Warnstreik bei kirchlichem Arbeitgeber? Gericht verhandelt
Im vergangenen Jahr wurden Warnstreiks an einem Weimarer Klinikum
gerichtlich untersagt. Das hat nun ein Nachspiel. Im Fokus stehen
dabei besondere Rechte kirchlicher Arbeitgeber.
Erfurt (dpa/th) - Darf bei kirchlichen Arbeitgebern gestreikt werden?
Diese Frage ist immer wieder Mittelpunkt gerichtlicher
Auseinandersetzungen. Ein konkreter Fall aus Weimar wird heute (ab
12.00 Uhr) am Arbeitsgericht Erfurt verhandelt. Auch ein Urteil ist
laut Gericht geplant. Das könnte Signalwirkung für Zehntausende
Beschäftige in kirchlichen Einrichtungen haben. Allerdings ist es
möglich, dass das Verfahren in eine höhere Instanz geht. Was man dazu
wissen muss.
Um welchen Fall geht es?
Im August und im Oktober 2024 wollte die Gewerkschaft Verdi am
Sophien- und Hufeland Klinikum in Weimar Warnstreiks durchführen, um
Tarifverhandlungen zu erstreiten. Die Evangelische Kirche
Mitteldeutschlands (EKM) und ihr Diakonisches Werk, die das Klinikum
betreiben, zogen dagegen vor das Arbeitsgericht. Sie bekamen recht,
die Arbeitsniederlegungen wurden gerichtlich untersagt. Damals
handelte es sich aber nur um eine Eilentscheidung ohne ausführliche
Prüfung - die wird nun nachgeholt.
Was ist eigentlich das Problem?
Eigentlich gibt es in Deutschland ein Streikrecht. Das steht so im
Grundgesetz. Aber: In der Verfassung ist auch das kirchliche
Selbstbestimmungsrecht verankert. Und auf dieser Grundlage können
Kirchen und kirchliche Einrichtungen die Arbeitsbedingungen ihrer
Beschäftigen etwa in besonderen Kommissionen verhandeln, in denen
auch Gewerkschaften beteiligt sind. Verdi wollte das in Weimar nicht
akzeptieren und forderte gesonderte Tarifverhandlungen.
Warum wurden die Warnstreiks damals untersagt?
In der Begründung des Erfurter Arbeitsgerichts hieß es damals, der
Verweis auf das kirchliche Arbeitsrecht sei nicht offensichtlich
rechtswidrig. Hätte die kirchliche Seite aber einem Tarifabschluss
zugestimmt, um etwa wirtschaftlichen Schaden durch Streiks
abzuwenden, wäre das später schwer rückgängig zu machen. Dabei war
damals noch gar nicht klar, was in einer genauen gerichtlichen
Überprüfung herauskommt. Somit habe in dem Fall das Interesse des
Arbeitgebers, den Arbeitsausstand zu unterbinden, überwogen. Sollte
Verdi schlussendlich recht bekommen, könnten laut Arbeitsgericht
nachträgliche Tarifverhandlungen folgen.
Welche Folgen könnte ein Urteil haben?
Was die Erfurter Richter nun nach eingehender Prüfung entscheiden,
ist noch unklar. Es stehen sich zwei Grundrechte gegenüber. Klar ist
aber: «Die Fragen gehen sicherlich über den konkreten Fall hinaus»,
wie ein Sprecher des Gerichts erklärte.
Ein Sprecher der Diakonie Mitteldeutschland sagte: «Das berührt
unsere Grundfesten.» Allein bei der Diakonie Mitteldeutschland sind
etwa 35.000 Menschen direkt beschäftigt, dazu kommen Mitarbeiter in
den eigenständigen Einrichtungen. Voraussetzung ist, dass ein Urteil
rechtskräftig wird - oft landen solche Verfahren aber in der nächsten
Instanz.
Wie ist die Tendenz?
Die Kirchenvertreter berufen sich auf Rechtssprechung des
Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahr 2012. Damals hatten
Deutschlands höchste Arbeitsrichter entschieden, dass Gewerkschaften
bei kirchlichen Arbeitgebern nicht zum Streik aufrufen dürfen, wenn
es die bereits erwähnten Kommissionen und eine Schlichtungsstelle
gibt. Gewerkschaften müssten aber in das Verfahren eingebunden sein,
hieß es damals. Die Frage sei nun, inwiefern dieses damals zugrunde
gelegte Selbstbestimmungsrecht heute noch Relevanz habe, sagte der
Diakonie-Sprecher.
Ein Ansatzpunkt könnte eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom Oktober dieses Jahres sein. Da ging es
um die Einstellungspraxis der Kirchen. Das Gericht stärkte dem
Selbstbestimmungsrecht der Kirchen den Rücken und entschied, dass die
Diakonie einer konfessionslosen Bewerberin keine Entschädigung zahlen
muss, weil sie die Frau nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen
hatte.
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