Donnerbalken und Luxus-Klo: Die Toilette im Wandel der Zeit Von Carola Frentzen, dpa
Der Welttoilettentag erinnert daran: Milliarden Menschen weltweit
haben noch keinen Zugang zu sicheren Sanitäranlagen. Andere nutzen
High-Tech-Klos. Eine Reise durch die Historie des stillen Örtchens.
Bangkok (dpa) - Wenn es dringend wird, ist sie plötzlich das
Wichtigste der Welt: die Toilette. Ob als einfache Schaufel im
Freien, hölzerner Donnerbalken oder hochmodernes Keramikwunder mit
Dusch- und Trocknungsfunktion - die Menschheit hat im Lauf der
Geschichte viele Lösungen gefunden, um sich Erleichterung zu
verschaffen. Eine Notwendigkeit, die alle Menschen verbindet, quer
durch Jahrtausende und Kontinente. Was für viele selbstverständlich
ist, bleibt aber für Milliarden Menschen bis heute unerreichbar.
Der jährlich am 19. November begangene Welttoilettentag erinnert
daran, dass rund 3,4 Milliarden Menschen weltweit keinen Zugang zu
sogenannten «safely managed sanitation services» haben - also
Toiletten, die nicht mit anderen Haushalten geteilt werden und deren
Abwasser sicher entsorgt wird, so dass Gesundheit, Würde und
Sicherheit gewährleistet sind. 354 Millionen Menschen müssen ihr
Geschäft laut Weltgesundheitsorganisation WHO noch immer im Freien
verrichten.
«Wir brauchen Toiletten für alle, überall», schrieben die Vereinten
Nationen in einer Mitteilung. «Egal, wie sich die Welt verändert,
manche Dinge bleiben unverändert - unser Bedürfnis nach Toiletten
gehört dazu.»
Mit Schaufel und Spaten
Damit erinnert der Welttoilettentag auch daran, dass der Anfang der
Toilettengeschichte vielerorts bis heute fortgeschrieben wird: eine
Schaufel, ein Fleck Erde - und sonst nichts.
Schon in der Frühzeit der Menschheit war das die gängigste Lösung. Ob
auf Wanderzügen, beim Hüten von Tieren oder am Rand kleiner
Siedlungen - die Schaufel gehörte im Alltag dazu wie der Wasserkrug
oder das Feuerholz. Auch viele Armeen gruben über die Jahrhunderte
Latrinen aus, oft mit Spaten und einfachsten Mitteln. Schnell,
funktional und mit möglichst wenig Geruch.
Schulter an Schulter im alten Rom
Speziell die alten Römer zeigten aber, dass man aus der Not auch eine
Tugend machen kann: In öffentlichen Latrinen saß man damals - in
praktische Togas gehüllt - Schulter an Schulter, ganz ohne Trennwand.
Unter den Sitzen plätscherte Wasser, das die Hinterlassenschaften
davontrug.
Statt Toilettenpapier wurde ein Schwamm am Stiel eingesetzt,
«tersorium» genannt, wie die Anthropologin Ann Olga Koloski-Ostrow in
einem Bericht des «Smithonian Magazine» erläuterte. Hygiene war das
nicht im modernen Sinne - aber gesellig war es allemal. «Man kann
viel über eine Kultur erfahren, wenn man sich anschaut, wie sie ihre
Toiletten benutzte», betonte Koloski-Ostrow.
Dusche von oben im Mittelalter
Im europäischen Mittelalter wurde das Geschäft zur Mutprobe: In den
Städten verwendeten viele Menschen Nachttöpfe. Die Straßen hatten
offene Abflüsse - Kanäle, die die Straßen entlangführten. Der Inhal
t
des Töpfchens wurde einfach aus dem Fenster gekippt. Nicht selten
erschallte dabei der französische Ausruf «Garde à l'eau!» (Achtung,
Wasser!). Wer unten vorbeilief, riskierte eine unliebsame Dusche -
oder Schlimmeres. In Burgen oder Klöstern gab es hingegen Klos in
Form von Erkern. Auch hier fiel das Geschäft meist einfach
umstandslos von oben in die Burggräben.
Der Siegeszug des Wasserklosetts
Ein Meilenstein war dann die Spültoilette: John Harington, Patenkind
von Königin Elizabeth I., soll 1596 ein Wasserklosett erfunden haben
- doch das Gerät blieb zunächst ein Kuriosum. Erst mit der
Industrialisierung und dem Bau moderner Kanalisationen im 19.
Jahrhundert trat das «Water Closet» seinen Siegeszug an. Damit wurde
die Toilette - samt Siphon zur Geruchsvermeidung - nicht nur
bequemer, sondern auch ein wichtiger Verbündeter der öffentlichen
Gesundheit.
Im viktorianischen Zeitalter war das Badezimmer dann plötzlich schick
- zumindest bei den Reichen: Hübsch verzierte Porzellanschüsseln
zeigten Geschmack und Fortschritt. Wer etwas auf sich hielt, ließ
sich ein besonders elegantes Modell einbauen - das stille Örtchen
wurde repräsentativ.
Hightech-Klos aus Japan
Heute ist die Toilette in manchen Teilen der Welt längst Hightech.
Vor allem in Japan: beheizte Sitze, Düsen für die perfekte Reinigung,
ein sanfter Luftstrom zum Trocknen, automatische Deckel, die sich wie
von Zauberhand selbständig öffnen und schließen, und musikalische
Untermalung gehören zum Standard. Parallel gewinnt Nachhaltigkeit an
Bedeutung: Komposttoiletten und Modelle mit Wasser-Recycling gelten
als Zukunftslösungen für eine wachsende Weltbevölkerung.
Doch während ultramoderne Toiletten mit Sitzheizung, integrierter
Bidet-Funktion und Geruchsabsaugung in reicheren Nationen immer
populärer werden, bleibt die Wirklichkeit anderswo dramatisch:
Unsichere Sanitär- und Hygienesituationen sind mitverantwortlich für
Krankheiten wie Durchfall, Cholera und Typhus - besonders bei
Kindern.
Warnung der Vereinten Nationen
So sterben laut aktuellen Zahlen der WHO täglich rund 1.000 Kinder
unter fünf Jahren an Krankheiten, die auf eine unzureichende
Sanitärversorgung, unsicheres Wasser und mangelnde Hygiene
zurückgehen. Bei der derzeitigen Fortschrittsrate werden laut UN im
Jahr 2030 immer noch drei Milliarden Menschen ohne sichere Toiletten
leben.
Zahlen klingen immer trocken - doch ihre Folgen sind es nicht: Wenn
kein sicherer Ort zum Verrichten der Notdurft vorhanden ist, steigt
nicht nur das Risiko für Erkrankungen. Es hat auch etwas mit
Menschenwürde zu tun. Von der Schaufel bis zum Spülknopf: Die
Toilette ist ein Spiegel der Zivilisation. Sie erzählt eine
Geschichte von Hygiene, Erfindergeist und Fortschritt - und einer
Menschheit, in der Luxus und erschütternde Armut noch immer
nebeneinander existieren.
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