Arzt nach Tod einer 12-Jährigen zu Haftstrafe verurteilt Von Carsten Linnhoff, dpa

Die Mutter schlägt mehrfach Alarm, doch das Kind stirbt. Ein
Gutachter für Kinderheilkunde macht dem Personal schwere Vorwürfe -
jetzt gibt es ein Urteil.

Detmold (dpa/lnw) - Als der Rechtsmediziner sein Gutachten zum Tod
einer 12-Jährigen vorstellt, verlässt eine Frau den Gerichtssaal im
Amtsgericht Detmold. Die Mutter des Kindes erträgt die Details nicht.
Auch der Experte für Todesfälle kann am Ende nicht klären, woran das

Kind gestorben ist. Dennoch spricht das Gericht ein Urteil. 

Sechs Jahre nach dem Tod des Mädchens in einem Krankenhaus im Kreis
Lippe hat das Amtsgericht einen Arzt wegen fahrlässiger Tötung zu
einer Haftstrafe verurteilt. Der Mediziner soll für zwei Jahre und
sechs Monate ins Gefängnis. Wegen der langen Verfahrensdauer werden
dem Arzt vier Monate der Haft erlassen. Das Urteil ist noch nicht
rechtskräftig. Eine ebenfalls angeklagte Krankenschwester wurde
freigesprochen. 

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Arzt gegen
Sorgfaltspflichten verstoßen hatte. Zwar konnte die Todesursache auch
durch mehrere Gutachter, darunter der Rechtsmediziner, nicht
abschließend geklärt werden. Nach Überzeugung eines Experten für
Kinderheilkunde hatte der 52-Jährige aber nach einem mehrtägigen
Magen-Darminfekt eine falsche Infusionslösung verabreicht. Außerdem
hätte er das geschwächte Kind in der Nacht besser überwachen lassen
müssen. Die Mutter hatte in der Nacht erfolglos mehrmals Alarm
geschlagen. 

Das Gericht folgte mit den Urteilen der Forderung der
Staatsanwaltschaft. Beide Verteidiger hatten sich für Freisprüche
ausgesprochen. Die Anwältin der Eltern als Nebenkläger hatte sich für

eine Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten für den Arzt und für
eine Einstellung gegen eine Geldauflage für die Krankenschwester
ausgesprochen. 

Experte für Kinderheilkunde: Fehler gemacht

Der Gutachter für Kinderheilkunde, ein Experte des Kinderherzzentrums
München, bescheinigte dem Arzt, der 12-Jährigen eine falsche Infusion
gegeben zu haben. Das Mittel sei schlicht nicht geeignet gewesen und
im Fall einer Austrocknung des Körpers sogar kontraproduktiv gewesen.
Das hätte der Arzt auch im Beipackzettel nachlesen können. Ihm sei
klar, dass das in der Praxis nicht geschehe. Es gehöre aber auch zum
Standardwissen in der Kinderheilkunde. Warum der Kreislauf des Kindes
am Ende versagte und die 12-Jährige nach über einer Stunde
erfolgloser Reanimation gestorben ist, konnte der Gutachter am Ende
auch nicht sagen. 

Der Gutachter sprach in seinem Fazit von einem multifaktoriellen
Geschehen. Es gebe nicht den einen Grund, warum das Mädchen gestorben
sei. Aber die Vielzahl von Fehleinschätzungen und auch die
mangelhafte Zusammenarbeit zwischen dem Pflegepersonal und dem Arzt
sei entscheidend gewesen.

Gutachter: Kein Fehlverhalten bei Krankenschwester

Ein Gutachter für das Thema Pflege sah bei der angeklagten
Krankenschwester kein Fehlverhalten. Zwar sei nicht nachvollziehbar,
warum das Mädchen nicht auf eine Überwachungsstation verlegt wurde.
Aber der Angeklagten habe wegen mangelhafter Dokumentation bei ihrem
Start um 6.00 Uhr in der Frühschicht schlicht die nötigsten
Informationen gefehlt. «Sie ist am langen Arm verhungert», sagte der
Pflegeexperte.

Die Eltern hatten das Kind an einem Abend im Dezember 2019 nach einem
mehrtägigen Magen-Darm-Infekt mit Fieber mit dem Rettungswagen ins
Krankenhaus bringen lassen. Die Mutter hatte mehrmals in der Nacht
Alarm geschlagen, nachdem sich der Zustand ihrer Tochter immer weiter
verschlechtert hatte. Zuletzt hatte sie am Morgen eine
Krankenschwester gerufen. 

Widersprüchliche Aussagen

Nach Aussagen mehrerer Schwestern hatte der Arzt auf Anrufe nicht
reagiert. Er war in der Nacht neben der Notaufnahme noch für zwei
weitere Stationen zuständig. Er hatte am ersten Prozesstag ausgesagt,
ihn hätten keine Anrufe erreicht. Das Gericht konnte im Verfahren
nicht klären, welche Aussage stimmt. 

Am Morgen kam das Mädchen auf die Intensivstation und wurde dort noch
rund eine Stunde lang reanimiert - am Ende erfolglos. Die 12-Jährige
starb gegen 9.00 Uhr.

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite