Prozess gegen Todesfahrer von Magdeburg beginnt

Der Anschlag dauert gut eine Minute. Sechs Menschen sterben, über 300
werden verletzt. Fast ein Jahr später steht der Täter vor Gericht -
in einem der größten Prozesse der Nachkriegsgeschichte.

Magdeburg (dpa) - Fast elf Monate nach dem Anschlag auf den
Magdeburger Weihnachtsmarkt kommt der 51 Jahre alte Todesfahrer vor
Gericht. Die Anklage wirft Taleb al-Abdulmohsen unter anderem Mord an
sechs Menschen und versuchten Mord in 338 Fällen vor. Rund 180
Betroffene und Hinterbliebene treten als Nebenkläger auf, vertreten
durch etwa 40 Anwälte. Es ist eines der größten Verfahren der
deutschen Nachkriegsgeschichte. Damit alle Betroffenen teilnehmen
können, wurde eigens ein Interims-Gerichtsgebäude errichtet.

Die Tat - Eine Minute und vier Sekunden

Am 20. Dezember 2024 fährt der damals 50 Jahre alte Taleb
al-Abdulmohsen mit einem 340 PS starken Mietwagen über den
Magdeburger Weihnachtsmarkt. Seine Fahrt dauert laut
Generalstaatsanwaltschaft Naumburg eine Minute und vier Sekunden. Mit
bis zu 48 Kilometern pro Stunde ist er zwischen Marktbuden unterwegs,
Tempo 27 wurde als Durchschnittsgeschwindigkeit ermittelt. 

Der Täter konnte zwischen einer Fußgängerampel und einer
Betonblocksperre auf den Weihnachtsmarkt gelangen. Die fehlerhaft
positionierten Betonblöcke und die ungesicherten Lücken spielen
später in der Aufarbeitung in einem parlamentarischen
Untersuchungsausschuss eine wichtige Rolle. Gleich nach der Tat wird
al-Abdulmohsen festgenommen und kommt in U-Haft. Gutachten zeigen
später, dass er nicht unter Einfluss von Alkohol oder Drogen stand.

Die Opfer

Bei dem Anschlag werden sechs Menschen getötet: fünf Frauen im Alter
von 45 bis 75 Jahren sowie ein neunjähriger Junge. Zudem werden mehr
als 300 Menschen verletzt oder traumatisiert. Sie kommen nicht nur
aus Sachsen-Anhalt. Unter den Betroffenen des Anschlags sind nach
Angaben des Bundesopferbeauftragten Menschen aus fast allen
Bundesländern. Einige kommen auch aus dem Ausland wie etwa Spanien,
USA und Großbritannien. 

Die Opfer und Hinterbliebenen haben das Recht, als Nebenkläger am
Prozess teilzuhaben. So können sie etwa Fragen stellen und am Ende
auch einen Strafantrag stellen. Die Nebenkläger können zu den
Verhandlungstagen kommen, sie müssen es aber nicht.

Der Angeklagte

Taleb al-Abdulmohsen stammt aus Saudi-Arabien. Vor der Todesfahrt war
er im Maßregelvollzug in Bernburg (Salzlandkreis) als Arzt tätig.
Sein Aufgabengebiet umfasste die psychiatrische Betreuung von
Straftätern auf drei Stationen. Anfang Februar war bekanntgeworden,
dass sich ein Kollege ein paar Monate vor dem Anschlag Sorgen um die
Verfassung von al-Abdulmohsen machte und diese Hinweise auch an
Vorgesetzte weitergab.

Auch mehrere Sicherheitsbehörden befassten sich immer wieder mit dem
Angeklagten - er war aber als Gegner von Islamisten letztlich durch
alle Raster gefallen.

Nach Deutschland war al-Abdulmohsen im Jahr 2006 gekommen, um hier
die Facharztausbildung zu absolvieren. Nach seiner Ausbildung
beantragte er im Februar 2016 Asyl und erhielt im Juli desselben
Jahres Asyl als politisch Verfolgter.

Der Prozess 

Das Landgericht Magdeburg hat bis zum 12. März 2026 zunächst knapp 50
Verhandlungstage angesetzt. Die Kammer um den Vorsitzenden Richter
Dirk Sternberg verhandelt zwei bis drei Tage pro Woche, mit einer
Pause um den Jahreswechsel. Weitere Termine sind möglich.

Zwischenzeitlich stand noch infrage, ob tatsächlich das Landgericht
zuständig sein würde. Es legte das Verfahren zunächst dem
Generalbundesanwalt in Karlsruhe zur Strafverfolgung vor, da es der
Überzeugung war, dass es sich um ein Staatsschutzverfahren handelt.
Anfang Oktober lehnte der Generalbundesanwalt die Übernahme jedoch
ab. Die Behörde geht davon aus, dass der Beschuldigte «aus
persönlicher Frustration» gehandelt hat. 

Das Gerichtsgebäude

Für den Prozess ist ein spezielles Interims-Gerichtsgebäude in
Leichtbauweise errichtet worden - allen Betroffenen soll so
Gelegenheit gegeben werden, das Verfahren persönlich zu verfolgen.
Die Dimension ist riesig: Der Verhandlungssaal ist 65 Meter lang und
30 Meter breit. Er bietet Platz für etwa 450 Nebenkläger und
Nebenklagevertreter und hat 200 Plätze für Zuschauer und
Medienvertreter. Das Land Sachsen-Anhalt mietet das Gebäude für die
Prozessdauer und rechnet mit Kosten im mittleren einstelligen
Millionenbereich.

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