Lösung des Rentenstreits bis Jahresende?

Im Rentenstreit bittet die Koalition um Geduld. Bislang will keiner
der Beteiligten von seinen Forderungen lassen. Der
Unionsfraktionschef pocht nun stärker auf Reformen.

Berlin (dpa) - Trotz ihres andauernden Rentenstreits zeigt sich die
Bundesregierung optimistisch für eine Lösung bis zum Jahresende.
«Gedulden Sie sich noch ein paar Tage, das Jahr ist ja nicht mehr so
lang», sagte der Vize-Regierungssprecher Sebastian Hille in Berlin.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch erwartet nach eigenen
Worten die Verabschiedung des umstrittenen Rentenpakets in der
nächsten Woche. Sein Unionskollege Jens Spahn (CDU) spricht - wie
bereits Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) - von einem Beschluss bis
Jahresende.

Es fänden entscheidende Gespräche auch mit Richtung auf den
Koalitionsausschuss an diesem Donnerstag statt, sagte Spahn. Eine
Annäherung zeichnete sich aber nicht ab. Miersch sagte, für
Zugeständnisse seiner SPD sehe er keinen Spielraum. Vertreterinnen
und Vertreter der Jungen Gruppe der Unionsfraktion blieben bei ihrer
Ablehnung des Vorhabens.

Spahn betonte aber die Notwendigkeit von Strukturreformen. Es gebe
«echten Reformdruck», sagte er. Er schlug vor, sich auf ein
«Rentenpaket II» mit einem Zeitplan zu verständigen, um das System
vorzubereiten, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den 30er Jahren
in Rente gehen. «Bevor es nicht zu strukturellen Reformen in der
sozialen Sicherung und auch beim Haushalt gekommen ist im nächsten
Jahr, werden wir Diskussionen über weitere Schulden und Veränderungen
in diesem Bereich nicht mal auch nur beginnen.»

Die Kritik der Gegner

Die Junge Gruppe lehnt das Gesetzespaket mit der sogenannten
Haltelinie beim Renten-Sicherungsniveau und der ausgeweiteten
Mütterrente wegen der langfristigen Kosten ab. Ohne die 18-köpfige
Gruppe hat die Koalition im Bundestag keine sichere Mehrheit. Ihre
Kritik richtet sich dagegen, dass das Rentenniveau - also das
Verhältnis zu Löhnen und Gehältern - nicht nur bis 2031 garantiert
werden soll. Laut Entwurf soll es auch als Ausgangspunkt dienen für
die weitere Niveauentwicklung danach: Mit dem Gesetz soll das
Absicherungsniveau bei der Rente ab 2032 dauerhaft um einen Punkt
höher liegen als ohne. Die Gegner stören sich an «Folgekosten von 120

Milliarden Euro» in den Jahren nach 2032. 

Vize-Regierungssprecher Hille und Miersch wiesen darauf hin, dass die
Führungen von CDU/CSU und SPD den Plänen längst zugestimmt haben.
«Der Gesetzentwurf ist einstimmig im Bundeskabinett beschlossen
worden», betonte Hille - und zwar «auf Basis dessen, was im
Koalitionsvertrag steht».

Gesamtpaket

Hille wies wie schon SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas auf weitere
Aspekte hin, die von dem Rentenpaket abhängen. Es sei ein
«Gesamtpaket».

Bereits Merz hatte argumentiert, auch die sogenannte Aktivrente solle
im Januar starten: Nach einer CDU-Idee soll sie steuerfreien
Verdienst bis 2.000 Euro nach Renteneintrittsalter ermöglichen. Zu
dem geplanten Paket gehört außerdem noch die sogenannte
Frühstartrente, wonach Kinder ab dem sechsten Lebensjahr pro Monat
zehn Euro vom Staat für ein Altersvorsorgedepot bekommen sollen.

Vertrauensfrage außer Betracht

Den umstrittenen Gesetzentwurf mit der Vertrauensfrage zu verknüpfen,
komme für Bundeskanzler Merz nicht in Betracht. «Nein», bekräftigte

Hille auf eine entsprechende Frage. Mit der Vertrauensfrage kann sich
der Kanzler vergewissern, ob seine Politik im Bundestag eine Mehrheit
hat.

Aus der Opposition hieß es, Merz und Spahn hätten offenbar keine
stabile Grundlage in der eigenen Fraktion. «In der Regierung erleben
wir Chaos und Führungslosigkeit», sagte die
Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann. 

Für SPD geht es um Kern der Koalition

SPD-Fraktionschef Miersch wies auf die Bedeutung des Rentenniveaus
für seine Partei hin. Es sei für sie ein Hauptbestandteil der
Koalition, sagte Miersch. «Und es ist im Übrigen auch etwas gewesen,
was bei der Mitgliederentscheidung der SPD eine sehr, sehr wichtige
Rolle gespielt hat», so Miersch mit Blick auf die mehrheitliche
Zustimmung Hunderttausender SPD-Mitglieder zum Koalitionsvertrag im
April 2025. 

Die SPD verweigere sich weiteren Reformen «in keiner Weise». Aber
erst komme dieses Gesetz. Auch Vize-Regierungssprecher Hille wies
Forderungen zurück, die Rentenpläne ganz zurückzuziehen, bis die
geplante Rentenkommission ihre Vorschläge für grundsätzliche Reformen

macht. Diese Forderung hatten 22 namhafte Ökonomen und andere
Wissenschaftler erhoben.

Senioren-Union: Gesetzentwurf zu starr

Die Senioren-Union der CDU warnte vor einer Koalitionskrise. «Wenn es
das Datum allein ist, würde ich deshalb keine Koalitionskrise
herbeiführen», sagte ihr Vorsitzender Hubert Hüppe mit Blick auf den

Streit um das Jahr 2032. Dennoch halte er den von Arbeitsministerin
Bas vorgelegten Gesetzentwurf für «zu starr». Vieles sei abhängig v
on
der wirtschaftlichen Entwicklung: «Wenn die floriert, wird der Druck
nicht so groß sein.» Gehe es dagegen weiter bergab, seien ganz andere
Fragen zu klären - etwa in Sachen Pflege- und Gesundheitssystem. 

Junge Gruppen der Union: «Mut zur Entscheidung»

Die Junge Union und die Jugendorganisation des Sozialflügels der CDU
(JCDA) forderten die Bundesregierung auf, die Entscheidungen der
geplanten Rentenkommission nicht vorwegzunehmen. «Maßnahmen zur
Stabilisierung der gesetzlichen Rente liegen seit Jahren auf dem
Tisch. Die Politik muss endlich den Mut zu Entscheidungen haben»,
hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.

 Der JCDA-Vertreter Gregory Gosciniak forderte, die Debatte dürfe
nicht über die Köpfe der jungen Menschen hinweg geführt werden. Die
Landesvorsitzende der JU Brandenburg, Laura Strohschneider, sprach in
Potsdam von der «letzte(n) echte(n) Chance, den Generationenvertrag
sichern zu können». Mit dem Gesetzentwurf von Bas hätte ihrer Ansicht

nach «niemand gewonnen».

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