Rentenstreit mit JU - Merz enttäuscht den Parteinachwuchs
Mit Spannung hatte die Junge Union darauf gewartet, was Kanzler Merz
zur Rentendebatte sagen würde. Als er dann aber sprach, wurde es in
der Halle in Rust immer leiser.
Rust (dpa) - Im Streit um das Rentenpaket der Bundesregierung hat
sich Kanzler Friedrich Merz hinter den Gesetzentwurf und damit gegen
die Junge Union gestellt. Der Parteinachwuchs lehnt das Rentenpaket
ab, der Regierungschef verteidigte es gegen Kritik und warnte vor
einem Unterbietungswettbewerb bei der Rente.
«Ja, ich werde mit gutem Gewissen diesem Rentenpaket zustimmen, wenn
wir es im Deutschen Bundestag zur Abstimmung vorliegen haben», sagte
Merz beim Deutschlandtag der Jungen Union im südbadischen Rust. Das
tue er, weil er wisse, dass es nur der Anfang einer Diskussion über
grundlegende Sozialreformen sein werde. Das System der
Altersversorgung müsse noch in der laufenden Legislaturperiode neu
aufgestellt werden, sagte der Bundeskanzler. Dies sei auch bereits
innerhalb der Koalition verabredet.
Die Sorge der Jungen Union und junger Unionsabgeordneter im
Bundestag, dass nach 2031 weitere 120 Milliarden Euro an Belastung
auf die sozialen Systeme und letztlich den Steuerzahler zukommen
könnten, versuchte er zu zerstreuen. Er gehe fest davon aus, dass
vorher andere Entscheidungen getroffen würden. «Wir werden alles tun,
dass es nicht zu dieser Belastung kommt», sagte Merz.
Merz: «Das kann doch nicht euer Ernst sein!»
Vom Parteinachwuchs forderte Merz in der Debatte konstruktive
Vorschläge. «Nehmt an dieser Debatte konstruktiv teil. Aber nicht,
indem ihr sagt, was nicht geht», sagte Merz. Man müsse gemeinsam
diskutieren, was gehe. «Glaubt jemand ernsthaft, dass wir einen
Unterbietungswettbewerb gewinnen? Wer bietet das niedrigste
Rentenniveau?», rief Merz in den Saal. «Das kann doch nicht euer
Ernst sein!» Damit gewinne man keine Wahlen.
Hintergrund der Debatte ist ein Streit um das geplante Rentenpaket
der schwarz-roten Bundesregierung. Das will die Junge Gruppe der
Unionsabgeordneten im Bundestag nicht mittragen.
Sie stößt sich an einer Formulierung in dem vom Kabinett und damit
auch von Merz beschlossenen Rentengesetzentwurf, nach dem auch nach
2031 das Rentenniveau um rund einen Prozentpunkt höher als im
geltenden Recht liegen soll. Sie moniert, dass das nicht im
Koalitionsvertrag vereinbart worden sei und 118 Milliarden Euro
zusätzlich kosten würde. Die SPD will trotz der Kritik der jungen
Abgeordneten am Rentenpaket festhalten.
JU-Chef: Dieses Paket darf auf keinen Fall so kommen
JU-Chef Johannes Winkel hatte vor den Delegierten des Deutschlandtags
in seiner Rede am Freitag erneut klargestellt: «Dieses Rentenpaket
mit den Folgekosten von 120 Milliarden Euro über den
Koalitionsvertrag hinaus, das darf auf keinen Fall so kommen.»
Der Jungen Gruppe im Bundestag gehören 18 Abgeordnete an, die zum
Zeitpunkt der Bundestagswahl im Februar nicht älter als 35 Jahre
waren und alle in der Jungen Union sind. Da CDU, CSU und SPD im
Bundestag nur eine Mehrheit von 12 Stimmen haben, könnte der
Unions-Nachwuchs das Rentenpaket kippen.
Rückendeckung bekam die Junge Union von Baden-Württembergs CDU-Chef
Manuel Hagel. «Die Haltelinie bis 2031 und nicht darüber hinaus: Es
ist bereits der Kompromiss», sagte Hagel. Wenn der Vorschlag von
Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) eins zu eins komme, brauche es
keine Rentenkommission mehr: «Das einzige, was ihr in der
Rentenkommission noch werdet tun können, ist Kaffee trinken, Kuchen
essen und euch überlegen, ob ihr 120 Milliarden oder 150 Milliarden
zuschießt.» Es brauche weitere Verhandlungen mit der SPD.
Klingbeil will keine Änderungen mehr am Gesetz
Das hatte Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil bereits am
Morgen ausgeschlossen. «Ich sage euch in aller Klarheit: An diesem
Gesetz wird nichts mehr geändert», sagte der SPD-Bundesvorsitzende
beim Landesparteitag der SPD Baden-Württemberg in Ulm. «Wir stehen
beim Thema Rente. Das werden wir im Bundestag verabschieden.»
Auch Unionsfraktionschef Jens Spahn machte den jungen Abgeordneten in
seiner Bundestagsfraktion wenig Hoffnung auf grundlegende Änderungen.
Die Vereinbarung zur Haltelinie des Rentenniveaus sei ein Kompromiss.
Das Thema sei für die SPD in etwa so wichtig gewesen beim Eintritt in
die Koalition wie für die Union der Politikwechsel bei der Migration,
so Spahn.
Junge CDU-Abgeordnete wollen Beitrags-Moratorium
Im Leitantrag für den Deutschlandtag geht der CDU-Parteinachwuchs
sogar noch weiter und fordert einschneidende Reformen an der Rente.
Bis strukturelle Reformen vorlägen, dürfe es keine weiteren
Beitragserhöhungen in den Sozialversicherungen mehr geben. «Wir
fordern für diese Legislaturperiode die Einführung eines
Beitrags-Moratoriums. Beiträge sollen also nicht mehr steigen
dürfen.» Die JU fordert in dem Leitantrag zudem einschneidende
Strukturreformen bei der Krankenversicherung und der Pflege.
In dem Leitantrag pocht die JU zudem auf eine Koppelung des
Renteneinstiegsalters an die steigende Lebenserwartung. Ab 2031 soll
nach Vorstellung der JU bei einem Anstieg der Lebenserwartung um ein
Jahr die Regelaltersgrenze um neun Monate steigen. Damit würde sich
das Renteneinstiegsalter alle zehn Jahre um ein gutes halbes Jahr
erhöhen. Gleichzeitig soll es Härtefallregelungen geben für Menschen,
die aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind, bis zum
gesetzlichen Renteneintrittsalter zu arbeiten.
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