Merz kommentiert Frauen-Forderungen zunächst nicht
«Fragen Sie mal Ihre Töchter», hat Merz in der «Stadtbild»-Debatt
e
vorgeschlagen. 60 Frauen antworten ihm mit zehn konkreten
Forderungen. Der Kanzler schweigt zunächst dazu.
Berlin (dpa) - 60 Frauen aus Kultur, Wissenschaft, Politik und
Zivilgesellschaft haben sich in der «Stadtbild»-Debatte mit einem
offenen Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gewandt und zehn
konkrete Forderungen aufgestellt. Dazu zählt die konsequentere
Strafverfolgung von sexualisierter Gewalt, die Aufnahme der Tötung
von Frauen wegen ihres Geschlechts (Femizid) als eigenen Tatbestand
ins Strafgesetzbuch und die Reform des Abtreibungsparagrafen 218.
Auf die Frage einer Journalistin, ob er auf die Forderungen eingehen
werde und wo er Handlungsbedarf sehe, wollte Merz auf einer
Pressekonferenz bei einem Besuch der Handwerkskammer in Dresden nicht
antworten. Er sei bei der Handwerkskammer, um sich «mit den Themen,
die die Menschen wirklich in der Breite und Tiefe beschäftigen, zu
befassen», sagte er. Der CDU-Vorsitzende nannte die Berufsausbildung
und die Frage, wie junge Menschen - «auch junge Frauen» - für
Handwerksberufe gewonnen werden könnten. «Das ist hier das Hauptthema
meines heutigen Besuches.»
Debatte läuft seit zwei Wochen
Merz hatte die Debatte vor zwei Wochen mit einer Äußerung zur
Migrationspolitik der Bundesregierung ausgelöst: «Wir haben natürlich
immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der
Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch
Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.» Erst eine Woche
später wurde er konkreter: Probleme machten diejenigen Migranten, die
keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus hätten, die nicht arbeiteten und
die sich auch nicht an die in Deutschland geltenden Regeln hielten,
sagte er.
Zwischenzeitlich hatte er auf die Frage, was er mit seiner Äußerung
zu Problemen im Stadtbild denn gemeint habe, geantwortet: «Fragen Sie
mal Ihre Töchter.»
Darauf nehmen die Autorinnen in ihrem offenen Brief Bezug: «Wir
möchten gerne über Sicherheit für Töchter, also Frauen sprechen. Wi
r
möchten es allerdings ernsthaft tun, und nicht als billige Ausrede
dienen, wenn rassistische Narrative rechtfertigt werden sollen.»
Neubauer, Lang und Denalane unter den Unterzeichnerinnen
Unterzeichnet haben das Schreiben nach Angaben der Initiatorinnen
unter anderem Grünen-Politikerin Ricarda Lang, Klimaaktivistin Luisa
Neubauer, Musikerin Joy Denalane und die Autorin Alice Hasters.
Außerdem dabei: die Schauspielerin Melika Foroutan sowie die
Schriftstellerinnen Lena Gorelik und Mithu Sanyal.
«Wir wollen, dass Frauen sicher sind - auf der Straße und im eigenen
Zuhause», schreiben sie und listen zehn Forderungen auf.
* Konsequentere Strafverfolgung bei sexualisierter und häuslicher
Gewalt
* Bessere Beleuchtung und Überwachung öffentlicher Räume
* Femizide als eigener Tatbestand im Strafgesetzbuch
* Verlässliche Datenerhebung zu Gewalt gegen Frauen - differenziert
nach Diskriminierungserfahrungen
* Mehr Geld für Frauenhäuser und Schutzräume
* Gewaltschutzgesetz besser finanzieren und Anerkennung rassistisch
motivierter Gewalt in Gesetzgebung und Praxis
* Mehr Schutz vor digitaler Gewalt und Rassismus im Netz
* Recht auf körperliche Selbstbestimmung einführen durch die Reform
von Paragrafen 219 und 218 im Strafgesetzbuch
* Finanzielle Unabhängigkeit von Frauen stärken - gleicher Lohn für
gleiche Arbeit
* Altersarmut von Frauen konsequent bekämpfen
Bundesweite Proteste nach «Stadtbild»-Aussage
In den vergangenen Wochen hatte es Dutzende Demonstrationen mit
Tausenden Teilnehmern gegen die «Stadtbild»-Äußerungen des Kanzlers
gegeben. Eine Protest-Petition im Internet haben inzwischen mehr
245.000 Menschen unterzeichnet. In Dresden demonstrierten heute 250
Menschen vor der Staatskanzlei, wo der Kanzler an einer Sitzung des
sächsischen Kabinetts teilnahm. Es war sein Antrittsbesuch als
Kanzler in Sachsen.
In einer ZDF-Umfrage hatten sich allerdings 63 Prozent hinter Merz'
«Stadtbild»-Äußerung und seine Konkretisierung, wen er damit meint,
gestellt.
Miersch für «konkrete Lösungen»
Unklar ist weiterhin, was aus der Debatte folgt. SPD-Fraktionschef
Matthias Miersch schreibt in einem Brief an die sozialdemokratischen
Abgeordneten, man müsse nun mit der Union, den Ländern und vor allem
mit den Kommunen «an konkreten Lösungen» arbeiten. «Ein soziales,
inklusives und sicheres Stadtbild entsteht dort, wo Politik hinhört
und handelt, statt zu spalten.» Mit Unionsfraktionschef Jens Spahn
(CDU) habe er vereinbart, dass sich die zuständigen Fachpolitiker nun
austauschten, berichtet Miersch seiner Fraktion. Konkreter wurde er
aber nicht. Zuvor hatten bereits Fachpolitiker der SPD einen
«Stadtbild»-Gipfel im Kanzleramt gefordert.
Warken: Ein «paar Lampen aufhängen» reicht nicht
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken, die auch Vorsitzende der
Frauen Union der CDU ist, sieht ebenfalls Handlungsbedarf. In vielen
Innenstädten gebe es Probleme mit Zonen, wo man schauen müsse, was
mit Beleuchtung, Sauberkeit und Videoüberwachung getan werden könne,
sagte sie «Table.Briefings». «Jetzt aber so zu tun, als ob es nur
genügt, ein paar Lampen aufzuhängen und irgendwie den Müll
wegzufahren, das reicht, glaube ich, nicht», fügte sie hinzu.
Forderung nach Videoüberwachung mit Gesichtsbilderkennung
Von Innenpolitikern der Union kam zuletzt vor allem die Forderung
nach Videoüberwachung mit biometrischer Gesichtserkennung. Dagegen
gibt es aber rechtliche Bedenken. Solche «massenhaften
Grundrechtseingriffe» seien in «verfassungsgemäßer Ausgestaltung»
kaum denkbar, heißt es in einer Stellungnahme des Deutschen
Anwaltsvereins dazu. «Das ist Symbolpolitik ohne Sicherheitsgewinn,
dafür mit großen Freiheitseinschränkungen für Millionen
unbescholtener Bürgerinnen und Bürger.»
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