Alltag der Apotheken. «In Deutschland
sind alle Apotheken gleich von den Lieferengpässen verschiedener
Arzneimittel betroffen - in der Stadt genauso wie auf dem Land oder
in Niedersachsen wie in Bayern», erklärt Fyssa.

«Der Großhandel bekommt plötzlich irgendein Medikament nicht mehr und

kann es uns nicht mehr liefern», berichtet Apotheker Germeshausen.
Mitunter sei die Arznei in manchen Apotheken noch für eine oder zwei
Wochen vorrätig, in anderen Apotheken aber nicht. 

Absprache mit Nachbarapotheken

Es sei nicht möglich, dass Apotheken untereinander ihren
Medikamentenbestand austauschen, betont Germeshausen. Aus
Sicherheitsgründen werde jede Medikamentenpackung bei der Anlieferung
in ein System eingescannt. Damit könne dem Kunden die Echtheit des
Medikaments garantiert werden: «Das dürfen wir nicht einfach in eine
andere Apotheke geben.»

In einer Kleinstadt wie Duderstadt allerdings frage man bei Kollegen
in anderen Apotheken nach, ob bestimmte Medikamente vorrätig seien,
und schicke die Kundinnen und Kunden gegebenenfalls dorthin. «Als
Apotheken sehen wir uns als Dienstleister der Kunden», sagt
Germeshausen.

Für die Apotheken ist das mit recht aufwendiger Mehrarbeit verbunden:
Laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände (ABDA) wenden die
meisten Apothekenteams 20 bis 30 Stunden pro Woche auf, um die
Engpässe mit Ärzten, Großhändlern und Patienten zu managen. Das sei

doppelt so viel wie im europäischen Durchschnitt (10,6 Stunden pro
Woche). 

Aktuell mehr als 550 Medikamente nicht lieferbar

Derzeit bestehen nach Informationen des Bundesinstituts für
Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bei Humanarzneimitteln mehr
als 550 Lieferengpässe, ausgenommen sind Impfstoffe. Diese Engpässe
können von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten variieren, erklärt
Fyssa. Einige dieser Engpässe dauern den Herstellern zufolge bis ins
erste oder zweite Quartal, in einigen Fällen sogar bis Ende 2026.

Laut ABDA wurden im Jahr 2024 insgesamt 892 verschiedene
rezeptpflichtige Arzneimittel gemeldet. Seit 2022 habe das
Bundesgesundheitsministerium insgesamt sieben Versorgungsmängel
erklärt, die bis 2025 andauerten, darunter Folinsäure, ein Mittel,
das bei der Chemotherapie zur Behandlung bestimmter Tumore benötigt
wird. Auch bei Salbutamol, einem Medikament gegen
Atemwegserkrankungen, gab es Engpässe, und selbst Kochsalzlösung war
schwer zu beschaffen.

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