«Störende» Patienten ermordet - Höchststrafe für Pfleger Von Petra Albers, dpa

Dem Angeklagten waren schwer kranke Patienten anvertraut - doch laut
Urteil spritzte er ihnen überdosierte Beruhigungsmittel. Nun muss der
Pfleger für sehr lange Zeit ins Gefängnis.

Aachen (dpa) - Um seine Ruhe zu haben, tötete er Patienten mit
Medikamenten-Überdosen: Das Aachener Landgericht hat einen
Krankenpfleger wegen zehnfachen Mordes und 27-fachen Mordversuchs zu
einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Nach Überzeugung des
Gerichts hatte er Patienten auf einer Palliativstation tödliche
Injektionen verabreicht - weil sie ihn störten.

Während seiner Nachtschichten in einer Klinik in Würselen
verabreichte der 44-jährige Deutsche den schwer kranken Menschen laut
Urteil eigenmächtig überhöhte Mengen an Beruhigungsmitteln, teils in

Kombination mit Schmerzmitteln, und teilweise auch mehrfach. 

Dass die Patienten dadurch sterben könnten, habe er in Kauf genommen.
Und mehr noch: Der Angeklagte sei der Meinung gewesen, er habe «einen
guten Job gemacht», wenn er Patienten «ein friedliches Einschlafen
ermöglicht» habe, sagte Richter Markus Vogt in der
zweieinhalbstündigen Urteilsbegründung. Das Gericht stellte die
besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine Freilassung nach 15
Jahren in der Regel ausgeschlossen. 

Angeklagter hatte gesteigertes Bedürfnis nach Ordnung

Ausführlich beschrieb Vogt die kaum nachvollziehbaren Gedankengänge
des Angeklagten, der sich an seinem Arbeitsplatz «verkannt und
unterschätzt gefühlt» habe. «Der Angeklagte hatte ein gesteigertes

Bedürfnis nach Ordnung.» Er habe die Station stets ordentlich
hinterlassen wollen - auch bezogen auf die Patienten. Deshalb habe er
zum Beispiel mitten in der Nacht Ganzkörperwaschungen von Patienten
vorgenommen. 

Neben Verunreinigungen hätten den Angeklagten auch Krankheitssymptome
gestört. Hätten Patienten Atemnot, Unruhe oder Schmerzen gezeigt,
habe er dies kaum ertragen können - allerdings nicht aus Mitgefühl
für die Patienten, sondern weil dies sein eigenes Ordnungsempfinden
gestört habe. Die nicht indizierten Medikamente habe der Angeklagte
verabreicht, «um vier bis sechs Stunden Ruhe zu haben», in denen er
seine Vorstellung von Ordnung umsetzen konnte, schilderte Vogt.

Medikamentengaben ließ er sich nachträglich genehmigen

Die Patienten fielen daraufhin in einen komatösen Zustand, aus dem
sie - wenn überhaupt - erst am nächsten Nachmittag erwachten.
Manchmal spritzte der Angeklagte ihnen in den folgenden Nächten dann
erneut Überdosen. In der internen Klinik-Dokumentation trug er
geringere Medikamentenmengen ein, als er tatsächlich verabreichte -
und ließ sie sich nachträglich von Ärzten bestätigen.

Ursprünglich war der Pfleger wegen neun Morden und 34 Versuchen im
Zeitraum zwischen Dezember 2023 und Mai 2024 angeklagt. Die
Schwierigkeit lag darin, in jedem Fall zweifelsfrei nachzuweisen,
dass die Medikamentengaben des Angeklagten zum Tod des Patienten
geführt haben - dies war in einigen Fällen nicht möglich, in einem
anderen Fall dagegen ergaben sich zusätzliche Hinweise auf einen
Mord. Am Ende sah die Kammer zehn vollendete Morde und 27
Mordversuche als bewiesen an.

Arbeitsumfeld begünstigte die Taten

Das Gericht betonte, dass die Rahmenbedingungen in der Klinik die
Taten des Angeklagten begünstigt hätten. So habe niemand die
mangelhafte Dokumentation und die deutlich erhöhten Bestellmengen von
Medikamenten hinterfragt. Die Organisation der Station und die
Haltung der dortigen Mitarbeiter hätten ein Klima geschaffen, das den
Angeklagten in seinem Handeln bestärkte. «Wir haben die Hoffnung,
dass dieses Verfahren auch eine gewisse Sensibilisierung der
Öffentlichkeit und von Verantwortlichen bewirkt», sagte Vogt.

Der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch,
kritisierte Dokumentationsmängel in Kliniken. «Immer noch gibt es
Krankenhäuser, die über keine lückenlose, standardisierte und
elektronische Kontrolle der Medikamentenabgabe verfügen. Aber nur so
können Fehlmedikationen und Überdosierungen schon im digitalen System
identifiziert und verhindert werden», teilte Brysch mit. So hätten
Serientäter ein «viel zu leichtes Spiel».

Patientenschützer kritisiert Dokumentationsmängel in Kliniken

Immer wieder sorgen ähnliche Fälle für Schlagzeilen. In Berlin läuf
t
derzeit ein Prozess gegen einen Palliativmediziner, der mindestens 15
Patienten getötet haben soll. Als bislang größte Mordserie der
deutschen Nachkriegsgeschichte gilt der Fall von Ex-Pfleger Niels
Högel: Das Landgericht Oldenburg verurteilte ihn 2019 wegen 85 Morden
zu lebenslanger Haft. 

Unterdessen wird gegen den 44-Jährigen auch nach seiner Verurteilung
weiter ermittelt. Die Staatsanwaltschaften in Aachen und Köln prüfen
zahlreiche Verdachtsfälle aus seinen früheren Berufsjahren. Eine
Sprecherin aus Aachen kündigte bereits an, dass eine neue Anklage
wahrscheinlich sei.

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