Regierung will Pharmabranche stärken - und Kosten begrenzen

Die Arzneibranche wächst trotz Wirtschaftskrise. Doch Patienten
erleben immer wieder Engpässe. Nun will die Regierung die
Standortbedingungen verbessern - aber auch die Ausgaben im Zaum
halten.

Berlin (dpa) - Deutschland soll nach Plänen der Bundesregierung
angesichts von Engpässen bei manchen Standard-Arzneien als Pharma-
und Medizintechnikstandort attraktiver werden. Die Branchen seien
wichtig für eine hochwertige Gesundheitsversorgung und leisteten
einen erheblichen Beitrag zu Wertschöpfung und Innovationskraft,
sagte Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) nach einem Treffen mit
Vertretern von Firmen und Verbänden. Ziel ist, bis zum nächsten Jahr
Maßnahmen für bessere Bedingungen zu erarbeiten.

Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) sagte der Deutschen
Presse-Agentur, es gelte, die Innovationskraft «Made in Germany» zu
stärken und die Versorgungssicherheit weiter auszubauen. Im Blick
steht nach ihren Angaben, Bürokratie abzubauen und Prozesse zu
beschleunigen. «Gleichzeitig müssen die Kostensteigerungen für das
Gesundheitssystem insgesamt eingedämmt werden.» Hierzu werde auch der
Pharmabereich seinen Beitrag leisten müssen.

Das Treffen im Kanzleramt sollte den Auftakt zur Entwicklung einer
Pharma- und Medizintechnikstrategie bilden. Jetzt soll sich ein
ressortübergreifender Dialogprozess unter Federführung des
Gesundheitsministeriums anschließen. Warken sagte, die Themen sollten
zusammen mit Akteuren aus Industrie, Verbänden, Wissenschaft, der
Selbstverwaltung des Gesundheitswesens und Patientenvertretern
erörtert werden. Laut Regierung sollen bestehende Formate - eine
Pharmastrategie und ein Pharmadialog - zusammengeführt werden.

Arzneien immer wieder knapp

Die Pharmaindustrie wächst als eine der wenigen Branchen in
Deutschland, doch immer wieder kommt es zu Engpässen - etwa bei
Fiebersäften, Schmerz- und Diabetesmitteln oder Antibiotika. Bei
vielen Mitteln ist Deutschland stark von China und Indien abhängig.
Die Branche macht Kostendruck auch der Politik dafür verantwortlich,
dass sich Hersteller in Deutschland etwa aus der Produktion von
Penicillin zurückgezogen haben. Unternehmen könnten wegen der
geltenden Preisregulierung für viele Arzneien in Deutschland
steigende Kosten nicht einfach an Kunden weitergeben, indem sie die
Preise erhöhen. 

Sorgen um Abhängigkeit von China

Die Pharma- und Chemiegewerkschaft IG BCE forderte Schritte gegen
Arzneiengpässe. Der Fokus dürfe nicht allein auf Hochtechnologie und
Forschung liegen, sagte Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis. «Wir
müssen auch die Produktion von Standardmedikamenten und -wirkstoffen
stärken.» Die langen Listen mit Engpass-Medikamenten sprächen eine
deutliche Sprache.

Der Chemieverband VCI forderte umgehende Schritte zur Beschleunigung
von Verfahren, für Innovationen und zur Sicherung des
Produktionsstandorts. Deutschland habe mit seiner
Gesundheitswirtschaft große Chancen, aber auch viel zu verlieren. Han
Steutel, Präsident des Verbands forschender Pharma-Unternehmen,
sagte, in der wirtschaftlichen Schwäche komme es darauf an, die Basis
und Wachstumsmöglichkeiten der Pharmabranche zu stärken.

Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Pharma
Deutschland sagte: «Der Pharmadialog gibt uns die Chance,
regulatorische Ineffizienzen und bürokratische Hürden anzugehen, die
unseren Standort zunehmend unter Druck setzen und das Potenzial
unserer Branche hemmen.»

Krankenkassen fürchten höhere Arznei-Ausgaben

Bei den Bedingungen steht mit im Blick, dass höhere
Arzneimittelpreise auf die Finanzen der gesetzlichen
Krankenversicherungen (GKV) durchschlagen. Neue Beitragserhöhungen
will die Koalition aber auch vermeiden. Die stellvertretende Chefin
des GKV-Spitzenverbands, Stefanie Stoff-Ahnis, sagte der dpa: «Wir
erwarten einen konstruktiven und fairen Dialog mit konkreten
Vorschlägen, um die Solidargemeinschaft vor immer höheren
Kostensteigerungen zu schützen.» Die gesetzlichen Kassen mit 75
Millionen Versicherten hätten großes Interesse an einer starken
Pharma- und Medizintechnikindustrie. Die Arzneimittel-Ausgaben seien
aber allein im ersten Halbjahr um sechs Prozent gestiegen.

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