Todesfahrer von Magdeburg spricht - aber kaum zur Tat Von Dörthe Hein und Marion van der Kraats, dpa
Die Betroffenen des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt
erhoffen sich im Prozess Antworten. Der Angeklagte spricht
stundenlang - doch wenig von der Todesfahrt.
Magdeburg (dpa) - Der Todesfahrer von Magdeburg hat versucht, den
zweiten Prozesstag zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt zur
Selbstdarstellung zu nutzen. Dabei setzte der Angeklagte Taleb
al-Abdulmohsen seine Aussage fort, ohne wirklich auf den Anschlag am
20. Dezember 2024 mit sechs Toten und über 300 Verletzten einzugehen.
Die Anklage wirft dem Mann aus Saudi-Arabien unter anderem
vollendeten Mord in sechs Fällen und versuchten Mord an weiteren 338
Menschen vor.
Der Vorsitzende Richter Dirk Sternberg ermahnte den 51-Jährigen zu
Beginn, zum Geschehen und der Vorgeschichte auszusagen - statt in
politische Äußerungen abzuschweifen. Zudem warnte er den Angeklagten,
einen zur Verfügung gestellten Laptop während der Verhandlung zu
nutzen, um politische Aufrufe zu formulieren.
Am ersten Prozesstag hatte al-Abdulmohsen diesen hochgehalten und
«Sept. 2026» war zu lesen. «Da ist die nächste politische Wahl in
Sachsen-Anhalt», erklärte der Angeklagte, der als Islamkritiker
bekannt ist. Am 6. September 2026 wird in Sachsen-Anhalt ein neuer
Landtag gewählt.
Angeklagter kündigt Hungerstreik an
Unbeeindruckt zeigte sich das Gericht zunächst von der Ankündigung
des Angeklagten, erneut Nahrung zu verweigern. «Sie haben es nicht in
der Hand, durch Hunger- oder Durststreik die Verhandlung zu verzögern
oder zu torpedieren», betonte Richter Sternberg. Da die Anklage
verlesen sei und al-Abdulmohsen Gelegenheit hatte auszusagen, könne
die Verhandlung auch ohne ihn fortgesetzt werden, erklärte
Sternberg.
Der Todesfahrer sagte vor Gericht: «Jetzt mache ich den Hungerstreik
seit gestern. Ich will das drei Wochen machen. Man erwartet keine
körperlichen Schäden.»
Am Montag hatte der 51-Jährige zugegeben, am Steuer gesessen zu
haben. «Ich bin derjenige, der das Auto gefahren hat», sagte
al-Abdulmohsen. Weitere konkrete Angaben machte er nicht, auch von
Reue war keine Rede. Stattdessen kündigte er zuvor an, sich
«stundenlang, vielleicht tagelang» äußern zu wollen.
Gutachter verfolgt Aussage
Dabei wird der Angeklagte, der selbst als Psychiater im
Maßregelvollzug Bernburg psychisch erkrankte Straftäter behandelte,
von einem psychiatrischen Gutachter beobachtet. Er wird an vielen
Verhandlungstagen dabei sein und soll sich ein Bild von
al-Abdulmohsen machen, der Gespräche mit dem Sachverständigen bislang
verweigerte.
Dabei geht es vor allem um die Schuldfähigkeit des Angeklagten zum
Tatzeitpunkt. Dem Angeklagten droht bei einer Verurteilung auch eine
lebenslange Sicherungsverwahrung.
Von Galileo Galilei, Hawking und Einstein
Teils wirren Äußerungen am ersten Prozesstag folgten bei der
Fortsetzung vergleichbare Aussagen zu vermeintlichen
Vertuschungsaktionen von Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften in
Deutschland sowie Korruption.
Der Angeklagte erwähnte Forscher wie Galileo Galilei, Stephen
Hawking, Albert Einstein, schimpfte über deutsche Behörden und
mangelnde Hilfe für saudische Frauen. Er habe aufklären und warnen
wollen. Er habe Strafanzeigen gestellt und sei aber nicht gehört
worden. Stattdessen wurde er selbst angezeigt, etwa weil er den
Notruf 112 missbrauchte.
Al-Abdulmohsen hatte sehr viel Kontakt zu verschiedenen Behörden und
wurde als sogenannter Vielschreiber eingestuft, wie der
parlamentarische Untersuchungsausschuss im Landtag herausgearbeitet
hat.
Inmitten der oft zusammenhanglos wirkenden Aussagen sagte der
51-Jährige Sätze wie: «Hätte man uns verstanden, hätte ich nieman
den
getötet und niemanden verletzt». Als der Todesfahrer das Wort direkt
an die Eltern eines getöteten neunjährigen Jungen richten wollte,
schritt Richter Sternberg ein.
Weniger Nebenkläger vor Ort
Betroffene, die die Verhandlung persönlich verfolgten, wirkten
angespannt. Rund 180 Nebenklägerinnen und Nebenkläger sind im
Verfahren vertreten. Am zweiten Tag kamen etwa 30 Menschen - weniger
als zum Prozessauftakt. Die Zuschauerreihen mit 100 Plätzen waren
jedoch besser gefüllt.
Der Angeklagte wurde auch am zweiten Prozesstag mit einem
Hubschrauber von der Haftanstalt Burg nach Magdeburg und dann in den
temporären Gerichtssaal gebracht. Der Prozess läuft unter starken
Sicherheitsvorkehrungen. Das Landgericht Magdeburg hat bislang knapp
50 Verhandlungstage bis zum 12. März 2026 geplant.
Streit um diesjährigen Weihnachtsmarkt
Unterdessen gibt es Streit um den diesjährigen Magdeburger
Weihnachtsmarkt. Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) teilte
am Montagabend überraschend mit, dass es vorerst keine Genehmigung
für den Weihnachtsmarkt geben werde.
Hintergrund sei ein Schreiben des Landesverwaltungsamtes, in dem es
Kritik am aktuellen Sicherheitskonzept gebe. In dem Schreiben, das
der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, werden unter anderem
gravierende Mängel am Zufahrtsschutz und an der Organisation des
Sicherheitspersonals genannt.
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