Kleine Decken mit großer Wirkung Von Jennifer Brückner, dpa
Langsam rattert die Nähmaschine über winzige Kleidung. Gemeinsam mit
einem Verein schenkt Skadi den Allerkleinsten nicht nur Wärme,
sondern auch Hoffnung. Doch das Thema bleibt oft im Verborgenen.
Leipzig (dpa/sn) - Hinter verschlossenen Türen, fernab von der
Öffentlichkeit kämpfen täglich Frühgeborene um ihr Überleben. «
Das
ist ein riesen Marathon, den die dann schon zu bewältigen haben. Weit
vor der Zeit und weit bevor die Organe eben eigentlich so weit
entwickelt sind», erklärt Katarina Eglin vom Bundesverband «Das
Frühgeborene Kind». Zehntausende Kinder kommen jedes Jahr zu früh auf
die Welt. Dennoch bleibt es ein Randthema. Dank freiwilliger
Helferinnen und Helfer soll es jetzt mehr in das öffentliche
Bewusstsein gerückt werden - und das durch Handarbeit.
Nach einer Studie aus dem Jahr 2023 wird in Deutschland fast jedes
elfte Kind vor der Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche geboren -
über 60.000 Betroffene in einem Jahr. Auf ihr Schicksal will der
weltweite Frühgeborenentag am 17. November aufmerksam machen.
Handarbeit für mehr Bewusstsein
Skadi Siol (56) hat auf diesen Tag hingearbeitet. Sie ist Mitglied im
Verein «Sternenzauber & Frühchenwunder» und versorgt Krankenhäuser
in
Leipzig und Umgebung mit Kleidung und Decken für die Kleinsten. Eine
Decke kann dann mal so groß wie ein aufgefaltetes Taschentuch sein.
Tausende Freiwillige in Deutschland, Österreich und der Schweiz
fertigen in enger Abstimmung mit den Kliniken jene Sachen an, die es
im normalen Handel nicht zu kaufen gibt. Kurz vor dem Weltfrühchentag
bringt sie Decken und neue Schlafsäcke in das Universitätsklinikum
Leipzig - alles durch die Schwestern vorbestellt und sehnsüchtig
erwartet.
Für die Frühchenstation sind diese Spenden unabdingbar: «Es ist eine
gewisse Würde, die man den Kindern verleiht», erklärt Gabriele Koch,
Pflegefachkraft und Bereichsleiterin der Neonatologie. Alleine rund
100 Decken benötigt das Krankenhaus jährlich, berichtet Schwester
Gabi. Bei rund 400 Frühgeburten alleine im Leipziger Uniklinikum
haben die auch ihre Abnehmer.
Kampf um jeden Platz
Dabei kämpft auch die Frühchenstation im Leipziger Krankenhaus mit
dem Fachkräftemangel. Pflegekräfte fehlen, Frühchen müssen vorzeiti
g
verlegt werden, um Platz für die intensiv zu pflegenden Kinder zu
machen, berichtet
Prof. Ulrich H. Thome, Abteilungsleiter der Neonatologie. «Diese
Arbeit würden wir lieber in die Kinder selber investieren als ihnen
solche logistischen Herausforderungen».
Nach dem Rückgang der Geburten im Leipziger Krankenhaus zu
Coronazeiten ist die Neonatologie inzwischen wieder gut belegt.
Frühchen sind damit alles andere als eine Seltenheit.
Mehr Aufmerksamkeit für Frühchen und Sternenkinder
Ob Nichte, Mutter, Vater oder Geschwisterkind: «Die Trefferquote im
Umfeld ist relativ hoch und trotzdem ist es so eine verschlossene
Thematik. Alles passiert auf den Intensivstationen hinter
verschlossenen Türen», kritisiert Katarina Eglin.
Welche Folgen eine Frühgeburt im späteren Leben hat, werde kaum
beachtet. Selbst Hausärzte hätten das Thema häufig nicht auf dem
Schirm, so Eglin. «Frühgeborene sind teilweise weniger belastbar,
weniger konzentrationsfähig. Eine 40-Stunden-Woche ist für viele
nicht machbar», erklärt Eglin.
Auch Siol findet: Bislang ist das Thema der Früh- und Fehlgeburten
eher ein Tabuthema. «Es wird nicht darüber gesprochen. Sie sprechen
dann erst darüber, wenn sie darauf hingestoßen werden, aber sonst
nicht». Vor allem das Thema der Fehlgeburten, also sogenannte
Sternenkinder, finde im Alltag kaum Aufmerksamkeit. «Wir als Verein
kämpfen dafür, dass es in der Gesellschaft mehr anerkannt wird, also
gerade die Sternchen», betont Siol.
Bis dahin wird die 56-Jährige ihrer Leidenschaft weiter nachgehen und
dabei ganz nebenbei Frühchen einen besseren Start ins Leben
ermöglichen. Weder Eltern noch das Krankenhaus könnten auf diese
freiwillige Arbeit verzichten.
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