Wirbel im Kampf gegen Tabak: Verbot von Filtern und Aroma? Von Christiane Oelrich und Marek Majewsky, dpa

Ein Expertenteam schlägt vor, Filterzigaretten weltweit zu verbieten
- das soll Rauchen unattraktiver machen. Was es damit auf sich hat
und wer darüber entscheiden würde.

Genf/Brüssel (dpa) - Rauchen ist lebensgefährlich und erhöht unter
anderem das Risiko für Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen sowie
mehr als 20 Krebsarten deutlich. Nach Angaben der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben durch Tabakkonsum jedes
Jahr weltweit mehr als sieben Millionen Menschen. 

Bei einer WHO-Konferenz in Genf werden nun radikale Vorschläge
gemacht, um den Kampf gegen den Tabak voranzutreiben. Die haben es in
sich. Über einen Vorschlag gab es bereits Aufregung in den Medien. 

Will die WHO Filterzigaretten verbieten?

Nein, das kann sie gar nicht. 

Bei der Konferenz der 183 Vertragsparteien der Anti-Tabak-Konvention
(FCTC) ab 17. November liegt aber ein Papier auf dem Tisch, das ein
Verbot der Einfuhr und Herstellung von Filtern und Filterzigaretten
vorschlägt - ebenso wie 15 weitere Maßnahmen. Das Papier stammt von
unabhängigen Expertinnen und Experten, die von den Vertragsstaaten
beauftragt waren, neue Ideen zur Einschränkung von Tabak- und
Nikotin-Konsum vorzulegen. Filterzigaretten machen 90 Prozent des
Marktes aus. 

«Das Entfernen jeglicher Filter von Zigaretten hätte erhebliche
Auswirkungen auf die Verringerung der Attraktivität und
Anziehungskraft von Zigaretten», heißt es in dem Papier. Filter
reduzierten die Gefährlichkeit des Rauchens praktisch nicht, vielmehr
verleiteten sie Raucher, stärker zu inhalieren, was Giftstoffe tiefer
in die Lunge bringe. Zudem vergifteten Milliarden weggeworfener
Kippen die Umwelt. 

Was schlagen die Experten noch vor? 

Unter den 16 empfohlenen Maßnahmen ist auch, Werbung ganz zu
verbieten und Tabakprodukte nicht mehr kommerziell verkaufen zu
lassen, sondern nur noch von öffentlichen Einrichtungen unter
strikten Regeln. Das verhindere, dass Firmen mit Werbung neue Kunden
ködern und ihren Gewinn maximieren können. Ein anderer Vorschlag ist,
den Verkauf an Personen ab einem bestimmten Geburtsdatum zu
verbieten, wie es in Teilen des US-Bundesstaates Massachusetts und
seit 1. November auf den Malediven gilt. Die Vorschläge empfehlen
zudem ein Verbot sämtlicher Tabakzusätze und Aromastoffe. 

Sind die Vorschläge verbindlich? 

Nein, sagt Benn McGrady, Jurist in der WHO-Abteilung, die sich mit
Tabak beschäftigt. «Normalerweise wird ein solcher Bericht von der
Konferenz zur Kenntnis genommen, und dann könnten einzelne
Vertragsparteien die Maßnahmen ergreifen, die sie für angemessen
halten.»

Die vor 20 Jahren in Kraft getretene Anti-Tabak-Konvention, die auch
Deutschland ratifiziert hat, ist allerdings rechtsverbindlich. Darin
sind Ziele genannt, etwa die Einschränkung des Verkaufs, hohe Steuern
oder Werbeverbote. Wie das erreicht wird, entscheiden Regierungen
selbst. 

Was hält die WHO von den Vorschlägen?

Es sei höchste Zeit, Kunststoffe wie Zigarettenfilter zu verbieten,
sagt der amtierende Direktor für Umweltfragen bei der WHO, Rüdiger
Krech. Zum einen verschmutzten und vergifteten sie die Umwelt. Es sei
eine Taktik der Tabakindustrie, den Eindruck zu erwecken, Zigaretten
mit Filter seien weniger schädlich als solche ohne Filter. «Wir
können keine gesundheitlichen Vorteile von Kunststofffiltern
erkennen», sagt Krech. «Ja, wir rufen zu einem Verbot der Filter
auf». 

Gleichzeitig macht die WHO Druck, dass alle anderen Maßnahmen der
Tabakkontrolle umgesetzt werden, darunter eine hohe Besteuerung und
umfassende Werbeverbote. Von Deutschland wünscht sich die WHO
regelmäßig höhere Tabaksteuern. 

Auch neue Produkte der Tabakindustrie wie E-Zigaretten oder solche,
die den Tabak erhitzen statt verbrennen sind der WHO ein Dorn im
Auge. «Die WHO empfiehlt allen Ländern, Nikotinpflaster,
E-Zigaretten, Tabakerhitzer und rauchfreien Tabak mindestens genauso
streng zu regulieren wie herkömmliche Tabakprodukte», verlangt
WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. 

Die WHO hat sich auch bereits für ein Verbot von Aromastoffen
ausgesprochen, weil die Produkte vor allem auf Kinder zielten, um sie
früh nikotinabhängig zu machen. Nach Angaben von McGrady nutzen
weltweit 15 Millionen Minderjährige E-Zigaretten. «In Ländern, für

die Daten vorliegen, ist die Konsumrate bei Kindern neunmal höher als
bei Erwachsenen», sagt er. «Es ist klar, dass es für Deutschland, die

anderen EU-Mitgliedstaaten und die Länder weltweit an der Zeit ist,
entschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um gegen diese Produkte
vorzugehen.»

Was sagt die EU zu den Vorschlägen?

Die lotet hinter verschlossenen Türen ihre Position aus. In einem
Entwurf für eine gemeinsame Position hieß es im Oktober, sie begrüß
e,
dass 16 Vorschläge ausgearbeitet worden seien. Man sei sehr besorgt
über die Verschmutzung von Boden und Wasser durch Tabak und
Nikotinprodukte. Man nehme zur Kenntnis, dass ein Verbot von
Filterzigaretten Menschen und Umwelt vor Schäden bewahren könne. Die
Tabak-Lobby sieht in dem Entwurf den ersten Schritt für ein mögliches
Verbot von Filterzigaretten. 

Plant die EU ein Verbot?

Die für Gesetzesinitiativen zuständige EU-Kommission stellt klar:
«Die Europäische Kommission plant nicht, Filterzigaretten zu
verbieten.» Das hat Gewicht, denn allein die EU-Kommission kann
EU-Gesetze vorschlagen und damit in den Gesetzgebungsprozess
einbringen. Auch aus den Kreisen der EU-Mitgliedsstaaten heißt es,
dass kein Verbot in Vorbereitung sei.

Wer würde über ein Filterverbot in Deutschland entscheiden? 

In allen Fällen hätte die Bundesregierung ein entscheidendes
Mitspracherecht. Auf Nachfrage verweist das
Bundesgesundheitsministerium auf die normalen Gesetzgebungsverfahren.
Danach bringt die Bundesregierung in der Regel einen Vorschlag ein,
der von Bundestag und eventuell Bundesrat beschlossen wird. 

Sollte die EU-Kommission ein Filterverbot auf den Weg bringen wollen,
könnten die EU-Staaten - also auch die Bundesregierung - das
verhindern. Denn im Bereich der Gesundheitspolitik hat die EU nur
eingeschränkte Kompetenzen.

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