Ein Jahr Ampel-Crash - Was machen eigentlich Scholz und Co.? Von Ulrich Steinkohl, dpa

Vom Kanzler zum Abgeordneten, von der Ministerin zur UN-Präsidentin:
Was aus den wichtigsten Köpfen der Ampel-Regierung geworden ist - und
warum einer von ihnen seinen Job behalten hat.

Berlin (dpa) - Vor einem Jahr beherrschten sie die Schlagzeilen -
inzwischen geraten manche von ihnen schon in Vergessenheit: Als am 6.
November 2024 die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP platzte,
waren alle Augen auf Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Grüne) und
Christian Lindner (FDP) gerichtet. Und heute? 

Viele Ministerinnen und Minister aus dem Kabinett Scholz haben der
Politik adieu gesagt. Fast zwangsläufig vollzogen die einstigen
FDP-Spitzenleute diesen Schritt. Erst wurden sie nach dem Ampel-Crash
aus der Regierung entlassen. Dann fegten die Wählerinnen und Wähler
die FDP bei der Bundestagswahl aus dem Parlament. 

Scholz selbst blieb zwar Abgeordneter, findet nun aber auch Zeit für
Dinge, die früher nicht drin waren. So sieht man ihn jetzt auch schon
mal beim Kraulen von Wasserbüffeln.

Olaf Scholz: Vom Kanzler zum einfachen Abgeordneten

Keine vier Jahre - nur die Kanzler Ludwig Erhard (1963 bis 1966) und
Kurt Georg Kiesinger (1966 bis 1969) waren kürzer im Amt als Olaf
Scholz. Unter seinem CDU-Nachfolger Friedrich Merz im Kabinett zu
dienen, kam für den Sozialdemokraten nicht infrage. Der Verzicht auf
sein Bundestagsmandat aber auch nicht.

Obwohl er mit 67 Jahren das Rentenalter erreicht hat, wechselte
Scholz vom Kanzleramt auf die Hinterbank des Bundestags. Dort will
der in seinem Wahlkreis Potsdam direkt gewählte Abgeordnete auch die
ganze Legislaturperiode bleiben. Für ihn gilt: «Das höchste Amt, in
das man in Deutschland direkt gewählt werden kann, ist das des
Abgeordneten im Deutschen Bundestag.» 

Allerdings nimmt Scholz sein Mandat auf Sparflamme wahr. Um das
Rednerpult im Plenarsaal macht er einen Bogen, einem Ausschuss gehört
er nach dem Abgeordnetenverzeichnis des Bundestags nicht an.

Robert Habeck: Abschied mit einem Knall 

Der einstige Grünen-Vorsitzende, Bundeswirtschaftsminister und
Vizekanzler ließ sich mit seinem Rückzug aus der Politik etwas Zeit.
Seinen Platz im Bundestag nahm er zunächst ein. Erst zum 1. September
legte er sein Mandat nieder.

Der «taz» verriet er seine Zukunftspläne: «Ich werde an verschieden
en
ausländischen Forschungs- und Bildungseinrichtungen forschen, lehren
und lernen», sagte der 56-Jährige. Er nannte das Dänische Institut
für Internationale Studien in Kopenhagen und die Universität Berkeley
in Kalifornien. Er müsse «Abstand zu dem zu engen Korsett des
Berliner Politikbetriebs gewinnen». 

Zum Abschied teilte Habeck in der «taz» nochmals aus, nannte etwa
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner eine «Fehlbesetzung» und
bescheinigte ihr: «Sie hat immer nur polarisiert, polemisiert und
gespalten.» Kanzler Merz nannte Habecks Abgang daher «peinlich».

Christian Lindner: Vaterfreuden und Wechsel in die Wirtschaft

Der einstige FDP-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Lindner hatte
keinen Hehl daraus gemacht, dass er auch in der nächsten
Bundesregierung gern wieder der oberste Kassenwart der Nation
geworden wäre. Nach dem FDP-Wahldebakel vom 23. Februar verschwand
der 46-Jährige dann blitzartig von der politischen Bühne. 

Priorität hatte nun zunächst das Privatleben. Im April bekam seine
Frau Franca Lehfeldt ein Baby. «Momentan steht bei mir natürlich die
Familie ganz im Vordergrund, jeden Tag und auch jede Nacht», gab
Lindner Anfang Mai in einem Videoclip bekannt.

Doch nun, da die in der Regel zwölf Monate lange Karenzzeit für den
Wechsel aus einem Ministeramt in die Wirtschaft abläuft, zieht es ihn
mit Macht genau dorthin. Lindner wird unabhängiges Mitglied im
Shareholder-Board des digitalen Personaldienstleisters Stepstone
Group, einer gemeinsamen Beteiligung des Private-Equity-Fonds KKR und
der Axel Springer SE. Und die globale CEO-Beratung Teneo berief
Lindner zum Senior Advisor. Teneo teilte mit, dass er Unternehmen in
den USA, in Europa und in Deutschland in strategischen Fragen beraten
soll.

