Polizisten: Todesfahrer wirkte nach der Tat klar Von Dörthe Hein, dpa

Bei seiner Tat über den Magdeburger Weihnachtsmarkt starben sechs
Menschen, mehr als 300 wurden verletzt. Woran erinnern sich die
Polizeibeamten, die als erste mit ihm Kontakt hatten?

Magdeburg (dpa/sa) - Der Todesfahrer vom Magdeburger Weihnachtsmarkt
wirkte nach der Tat auf Polizisten aufgeregt, aber klar und ließ sich
widerstandslos festnehmen. Mehrere Polizisten berichteten vor dem
Landgericht Magdeburg über ihre Begegnung mit dem inzwischen 51 Jahre
alten angeklagten Taleb al-Abdulmohsen noch am 20. Dezember 2024. 

Ein 25-jähriger Beamter, der sich dem Todesfahrer direkt nach der Tat
mit gezogener Waffe entgegenstellte und ihn aufforderte, aus dem Auto
zu steigen, berichtete von dessen weit aufgerissenen Augen. Er habe
aufgeregt gewirkt und etwas verzögert auf die Ansprache reagiert. Der
Mann habe mit mehreren Äußerungen rechtfertigen wollen, was er getan
habe. Es starben sechs Menschen, mehr als 300 wurden verletzt.

«Er war orientiert, wusste, was er getan hat»

Es habe auf ihn wahnhaft gewirkt, schilderte der Beamte. Der heutige
Angeklagte habe gesagt, er sei an einer «großen Sache dran», sei
Psychiater, man wolle ihm etwas antun. Ein weiterer Polizist, der bei
der Festnahme dabei war, sagte: «Er war orientiert, wusste, was er
getan hat». Der Mann habe auf keinen Fall einen verwirrten Eindruck
gemacht. 

Ein weiterer Beamter sagte, al-Abdulmohsen habe auf seinen X-Account
verwiesen, dort sei alles erklärt. Der Mann, der bis zur Tat als Arzt
im Maßregelvollzug mit psychisch kranken Straftätern arbeitete, war
in sozialen Netzwerken sehr aktiv. Bei Behörden war er als
Vielschreiber eingestuft wegen einer Vielzahl von Anzeigen und
Schriftwechsel. Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss im
Landtag von Sachsen-Anhalt hat bereits herausgearbeitet, dass
al-Abdulmohsen bei den Sicherheitsbehörden durch alle Raster fiel.

Das sagen die Vernehmer über ihre Begegnung mit dem Todesfahrer

Die beiden Polizeibeamten, die den Todesfahrer am Tag nach der Tat
als Erste vernahmen, berichteten von einem Beschuldigten, der seine
eigenen Anliegen in den Vordergrund stellte und zum Tatgeschehen
schwieg. Er habe auf ihn sehr gefasst und höflich gewirkt, sagte
einer der beiden Beamten. 

Es sei für den damals 50-Jährigen sehr wichtig gewesen, über seine
Erfahrungen mit Behörden, der Polizei und Gerichten zu berichten, von
denen er sich nicht ernst genommen gefühlt habe. Dabei habe er auch
Tränen in den Augen gehabt. Über die Tat auf dem Weihnachtsmarkt habe
der Mann aus Saudi-Arabien nicht reden wollen.

Der zweite Beamter, der bei der ersten Vernehmung dabei war, sagte:
«Mein Eindruck war, dass er zumindest nicht logisch erklären konnte,
was ihn zu der Tat bewegt hat.» Was er berichtet habe, habe auf ihn
nicht nachvollziehbar gewirkt, so der Beamte. «Ich persönlich hatte
den Eindruck, es ging ihm mehr um sein eigenes Wohl.» Er habe gesagt,
er habe nicht geschlafen und nichts gegessen und sei bei der
Festnahme unsanft behandelt worden.

Der inzwischen 51-jährige Taleb al-Abdulmohsen war am 20. Dezember
2024 mit einem mehr als zwei Tonnen schweren und 340 PS starken
Mietwagen über den Weihnachtsmarkt gerast. Laut der
Generalstaatsanwaltschaft Naumburg lenkte der Mann aus Saudi-Arabien
den Wagen etwa 350 Meter weit und mit bis zu 48 Kilometern pro Stunde
über den Weihnachtsmarkt. 

Es starben ein Neunjähriger und fünf Frauen, mehr als 300 weitere
Menschen wurden verletzt. Al-Abdulmohsen hat die Tat zugegeben.

Wie viel Raum bekommt der Täter, wie viel die Opfer?

In dem Prozess sind Verhandlungstage bis Mitte März angesetzt, pro
Woche wird zwei- bis dreimal verhandelt. Etwa 180 Betroffene des
Anschlags sind als Nebenkläger im Verfahren dabei, wenn auch die
meisten zu den Verhandlungstagen nicht im Saal sind. Der
Zuschauerraum war auch am Montag wieder gut gefüllt.

Um das Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, war mit
Zustimmung des Angeklagten beschlossen worden, dass Zeugen des
Anschlags nicht vor Gericht aussagen müssen. Vielmehr sollen ihre
Aussagen, die sie bei der Polizei gemacht haben, entweder verlesen
werden oder im sogenannten Selbstleseverfahren in den Prozess
eingeführt werden. Zusammen sind das laut dem Vorsitzenden Richter
Dirk Sternberg 1.500 bis 2.000 Seiten. Weil der Aufwand so hoch ist,
sollten bereits angesetzte Verhandlungstage aufgehoben werden. 

Ein Nebenklagevertreter äußerte seine Bedenken, dem Angeklagten und
seinen stundenlangen Äußerungen werde in der öffentlichen Verhandlung

so mehr Raum gegeben als den Opfern. Der Vorsitzende Richter
Sternberg betonte, er wolle auf die Ausgewogenheit achten. Es sollten
auch Aussagen verlesen werden, um das Erlebte und die Sicht der
Betroffenen deutlich zu machen. Die Nebenklagevertreter machten
deutlich, dass mindestens 15 Betroffene bereit sind, vor Gericht
auszusagen. 

Unterdessen verweigert der Angeklagte seit etwa einer Woche die
Nahrung. Sternberg sprach ihn auf seine Verhandlungsfähigkeit an und
bot ihm auch eine ärztliche Untersuchung an. Der Angeklagte hält sich
für verhandlungsfähig. Er betonte, er suche mit dem Hungerstreik
mediale Aufmerksamkeit und «kämpfe für Gerechtigkeit». Wiederholt
befragt nach seinen Beweggründen für die Todesfahrt über den
Weihnachtsmarkt verwies der Angeklagte darauf, von den Behörden nicht
ernst genommen worden zu sein. Er sprach von Verzweiflung und sagte:
«Das war nicht die Wahl, die ich machen sollte».

Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt. Dann geht es um den
Arbeitsplatz des Angeklagten als Arzt im psychiatrischen
Maßregelvollzug in Bernburg. Als Zeugen geladen sind der damalige
ärztliche Leiter des Maßregelvollzuges sowie vier Mitarbeiter.

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