Einsamkeit kann krank machen - was kann dagegen helfen? Von Marco Rauch, dpa
Viele Studien belegen, dass Menschen mit starkem sozialem Netz im
Schnitt psychisch und körperlich gesünder sind. Weitere zeigen, dass
Einsamkeit gefährlich sein kann. Was lässt sich daraus lernen?
Berlin (dpa) - Ein starkes soziales Netz ist gesund, Einsamkeit kann
hingegen schädlich sein - und zwar nicht nur für die Psyche, sondern
auch für den Körper. Diesbezüglich ist sich die Wissenschaft
größtenteils einig.
Die positive Wirkung der wahrgenommenen Unterstützung zeigte
beispielsweise erst kürzlich eine großangelegte Metaanalyse mit 604
Studien aus über 30 Ländern, die im Fachjournal «Psychological
Bulletin» der American Psychological Association veröffentlicht
wurde. Menschen, die sich von Familie, Freunden oder Kollegen
unterstützt fühlen, haben demnach im Durchschnitt eine bessere
psychische und körperliche Gesundheit als andere. Sie sind zudem
zufriedener und erfolgreicher.
Was macht Einsamkeit mit dem Körper?
Leider funktioniert dieses Phänomen auch umgekehrt. Elnaz Pourzare,
Mitglied beim Bundesverband deutscher Psychologinnen und Psychologen
(BDP), erklärt mögliche Wirkungen im Körper: «Einsamkeit ist kein
bloßes Gefühl, sondern ein komplexer psychobiologischer
Stresszustand. Wenn Menschen über längere Zeit soziale Isolation oder
einen Mangel an Zugehörigkeit empfinden, reagiert der Körper ähnlich
wie bei chronischem Stress: Das Stresshormon Cortisol bleibt
dauerhaft erhöht, das Immunsystem wird geschwächt, und entzündliche
Prozesse im Körper werden begünstigt.»
Studien zeigen nach Angaben der Bonner Psychologin, dass Einsamkeit
mit einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Depressionen, Schlafstörungen und sogar einer verkürzten
Lebenserwartung verbunden ist. Schließlich sei der Mensch ein
soziales Wesen, werde dieses Bedürfnis nicht erfüllt, habe das
negative Konsequenzen.
«Auch neurobiologisch hinterlässt Einsamkeit Spuren: Im Gehirn wird
das sogenannte "soziale Schmerzsystem" aktiviert - dieselben Areale,
die auch bei körperlichem Schmerz reagieren», erklärt Pourzare.
«Dieser dauerhafte Aktivierungszustand führt dazu, dass Betroffene
empfindlicher auf soziale Zurückweisungen reagieren und sich noch
stärker zurückziehen - ein Kreislauf, der sowohl psychisch als auch
körperlich belastet.»
Thema Einsamkeit bekam zuletzt mehr Aufmerksamkeit
Generell ist das Thema Einsamkeit in den vergangenen Jahren zunehmend
in den Fokus gerückt. So hat etwa die nordrhein-westfälische
Landesregierung Ende vergangenen Jahres einen ersten Aktionsplan
gegen Einsamkeit verabschiedet. Unter dem Titel «Du+Wir=Eins -
Nordrhein-Westfalen gegen Einsamkeit» bündelt der Plan 100 Maßnahmen
gegen Einsamkeit aller Ministerien der Landesregierung.
Der Plan soll Beteiligten und Betroffenen dabei helfen, sich besser
über Einsamkeit zu informieren und zu vernetzten. Er sieht unter
anderem vor, Unterstützungsangebote rund um das Thema auszubauen.
Zudem soll etwa in Jobcentern, Schulen, Universitäten oder bei der
Polizei für das Thema Einsamkeit sensibilisiert werden.
Promis machen in der ARD auf Einsamkeit aufmerksam
Unter dem Motto #melddichmalwieder hatte die ARD kürzlich während der
Halbzeitpause eines Fußball-Länderspiels auf das Thema Einsamkeit
aufmerksam gemacht. Für wenige Minuten wurde Fußball zur Nebensache,
als Comedienne Carolin Kebekus gemeinsam mit den Musikerinnen und
Musikern Jasmin Wagner, Peter Maffay, Mark Forster sowie
Ex-Nationalspieler Lukas Podolski auftrat.
Kebekus sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Einsamkeit betrifft
viele Menschen. Wir leben in Zeiten voller Krisen, die spalten - die
Pandemie hat das noch verstärkt. Trotzdem sprechen kaum Menschen
offen darüber.» Einsamkeit sei unsichtbar und oft mit Scham
verbunden. Bereits darüber zu reden, sei ein wichtiger Schritt.
