Warnstreik an kirchlicher Klinik verboten - was bedeutet es? Von David Hutzler, dpa
Ein Gericht verbietet der Gewerkschaft Verdi, ein Krankenhaus der
Diakonie Mitteldeutschland zu bestreiken. Verdi will sich wehren. Die
Tragweite geht aber über den konkreten Fall hinaus.
Erfurt (dpa/th) - Es ist ein Richterspruch mit Signalwirkung: Im
Streit um Streiks bei kirchlichen Arbeitgebern hat das Arbeitsgericht
Erfurt der Diakonie Mitteldeutschland den Rücken gestärkt. Das
Gericht untersagte der Gewerkschaft Verdi, zu Warnstreiks am Sophien-
und Hufeland Klinikum in Weimar aufzurufen und drohte ein
Ordnungsgeld von 250.000 Euro an, wenn dagegen verstoßen wird. Die
Gewerkschaft kündigte an, wahrscheinlich Berufung einzulegen.
Auch eine Verfassungsbeschwerde der Gewerkschaft stand beim Termin in
Erfurt im Raum. Aus Sicht der Diakonie geht es bei dem Fall nicht nur
um das Aushandeln von Arbeitsbedingungen für ihre Zehntausenden
Beschäftigten in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg.
«Wir gehen auch davon aus, dass es um die grundsätzliche
Infragestellung des kirchlichen Arbeitsrechtes geht», warf
Vorstandschef Christoph Stolte Verdi vor.
Was ist eigentlich das Problem?
Eigentlich gibt es in Deutschland ein Streikrecht. Das steht so im
Grundgesetz. Aber: In der Verfassung ist auch das kirchliche
Selbstbestimmungsrecht verankert. Und auf dieser Grundlage können
Kirchen und kirchliche Einrichtungen die Arbeitsbedingungen ihrer
Beschäftigen etwa in besonderen Kommissionen verhandeln, in denen
auch Gewerkschaften beteiligt sind.
In der Diakonie Mitteldeutschland gibt es eine Kommission mit fünf
Arbeitgeber- und fünf Arbeitnehmervertretern. Für Verbände, zu denen
auch Gewerkschaften gehören, sind zwei Plätze vorgesehen. Dort werden
etwa Entgelterhöhungen verhandelt, die dann in den Einrichtungen
umgesetzt werden. Verdi wollte das in Weimar nicht akzeptieren und
forderte gesonderte Tarifverhandlungen für das dortige Klinikum.
Vergangenes Jahr wurden bereits zwei Warnstreikaufrufe per
Eilentscheidung gerichtlich untersagt.
Was waren die zentralen Argumente?
Die Kirchenvertreter beriefen sich auf Rechtssprechung des
Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahr 2012. Damals hatten
Deutschlands höchste Arbeitsrichter entschieden, dass Gewerkschaften
bei kirchlichen Arbeitgebern nicht zum Streik aufrufen dürfen, wenn
es die bereits erwähnten Kommissionen und eine Schlichtungsstelle
gibt. Gewerkschaften müssten aber in das Verfahren eingebunden sein.
In der Erfurter Verhandlung war nun die Umsetzung dieser Regeln und
vor allem die Einbindung der Gewerkschaft der Knackpunkt. Verdi
argumentierte, in der Kommission nur eine «Statistenrolle» zu haben.
Daher beteilige sich die Gewerkschaft nicht daran. Vonseiten der
kirchlichen Arbeitgeber hieß es hingegen, es könnten theoretisch auch
alle fünf Plätze der Arbeitnehmerseite durch Gewerkschaftsmitglieder
besetzt werden.
Und wie sah es das Gericht?
Das Gericht betonte in seinem Urteil, dass die Diakonie den Vorgaben
des Bundesarbeitsgerichts nachkomme. Die Mitwirkungsmöglichkeiten der
Gewerkschaften seien zwar nicht sehr ausgeprägt. Aus Sicht des
Gerichts müssen Gewerkschaften aber keine Veto-Macht oder andere
Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer Interessen haben. Sie
interpretieren die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts so, dass eine
«argumentative Mitarbeit» ausreicht - sprich: Die Gewerkschaften
müssen mit am Tisch sitzen können.
Wie reagierte Verdi?
Die Gewerkschaft hat angekündigt, gegen das Urteil in Berufung zu
gehen. Weiterhin setzten «große Teile der Kirchen alles daran,
Grundrechte ihrer Beschäftigten einzuschränken und ihre Beteiligung
an der Gestaltung der eigenen Arbeitsbedingungen zu unterbinden»,
erklärte der thüringische Landesfachbereichsleiter für Gesundheit,
Bernd Becker. Zuvor hatte er das Urteil als «Schlag ins Gesicht» für
die Beschäftigten in Weimar bezeichnet. Es sei ein «Unding», dass die
Kirche ihnen Beteiligung verwehrt und grundlegende Rechte wie das
Streikrecht bestreitet.
Welche konkreten Folgen hat das Urteil nun?
Generell geht es erstmal nur um den Fall in Weimar: Hier untersagte
das Gericht Streikmaßnahmen. Diakonie-Chef Stolte sagte aber, er gehe
davon aus, dass damit auch Streiks bei anderen Einrichtungen
zumindest bei der Diakonie Mitteldeutschland zunächst vom Tisch
seien, da das Urteil wegweisend sei. Insgesamt sind bei der Diakonie
Mitteldeutschland und ihren rund 200 Einrichtungen in Thüringen,
Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg 35.000 Menschen beschäftigt.
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