Brustkrebs-Früherkennung: Screening bleibt oft ungenutzt Von Christine Schultze, dpa
Obwohl das Mammografie-Screening nachweislich Leben retten kann,
nutzt nur gut die Hälfte der eingeladenen Frauen in Hessen das
Angebot. Woran liegt das?
Gießen (dpa/lhe) - Mediziner sind sich längst einig: Je früher
Brustkrebs erkannt wird, desto besser stehen die Heilungschancen. Das
vor gut 20 Jahren eingeführte Mammografie-Screening soll der besseren
Früherkennung bösartiger Tumore dienen und so auch helfen, die
Sterblichkeit der Patientinnen zu senken. Doch auch in Hessen nutzen
weit weniger Frauen, als dazu eingeladen werden, diese für eine
bestimmte Altersgruppe alle zwei Jahre angebotene und von den
Krankenkassen finanzierte Vorsorgeuntersuchung. Warum ist das so und
wie könnte sich die Akzeptanz erhöhen lassen?
Wer wird zu dem Screening eingeladen?
Bis Ende Juni vergangenen Jahres waren die
Früherkennungsuntersuchungen über das Screening für Frauen zwischen
50 und 69 Jahren vorgesehen. Seit Juli 2024 sind auch Frauen zwischen
70 und 75 Jahren einbezogen - zunächst eigeninitiativ als
«Selbsteinladerinnen», und seit Anfang dieses Jahres wird auch diese
ältere Gruppe von Frauen regelhaft per Anschreiben zum Screening
eingeladen.
Die Briefe enthalten einen persönlichen Code und Terminvorschlag, der
über eine spezielle Website oder auch telefonisch bestätigt oder
verschoben werden kann. Reagieren die Eingeladenen nicht, erhalten
sie eine weitere Einladung nach sechs Wochen - insgesamt 680.000
solcher Schreiben wurden nach Angaben von Christoph Wiemers,
Abteilungsleiter Patientenservice der Kassenärztlichen Vereinigung
Hessen, im vergangenen Jahr verschickt.
Wie viele Frauen nehmen die Untersuchungen wahr?
Gut die Hälfte der Frauen, die einen Anspruch auf die Untersuchungen
im Rahmen des Mammografie-Screenings in Hessen haben, nehmen die
Termine tatsächlich wahr, sagt Karin Bock, Programmverantwortliche
Ärztin
und Leiterin des Referenzzentrums Mammographie SüdWest. Als zentrale
Einrichtung betreut das Zentrum das Programm in Hessen,
Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Hinzu kommen
Frauen, die auf eigene Initiative zu Untersuchungen niedergelassener
Radiologen gehen - etwa, weil sie durch die Einladungsschreiben oder
durch Gespräche bei ihren Frauenärzten auf das Thema aufmerksam
wurden.
Bock empfiehlt Frauen, den Untersuchungen in den zertifizierten
Screening-Zentren auf jeden Fall den Vorzug zu geben. Es handele sich
um ein qualitätsgesichertes, organisiertes und bundeseinheitliches
System. Bei jeder Untersuchung schauten zwei besonders geschulte und
qualifizierte Ärztinnen oder Ärzte auf die Bilder. Diese müssten als
Vorgabe pro Jahr jeweils mindestens 5.000 solcher Bilder sichten und
beurteilen, sagt Bock. «Die Anforderungen sind so hoch, weil wir
Frauen untersuchen, die zu diesem Zeitpunkt keine Krankheitssymptome
haben.»
Warum verzichten viele Frauen auf das Screening?
Bock spricht von vielfältigen Gründen, die je nach Altersgruppe,
Bildungsstand oder Versicherungsstatus der Frauen unterschiedlich
ausfallen. Nicht nur eine Vielzahl von Ängsten - etwa vor der
eigentlichen Untersuchung oder möglichen beunruhigenden Befunden -
spielten eine Rolle, sagt die Medizinerin. Manche Frauen verträten
auch die Auffassung, sie könnten «selbst auf ihren Körper achten».
Auch mangelndes Wissen über medizinische Sachverhalte spiele eine
Rolle, das sich selbst während der Screening-Untersuchungen noch
zeigen könne. So weiß Bock von Frauen, die trotz eines auffälligen
Mammografie-Befunds weitergehende Untersuchungen ablehnen. Die Ärztin
spricht von einem vermutlich hohen Beratungsbedarf bei den Frauen.
Dennoch nehme nur ein ganz geringer Anteil der Frauen tatsächlich
Informations- und Beratungsangebote der hessenweit sechs
Screening-Einheiten tatsächlich wahr.
Was sagen die Behandler?
Für Uwe Wagner, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und
Geburtshilfe am Universitätsklinikum Gießen und Marburg, steht der
Nutzen des Screenings außer Frage. Das zeige sich schon darin, dass
Brustkrebs-Neuerkrankungen bei den in das Programm einbezogenen
Frauen von 50 bis 69 Jahren statistisch dank der
Röntgenuntersuchungen in früheren, besser zu behandelnden Stadien
erkannt werden, sagt Wagner.
«Das Überleben ist und bleibt stadienabhängig» - je größer Tumo
re
nämlich sind, desto höher sei auch die Wahrscheinlichkeit, dass
Lymphknoten befallen seien. Und desto größer und für die Patientinnen
belastender sei der therapeutische Aufwand, der bei der Behandlung
betrieben werden muss, ob durch Operationen, Chemo- oder
Strahlentherapien.
Rund 12.000 Frauen hat Wagner in seiner beruflichen Laufbahn direkt
oder indirekt während Diagnostik und Behandlung begleitet. Dabei
seien auch viele gewesen, die nicht an regelmäßigen
Früherkennungsuntersuchungen teilgenommen haben, sagt der Mediziner.
Bei der Behandlung spielt das für ihn keine Rolle. «Das Leid ist
immer gleich groß, und die Zuwendung ist immer die gleiche», sagt
Wagner. «Es gibt nie einen Vorwurf.»
Wie können Frauen selbst zur Früherkennung beitragen?
Mediziner empfehlen regelmäßige Tastuntersuchungen der Brust, um
möglichst frühzeitig Veränderungen des eigenen Körpers wahrzunehmen
.
Die Teilnahme am Mammografie-Screening ersetzt das Abtasten
allerdings nicht, wie Wagner deutlich macht. Knoten in der Brust
seien häufig erst ab einem Tumorstadium 2, also ab einer Größe von
zwei Zentimetern und mehr ertastbar - die weitaus besten
Heilungsaussichten gibt es aber für die kleinsten Tumore im Stadium
1. Auch regelmäßige Ultraschalluntersuchungen beim Gynäkologen gäbe
n
keine Sicherheit, sondern sollten als ergänzende Möglichkeit gesehen
werden. Hier komme es sehr darauf an, wie gut der Untersucher oder
die Untersucherin sei. Außerdem seien viele der Tumor-Vorstufen im
Ultraschall nicht sichtbar, sagt Wagner.
Kann das Screening Leben retten?
Ja, sagt Bock. Die bundesweite «Mortalitätsevaluation» habe eine 20-
bis 30-prozentige Verringerung der Brustkrebs-Sterbefälle nachweisen
können. «Das heißt: Jede vierte Frau kann dank regelmäßiger
Mammografien vor dem Tod bewahrt werden», sagt Bock.
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