Sie betonte, Einsamkeit bedeute nicht zwangsläufig allein zu sein.
«Man kann sich auch mitten unter Menschen isoliert fühlen. Das kann
Jugendliche treffen, die in der Klasse gemobbt werden, oder Menschen
nach einer Trennung», sagte Kebekus. Es gebe Wege, sich Hilfe zu
holen und jeder könne im Alltag etwas tun. «Lächeln, Nachbarn
ansprechen, auf einen Kaffee einladen.»
Sechs von zehn Erwachsenen mit Einsamkeitserfahrung
Nach Angaben des WDR haben sechs von zehn Erwachsenen in Deutschland
bereits Erfahrungen mit Einsamkeit gemacht. Besonders unter jüngeren
Menschen sei die Tendenz steigend. Die Pandemie, digitale
Kommunikation und gesellschaftlicher Druck hätten das Problem
verstärkt - und es bleibe oft unsichtbar.
Im Vereinigten Königreich wird dem Thema Einsamkeit schon etwas
länger größere Bedeutung zugeschrieben. So bekam schon 2018 erstmals
ein Ministerium die Zuständigkeit für die Bekämpfung von Einsamkeit.
In Deutschland setzt das Bundesfamilienministerium mit mehreren
Projekten für die Belange einsamer Menschen ein. Das Kompetenznetz
Einsamkeit hat untere anderem eine digitale Deutschlandkarte mit
Hilfsprojekten gegen Einsamkeit erstellt.
Was sind mögliche Lösungsansätze?
«Einsamkeit zu überwinden beginnt damit, sie anzuerkennen, statt sie
zu verdrängen. Viele Menschen empfinden Scham, wenn sie sich einsam
fühlen», so Psychologin Pourzare.
Eine nachhaltige Lösung liegt ihr zufolge nicht allein darin, mehr
Kontakte zu haben, sondern im Aufbau von qualitativen, emotional
tragfähigen Beziehungen. «Entscheidend ist das Gefühl, gesehen,
verstanden und angenommen zu werden. Psychologische Interventionen,
die soziale Kompetenzen fördern, den Selbstwert stärken und
emotionale Offenheit unterstützen, haben sich hier als besonders
wirksam erwiesen.» Auch Programme zur Förderung von Achtsamkeit und
Selbstmitgefühl könnten helfen, das Gefühl der Verbundenheit mit si
ch
selbst und anderen wiederherzustellen.
Welche konkreten Schritte kann man als Betroffener einleiten?
Hilfreich ist es Pourzare zufolge, wieder aktiv in soziale Kontexte
einzutreten - auch wenn der erste Schritt oft Überwindung kostet.
«Dazu gehören regelmäßige Routinen, wie etwa feste Verabredungen,
Gruppenaktivitäten (Sport, Musik, Ehrenamt) aber auch digitale Wege,
um in Kontakt zu bleiben.» Ein weiterer wichtiger Faktor sei die
Selbstwahrnehmung und Selbstakzeptanz. «Wer sich selbst als "nicht
liebenswert" erlebt, zieht sich häufig unbewusst zurück.»
Wie kann man Betroffenen helfen?
Einsamkeit zeigt sich Pourzare zufolge selten offen, denn Betroffene
würden selten darüber sprechen. «Umso wichtiger ist es, sensibel auf
subtile Signale zu achten: Rückzug, Antriebslosigkeit oder das
Abbrechen von Kontakten können erste Hinweise sein.» Hier würden
kleine, aber konstante Gesten der Verbundenheit helfen: eine
Nachricht, ein Anruf, gemeinsames Kochen, ein Spaziergang.
«Entscheidend ist, dass echtes Interesse spürbar wird. Auch das
aktive Zuhören - ohne direkt Ratschläge zu geben - kann bereits sehr
entlastend wirken.»
Gerade bei älteren Menschen oder Personen mit gesundheitlichen
Belastungen spiele die soziale Einbettung im Alltag eine große Rolle.
«Kommunale oder ehrenamtliche Netzwerke, Nachbarschaftshilfen oder
Gruppentreffen können hier wertvolle Unterstützung bieten.» In der
psychologischen Praxis zeige sich: Schon kleine, regelmäßige soziale
Interaktionen - verbunden mit emotionaler Offenheit - können den
inneren Rückzug aufbrechen und wieder Zuversicht fördern.
So könne schon kurzfristig Stress vermindert und damit das
Wohlbefinden gesteigert werden, erklärt Pourzare. «Langfristig
gesehen stabilisiert regelmäßige soziale Interaktion das
Nervensystem, stärkt das Immunsystem und wirkt wie ein
psychologischer Schutzpuffer gegen Belastungen.»
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