«Tot operiert»: Streeck will Umdenken bei Versorgung Älterer

Mit einer Aussage zu teuren Medikamenten für sehr alte Menschen hat
der Drogenbeauftragte Streeck für Wirbel gesorgt. Die Bundesregierung
distanziert sich. Nun legt der Gesundheitspolitiker nach.

Berlin (dpa) - In der Debatte um die Gesundheitsversorgung alter
Menschen hat der CDU-Gesundheitspolitiker Hendrik Streeck seinen
kritisierten Vorstoß nochmals präzisiert. «Es geht nicht ums Sparen,

sondern darum, Menschen etwas zu ersparen», schrieb Streeck in einem
Gastbeitrag in der «Rheinischen Post». Es gehe darum, wie man
Menschen in ihren letzten Lebensphasen verantwortungsvoll begleite,
statt sie aus falschen Anreizen überzuversorgen.

Streeck, der auch Drogenbeauftragter der Bundesregierung ist, hatte
in dieser Woche für Wirbel gesorgt, als er die Frage aufwarf, ob man
sehr alten Menschen noch besonders teure Medikamente verordnen
sollte. Es brauche in der medizinischen Selbstverwaltung «klarere und
verbindliche Leitlinien, dass bestimmte Medikamente auch nicht immer
ausprobiert werden sollten - es gibt einfach Phasen im Leben, wo man
bestimmte Medikamente auch nicht mehr einfach so benutzen sollte»,
sagte er in der Talksendung «Meinungsfreiheit» des Senders Welt TV.

Gesundheitsministerin Nina Warken stellte in der «Bild»-Zeitung klar:
«Im Ministerium wird diese Zielrichtung nicht verfolgt.» Auch der
stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer sagte, es sei klar,
«dass das nicht die Haltung der Bundesregierung ist». Gerade bei sehr
emotionalen Themen und im Bereich Gesundheit sei es sicherlich
ratsam, «die Dinge zunächst vernünftig vorzubereiten, anstatt dazu
eine öffentliche Diskussion - die wir hier jetzt beenden konnten - zu
führen».

Streeck: Menschen werden «tot operiert»

Streeck führte nun aus, Reflex sei oft, dass die Lebensverlängerung
immer das höchste Ziel sei. Dabei sei nicht alles, was medizinisch
möglich sei, auch menschlich vertretbar. «In Deutschland aber werden
ältere, hochfragile Menschen nicht selten «tot operiert» - nicht aus

Böswilligkeit, sondern weil unser System falsche Anreize setzt.» Ein
minimalinvasiver Herzklappenersatz oder eine fünfte Hüftprothese
würden allzu oft durchgeführt, ohne dass die entscheidende Frage
gestellt werde: Verbessert das das Leben? Oder verlängert es nur
Leiden? «Manchmal ist die größere Fürsorge, nicht alles zu tun, was

man kann.»

Streeck zufolge steigen die Gesundheitskosten im letzten
Lebensquartal exponentiell. «Nur steigt nicht immer die
Lebensqualität», schrieb der CDU-Politiker. «Wenn die
Wahrscheinlichkeit zu sterben größer ist, als die zu genesen, dürfen

weder Kosten noch theoretische Möglichkeiten entscheiden. Sondern der
Wunsch des Menschen. Seine Würde. Sein Frieden.»

Patientenschützer: Voraussetzungen für würdige Alternative nötig

Von der Deutschen Stiftung Patientenschutz hieß es, Streeck fordere
zu Recht, dass sterbenskranken Menschen nicht mehr alle möglichen
Therapien zugemutet würden. Dann müsse die Koalition aber auch die
Voraussetzungen schaffen, dass das Gesundheitssystem den
schwerstkranken und sterbenden Patienten eine würdige Alternative
biete, sagte Vorstand Eugen Brysch.

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