Nobelpreis ehrt Forschung zu stetigem Wirtschaftswachstum Von Steffen Trumpf, dpa
Die diesjährigen Wirtschaftsnobelpreisträger haben anschaulich
gemacht, wie sich anhaltendes Wirtschaftswachstum erklären lässt.
Einer von ihnen geizt nicht mit Kritik an der US-Handelspolitik.
Stockholm (dpa) - Drei in den USA und in Europa tätige Ökonomen
werden für ihre Forschungen zum stetigen Wachstum von
Volkswirtschaften mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften
ausgezeichnet. Der prestigeträchtige Preis geht in diesem Jahr zur
einen Hälfte an den israelisch-amerikanischen Wirtschaftshistoriker
Joel Mokyr, zur anderen Hälfte an den Franzosen Philippe Aghion und
den Kanadier Peter Howitt, wie die Königlich-Schwedische Akademie der
Wissenschaften in Stockholm bekanntgab. Sie zeichnete das Trio damit
für ihre Erklärung von innovationsgetriebenem Wirtschaftswachstum
aus.
Während der nahezu gesamten Menschheitsgeschichte habe sich der
Lebensstandard der Menschen von Generation zu Generation zunächst nur
unwesentlich verändert, sagte der Vorsitzende des zuständigen
Nobelkomitees, John Hassler, bei der Preisbekanntgabe. Stagnation sei
der Normalfall gewesen, und gelegentliches, von großen Entdeckungen
wie der Druckerpresse ausgelöstes Wachstum sei letztlich immer wieder
verebbt.
Im Zeitalter des Wachstums
In den vergangenen rund 200 Jahren sei dies jedoch ganz anders
gewesen, führte der schwedische Ökonom aus: Stetiges Wachstum mit
immer neuen technologischen Innovationen wie neuen Medikamenten,
sichereren Autos und nicht zuletzt dem Internet habe die lange
herrschende Stagnation abgelöst.
«Im Laufe der Zeit hat dieser Prozess unsere Gesellschaften
grundlegend verändert», sagte Hassler. «Veränderung, nicht
Stagnation, ist zur neuen Normalität geworden.»
An dieser Stelle kommen die diesjährigen Nobelpreisträger ins Spiel:
Mokyr (79), Aghion (69) und Howitt (79) hätten Antworten auf Fragen
liefern können, wie sich nachhaltiges Wachstum auf Basis von
Innovationen erklären lasse und welche Konflikte in einer
Gesellschaft entstünden, wenn neue Dinge die alten ersetzten,
erläuterte Hassler.
«Schöpferische Zerstörung» und was alte Handys damit zu tun haben
Mokyr habe mit seinen Beobachtungen die Faktoren identifiziert, die
für stetiges Wachstum notwendig seien, Aghion und Howitt hätten
wiederum das mathematische Wachstumsmodell der «schöpferischen
Zerstörung» aufgestellt. Dabei geht es um einen endlosen Prozess, bei
dem alte Produkte stetig durch neue und bessere ersetzt werden. Alte
Telefone und Handys sind somit beispielsweise im Laufe der Zeit von
hochmodernen Smartphones abgelöst worden - die in Zukunft wiederum
von neuen, besseren Geräten vom Markt verdrängt werden.
«Mit dem Verständnis der Mechanismen der schöpferischen Zerstörung
haben wir eine bessere Chance, dafür zu sorgen, dass das Wachstum
anhalten kann und in die Richtung gelenkt wird, die der Menschheit
nützt», sagte Hassler.
Kritik an Trumps Zollpolitik
Apropos Zerstörung: Dass US-Präsident Donald Trump mit seiner
aktuellen Wirtschaftspolitik erhebliche Handelsbarrieren für die
Weltwirtschaft schafft, zog indirekte Kritik von Preisträger Aghion
nach sich.
«Es gibt momentane Trends zu Deglobalisierung und Zollbarrieren.
Diese Dinge sind Hindernisse für das Wachstum, weil man einen großen
Markt benötigt, um weiter zu wachsen», sagte der Franzose, als er
telefonisch zur Preisbekanntgabe zugeschaltet wurde. «Offenheit ist
ein Wachstumstreiber. Und alles, was der Offenheit im Weg steht, ist
ein Wachstumshemmnis.»
Aghion erwähnte Trump dabei zwar nicht namentlich, stellte aber auf
Rückfrage klar: «Ich heiße die protektionistische Welle in den USA
nicht willkommen - sie ist nicht gut für das Wachstum und die
Innovation.»
Zugleich müsse man in Europa erkennen, dass man den USA und China
nicht länger die technologische Führung überlassen dürfe. «Wir ha
ben
fantastische Grundlagenforschung in Europa», sagte Aghion. Es gehe
aber darum, diese Arbeit auch in bahnbrechende Innovationen
umzuwandeln. Das werde bislang versäumt, auch wenn das Potenzial da
sei.
Alle Nobelpreisträger stehen fest
Mit den Auserwählten in der Wirtschaftskategorie stehen nun alle
Nobelpreisträger dieses Jahres fest. In der vergangenen Woche waren
bereits alle weiteren Preisträger verkündet worden, darunter
ebenfalls jeweils drei in den anderen wissenschaftlichen Kategorien
Medizin, Physik und Chemie. Der Literaturnobelpreis geht diesmal an
den ungarischen Schriftsteller László Krasznahorkai, der
Friedensnobelpreis an die venezolanische Oppositionsführerin María
Corina Machado.
All diese Preiskategorien gehen auf das Testament des schwedischen
Dynamit-Erfinders und Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896) zurück.
Ende der 1960er Jahre hatte die schwedische Zentralbank dann einen
weiteren Preis in Gedenken an Nobel ins Leben gerufen, den Nobelpreis
für Wirtschaftswissenschaften.
Bislang erst ein deutscher Wirtschaftsnobelpreisträger
Der Wirtschaftsnobelpreis ging in seiner Geschichte überaus häufig an
Ökonomen in den USA, so auch im Vorjahr: Damals erhielten ihn Daron
Acemoglu, Simon Johnson und James A. Robinson für ihre Forschungen
zum Wohlstandsgefälle zwischen Nationen.
Erst ein Deutscher ist bislang unter den Wirtschaftsnobelpreisträgern
gewesen, nämlich der Bonner Wissenschaftler Reinhard Selten
(1930-2016). Er war im Jahr 1994 gemeinsam mit John Nash und John
Harsanyi für ihre wegweisenden Beiträge zur nichtkooperativen
Spieltheorie ausgezeichnet worden.
Eine Million Euro Preisgeld
Wie alle weiteren Nobelpreisträger erhalten Mokyr, Aghion und Howitt
ihre Auszeichnung traditionsgemäß und hochfeierlich am 10. Dezember,
dem Todestag von Nobel. Auch das üppige Preisgeld beträgt dieselbe
Summe wie bei den anderen Nobelpreisen: Es beläuft sich in diesem
Jahr erneut auf elf Millionen schwedische Kronen pro Kategorie -
umgerechnet entspricht das rund einer Million Euro, die nun zur
Hälfte an Mokyr fließt und zu je einem Viertel an Aghion und Howitt.
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