Volker Wissing: Vorsitz in einem neuen Beirat 

Auch Volker Wissing ließ die Bundesregierung wissen, dass er künftig
sein Glück und Auskommen in der Wirtschaft finden will. Nach dem
Ministergesetz muss dies innerhalb der ersten 18 Monate nach dem
Ausscheiden aus dem Amt schriftlich angezeigt werden. 

Der frühere Bundesverkehrsminister heuerte bei der Christ Capital
GmbH an und übernimmt den Vorsitz eines neuen Beirates. Dieser soll
nach einer Mitteilung des Unternehmens ein beratendes Gremium für die
gesamte Unternehmensgruppe werden. Zu ihr gehört unter anderem die
Beratungsfirma Joschka Fischer & Company des früheren Außenministers
und Grünen-Politikers Joschka Fischer.

Wissing trat nach dem Bruch der Ampel-Koalition aus der FDP aus und
verblieb als einziger Liberaler im Kabinett von Bundeskanzler Scholz.
Er ist nun parteilos.

Annalena Baerbock: Abgang nach New York

Die frühere Außenministerin und - an Habecks Seite - Grünen-Chefin
verabschiedete sich nach New York zu den Vereinten Nationen. Dort
wurde sie mit überwältigender Mehrheit zur Präsidentin der
UN-Generalversammlung gewählt. Der Spitzenposition wird in erster
Linie protokollarische Bedeutung beigemessen. Baerbock leitet die
Sitzungen der Generalversammlung und legt Abläufe und Tagesordnungen
fest. 

Baerbock ist erst die fünfte Frau auf diesem Posten. Die Amtszeit
beträgt ein Jahr. Der neue Job in New York wird als möglicher Beginn
einer internationalen Karriere für die 44-Jährige gesehen, die einen
Masterabschluss im Völkerrecht hat. Ursprünglich war für das Amt die

deutsche Top-Diplomatin Helga Schmid vorgesehen. Baerbock wurde für
ihre späte Kandidatur nach der verlorenen Bundestagswahl kritisiert. 

Boris Pistorius: Verteidigungsminister in alter und neuer Regierung

Der einzige Bundesminister, der das Kunststück fertigbrachte, von der
alten in die neue Regierung zu wechseln, war Boris Pistorius. Der
SPD-Mann war Verteidigungsminister unter Scholz - und wurde es erneut
unter Friedrich Merz. 

Der heute 65-Jährige hatte in der vergangenen Wahlperiode die
glücklose Christine Lambrecht abgelöst. Schnell avancierte er in
Umfragen zum beliebtesten Politiker Deutschlands. Auch in der Truppe
ist der Klartext sprechende Pistorius beliebt.

Wie schon in der Ampel-Koalition kämpft Pistorius darum, dass
Deutschland wieder verteidigungsfähig wird. Dazu will er erreichen,
dass künftig wieder alle jungen Männer eines Jahrgangs gemustert
werden. Um die Stärke der Truppe zu erhöhen, setzt der SPD-Mann
zuallererst auf das Prinzip Freiwilligkeit. Den Vorschlag der Union,
nur einen Teil eines Jahrgangs zu mustern und diesen per Los zu
bestimmen, lehnt er ab, zeigt sich aber kompromissbereit.

Karl Lauterbach und andere: Sacharbeit im Bundestag

Viele ehemalige Kabinettsmitglieder sind der Politik treu geblieben
und sitzen - wie Scholz - weiter im Bundestag. Der ehemalige
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist dort nun
Vorsitzender des Forschungsausschusses, die ehemalige
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) amtierende Vorsitzende des
Haushaltsausschusses. 

Nancy Faeser (SPD), einst Innenministerin, ging in den Auswärtigen
Ausschuss, die frühere Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) in
das Vertrauensgremium und den Haushaltsausschuss.
Ex-Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat ein neues
Betätigungsfeld im Auswärtigen Ausschuss gefunden. Die frühere
Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) wechselte dagegen ihr
Fachgebiet nicht und sitzt nun im Umweltausschuss. 

Cem Özdemir: Staatskanzlei in Stuttgart im Visier

Wieder regieren, aber auf einer anderen Ebene - das strebt der
frühere Bundeslandwirtschaftsminister und Grünen-Vorsitzende Cem
Özdemir an. Der 59-Jährige möchte von der Bundes- auf die Landesbüh
ne
in Baden-Württemberg wechseln und im kommenden Jahr den nicht wieder
antretenden Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) beerben.
Ein Parteitag wählte ihn im Mai zum Spitzenkandidaten.

Ob Özdemir bei der Landtagswahl im März Erfolg haben wird, steht
allerdings in den Sternen. In den Umfragen liegen die Grünen deutlich
hinter der CDU.

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