Gift-Anlaufstelle unter Stress Von Christian Schultz, dpa

Das Giftinformationszentrum ist Anlaufstelle für Menschen aus
Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland - für Privatpersonen und
Unternehmen. Was es alles so macht und wie es in Notfällen helfen
kann.

Mainz (dpa) - Ob von einem Kleinkind verschlucktes Reinigungsmittel,
Pilzvergiftung, Suizidversuch mit Medikamenten oder ausgelaufene
Batterie-Knopfzellen in Spielzeug: Das Giftinformationszentrum (GIZ)
in Mainz beschäftigt sich mit einem breiten Spektrum an tatsächlichen
oder möglichen Gift-Notlagen bei Menschen aus Rheinland-Pfalz, Hessen
und dem Saarland - rund um die Uhr. 

Ein Fazit zum 60-jährigen Bestehen der Einrichtung zeigt: Die Zahl
der telefonischen Anfragen beim GIZ ist über die Jahre deutlich
gestiegen. Vor allem Privatpersonen suchen deutlich häufiger Rat als
in früheren Jahren, wie Leiter Andreas Stürer bei einer Fachtagung in
Mainz sagte. 

Knapp 54.000 Anrufe im vergangenen Jahr

2024 habe das Mainzer GIZ insgesamt knapp 54.000 Anrufe verzeichnet.
Von den Ratsuchenden seien ungefähr 30 Prozent auf Krankenhäuser oder
Rettungsdienste entfallen, also medizinisches Fachpersonal, der große
Rest der Anrufe kam aus der Bevölkerung. 

Beratung und Hilfe bietet das GIZ an der Mainzer Universitätsmedizin
rund um die Uhr bei Vergiftungen im beruflichen Umfeld, in Kliniken,
in Arztpraxen, bei Rettungsdiensten oder eben in Privathaushalten.
«85 Prozent der Kinder lassen wir zu Hause», sagte Stürer mit Blick
auf Anrufe besorgter Eltern. In den meisten Fällen könne schnell
beruhigt werden, dann genüge das Trinken eines Glases Wasser. 

Datenbank mit Rezepturen lässt schnell helfen

Dass das GIZ in Fällen, in denen bekannt ist, welches Mittel ein Kind
geschluckt hat, recht schnell beraten und das weitere Vorgehen
besprochen werden kann, liegt daran, dass das Zentrum auf eine
komplexe Datenbank zurückgreifen kann - mit Rezepturen von Wasch-
über Reinigungsmittel bis hin zu Lampenölen. Es kann also schnell
eingesehen werden, ob ein Mittel laugen- oder säurehaltig und wie
gefährlich oder ungefährlich es ist. Beschäftigen müssen sich das
Mainzer und sechs weitere solcher Zentren in Deutschland auch mit
neuen Entwicklungen, zum Beispiel mit Drogentrends wie bei Lachgas. 

Im GIZ arbeiten Ärztinnen und Ärzte, Apotheker, Biologen, Chemiker
und Pflegekräfte. Alle auflaufenden Fälle werden dokumentiert, so
wird quasi mit jedem Fall mehr Wissen geschaffen. Zusammengekommen
sind in dieser Fallsammlung inzwischen mehr als 800.000 ausführliche
toxikologische Falldokumentationen. Gemeldet werden Fälle künftig
auch an das bundesweite Vergiftungsregister, das derzeit vom
Bundesamt für Risikobewertung aufgebaut wird. 

Vergiftungsfälle können auch Produkte verändern

Zugriff auf Informationen des GIZ wird interessierten Unternehmen
gewährt, die daraus Schlussfolgerungen für eigene Produkte ziehen
können - sei es eine Entscheidung für einen Verschluss, den Kinder
nicht aufbekommen, für anders gestaltete Flaschen, für eine geänderte

Rezeptur oder neu formulierte Produktinformationen. 

Der Blick in die Geschichte des für insgesamt knapp 11,5 Millionen
Menschen in Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland zuständigen GIZ
in Mainz zeigt etwa, dass die Zahl schwerer Vergiftungen durch
Pflanzenschutzmittel oder Medikamente tendenziell über die Jahrzehnte
zurückgegangen ist. Als das Zentrum in Mainz gegründet worden sei,
seien Medizinerinnen und Mediziner noch mit einer steigenden Zahl zum
Teil schwerer Vergiftungsfälle durch damals noch deutlich toxischere
Pflanzenschutzmittel und Arzneimittel konfrontiert gewesen, erklärte
Stürer. 

«Ein Anruf, der Leben rettet»

Das GIZ kooperiert eng mit der Intensivstation des Zentrums für
Kardiologie an der Mainzer Universitätsmedizin - der einzigen
Universitätsklinik von Rheinland-Pfalz. Die Gift-Experten begleiten
Therapien von Patientinnen und Patienten mit schweren Vergiftungen
und sind an dem Krankenhaus Teil der Lehre und Ausbildung.

«Dadurch sind die Behandlungsteams von morgen für solche Fälle
sensibilisiert und wissen, dass sie sich im Ernstfall an ein
Giftinformationszentrum wenden können», sagte der
Vorstandsvorsitzende der Unimedizin, Ralf Kiesslich. «Ein Anruf, der
Leben rettet.»

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