«Man darf nicht aufgeben» - Wie Menschen um Hilfe kämpfen
Als Dreijähriger mit Diabetes in der Krippe, als erblindeter Rentner
oder mit Rollstuhl im Supermarkt: Drei Beispiele des Sozialverbands
SovD zeigen, wie Betroffene häufig um ihr Recht kämpfen müssen.
Hannover (dpa/lni) - Der Sozialverband Deutschland (SoVD) hat erneut
20 Fälle aus Niedersachsen zusammengetragen, in denen hilfsbedürftige
Menschen um Unterstützung kämpfen mussten. Unfaire Entscheidungen von
Behörden oder Kassen über Rente, Pflege und Gesundheitsversorgung
seien keine Seltenheit, heißt es im neuen Schwarzbuch des Verbands.
Oft fußten Ablehnungen auf wirtschaftlichen Erwägungen, oft werde
aber auch vergessen, dass persönliche Schicksale hinter den Akten
stehen.
«Mir wäre es lieb, wenn wir das Schwarzbuch gar nicht mehr machen
müssten, denn das würde bedeuten, dass die Menschen die Leistungen
bekommen, die ihnen auch zustehen», sagte SoVD-Landeschef Dirk
Swinke. Von diesem Wunsch sei man aber noch weit entfernt.
Drei Beispiele, in denen der SoVD den Betroffenen zur Seite
gesprungen ist.
Mit Diabetes in der Krippe
Bei einem heute dreijährigen Jungen ist laut SoVD im vergangenen Jahr
Diabetes Typ 1 festgestellt worden. Seine Blutzuckerwerte müssen auch
in der Krippe ständig überwacht werden. Doch als seine Mutter dafür
eine außerklinische Intensivpflege beantragt, lehnt die Krankenkasse
ab.
Mit Hilfe des SoVD folgt ein Streit vor Gericht über mehrere
Instanzen. Erst das Landessozialgericht entscheidet, dass die
Krankenkasse die Kosten bis zu einer Entscheidung in dem Fall
übernehmen muss. Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren stehe jedoch
weiter aus - Ausgang offen.
«Ich verstehe nicht, warum uns die Krankenkasse so viele Steine in
den Weg legt», zitiert der SoVD die Mutter des Dreijährigen. «Wir
wollen unserem Sohn doch nur die Chance auf ein möglichst normales
Leben geben.»
Blinder Senior kämpft um Pflegegrad
Ein heute 80 Jahre alter Mann ist schon während seines Berufslebens
erblindet - seine Arbeit als Kapitän zur See musste er deswegen mit
55 Jahren aufgeben. Seither gilt er mit einem Grad der Behinderung
von 100 als schwerbehindert. 2022 bekam er auch den Pflegegrad 1.
Doch als er vergangenes Jahr wegen immer größerer Herausforderungen
im Alltag eine Höherstufung beantragt, gewährt ihm die Pflegekasse
zunächst nur Pflegegrad 2. «Links bin ich mittlerweile vollständig
blind, rechts habe ich nur noch eine Sehkraft von einem Prozent»,
sagte der Rentner dem SoVD. Deswegen sei er «nicht mehr wirklich
mobil und selbstständig».
Auch nach Einschätzung des Sozialverbands ist der Pflege- und
Hilfsbedarf des Mannes erheblich. Der Senior legt daher zusammen mit
dem Verband Widerspruch ein - erfolgreich. «Wer sich nicht wehrt,
lebt verkehrt. Man darf nicht aufgeben», sagte dazu SoVD-Anwalt Helge
Grote, der in dem Fall den Widerspruch einlegte.
Inklusion im Supermarkt
In der Region Braunschweig hat der Sozialverband recherchiert, wie es
um die Inklusion von Rollstuhlfahrern in Supermärkten bestellt ist.
Das Ergebnis: Nur jeder vierte Markt biete Einkaufswagen an, die für
Rollstuhlfahrer geeignet sind. Das hätten Anrufe bei 30 zufällig
ausgewählten Märkten in der Region ergeben.
Für die Betroffenen sei das ein großes Problem, denn konventionelle
Einkaufswagen seien für sie nicht geeignet, sagte die
SoVD-Kreisvorsitzende Monika Henke. Hinzu kämen Probleme wie
zugestellte Gänge, zu enge Kassenbereiche oder Produkte weit oben in
Regalen.
«Da kann von Barrierefreiheit keine Rede mehr sein», sagte Henke. Der
Verband appelliert daher an die Geschäfte, Einkaufswagen für
Rollstuhlfahrer anzuschaffen. «Aber wir raten Betroffenen auch, sich
direkt an die Geschäfte zu wenden und den Kauf eines solchen Wagens
einzufordern.»
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