Der spätere Todesfahrer als reger Anzeigenerstatter bekannt
Er wird als selbstsicher beschrieben. Sein Deutsch war sehr gut.
Jahre bevor er auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt sechs Menschen
tötete und über 300 verletzte, beschäftigte der Täter die Behörde
n.
Magdeburg (dpa/sa) - Der spätere Todesfahrer vom Magdeburger
Weihnachtsmarkt ist Sachbearbeiterinnen der Polizei als vielfacher
Anzeigenerstatter aufgefallen, der sehr fordernd auftrat. Eine
52-Jährige beschrieb im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, wie
der Mann aus Saudi-Arabien ihr im Januar 2019 gegenübersaß:
selbstsicher, glaubhaft, seine Anliegen habe er in einem sehr guten
Deutsch vorgebracht.
An ein Detail erinnerte sie sich zudem: Er habe erklärt, sich Ethanol
gespritzt zu haben. Sie habe daraufhin sein Gesicht angeschaut, es
habe leicht aufgedunsen gewirkt.
Er soll sich als Menschenrechtsaktivist gesehen haben
In seinen Anzeigen sei es etwa um den Verdacht auf Spionage gegangen,
bestätigt habe sich das laut Landeskriminalamt später aber nicht.
Gefragt nach seinen Beweggründen sagte die Sachbearbeiterin, sie
fand, der Anzeigenerstatter habe sich als Menschenrechtsaktivisten
gesehen. Flüchtlingshelfer habe er als Konkurrenz betrachtet. «Ich
denke, er wollte so viele Frauen wie möglich aus Saudi-Arabien zur
Flucht verhelfen und wollte sie allein betreuen.» Sie vermute, er
habe so ein bestimmtes Ansehen erreichen wollen.
Der Mann aus Saudi-Arabien sei anfangs sehr sachlich gewesen, später
habe sie von ihm aber einen Anruf erhalten, in dem er Frust gezeigt
habe über Entscheidungen der Behörden. So etwas komme aber immer mal
wieder vor.
Anzeigen mit vielen arabischen Quellen
Eine Sachbearbeiterin aus dem Polizeirevier Salzlandkreis berichtete
ebenfalls von vielen Anzeigen von Taleb al-Abdulmohsen, die sie
bearbeitet habe. Sie alle hätten den Bezug zu Saudi-Arabien gehabt.
Es seien viele Screenshots mit Nachrichten aus sozialen Medien sowie
Links zu Beiträgen auf Arabisch beigefügt gewesen.
Er habe Personen beschuldigt, für die Regierung von Saudi-Arabien zu
arbeiten. Sie habe aber nicht nachvollziehen können, welche Delikte
in seitenlangen E-Mails überhaupt zur Anzeige gebracht werden sollten
und habe die Vorgänge weitergeleitet, so die Sachbearbeiterin. An ihr
Treffen mit dem Anzeigenerstatter erinnere sie sich nicht.
Ein Staatsanwalt hält ihn für einen «querulatorischen Vielschreiber
»
Der spätere Todesfahrer erstattete auch vielfach Anzeigen gegen
Polizeibedienstete und Staatsanwälte, wenn ihm deren Entscheidungen
zur Einstellung der Verfahren nicht passten. Davon und von
Dienstaufsichtsbeschwerden berichtete den Abgeordneten des
Ausschusses ein Magdeburger Oberstaatsanwalt. Aus seiner Sicht war
der Saudi-Araber ein «querulatorischer Vielschreiber» gewesen. Die
Anzeigen seien willkürlich und haltlos gewesen.
Auch eine Beamtin aus dem Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt wurde vom
Untersuchungsausschuss befragt. Die Expertin für Spionage stieß im
Frühjahr 2019 bei einer bundesweiten Erkenntnisabfrage auf diverse
Anzeigen, die al-Abdulmohsen gestellt hatte. Ein Verfahren nach
seiner Anzeige gegen drei Personen beim Polizeirevier Salzlandkreis
wegen angeblicher Spionagetätigkeit wurde mangels Anfangsverdachts
eingestellt. Stattdessen stellte die Beamtin gegen den
Anzeigenerstatter eine Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung und
Verleumdung.
Prozessauftakt am 10. November
Kurz vor Weihnachten war der 50-Jährige, der im Maßregelvollzug in
Bernburg als Arzt arbeitete, mit einem Auto über den Magdeburger
Weihnachtsmarkt gerast. Dabei wurden sechs Menschen getötet und mehr
als 300 weitere verletzt. Der Täter sitzt in Untersuchungshaft. Der
Prozess gegen ihn soll am Montag kommender Woche beginnen.
Im Untersuchungsausschuss war bereits herausgearbeitet worden, dass
al-Abdulmohsen sehr viel Kontakt zu Behörden hatte und als
sogenannter Vielschreiber eingestuft worden war.
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