Mordprozess um Hannas Tod: Wahrheit oder Lüge? von Cordula Dieckmann, dpa

Es ist ein schwieriger Fall für das Landgericht Traunstein: Wurde
Hanna aus Aschau nach einer Partynacht ermordet oder war es ein
Unfall? Eine Zeugenaussage könnte helfen. Doch kann man die glauben?

Traunstein/Laufen (dpa) - Was ist in jener Oktobernacht vor drei
Jahren in Aschau geschehen? Stürzte Hanna nach einer ausgiebigen
Partynacht in einen Bach und ertrank? Oder war es Mord, womöglich aus
sexuellen Motiven? Glaubt man dem bisherigen Hauptbelastungszeugen,
war der Tod der Medizin-Studentin kein Unfall. Doch die Aussage des
25-Jährigen wird mittlerweile angezweifelt - nun auch von dem
Gutachter Max Steller. In dem wegen einer Revision neu aufgerollten
Prozess vor dem Landgericht Traunstein hat sich der Rechtspsychologe
Max Steller geäußert.

Er könne keine Indikatoren für den Wahrheitsgehalt der Aussage
finden, trägt der Rechtspsychologe Max Steller im Prozess vor. Oder
einfacher gesagt: Der Zeuge könnte gelogen haben. Bewusst, aber auch
unbewusst. Oder er könnte sich in eine Vorstellung hineingesteigert
haben. Kennengelernt hatten sich der Zeuge und der Angeklagte, als
sie beide im Gefängnis saßen, der eine wegen des Verdachts einer
Sexualstraftat, der andere wegen Mordverdachts.

Im ersten Verfahren war die Aussage des Mannes maßgeblich für das
Urteil im März 2024, das mit einer Jugendstrafe von neun Jahren Haft
endete, dann aber vom Bundesgerichtshof (BGH) aufgehoben wurde. Zudem
kam der 23 Jahre alte Angeklagte frei, nachdem bereits im Juni die
Glaubhaftigkeit der Aussage angezweifelt worden war. 

Mehr als Wetter und Essen

So wie damals bleibt der Zeuge jedoch auch dieses Mal bei seiner
Aussage: Der Angeklagte habe in einem Gespräch gesagt, Hanna aus
sexuellen Motiven angegriffen, bewusstlos geschlagen und in einen
Fluss geworfen zu haben. Stattgefunden haben soll die Unterhaltung
beim gemeinsamen Kartenspiel im Gefängnis, wo sich die beiden Männer
im Herbst 2022 kennengelernt hatten. 

Dass der Angeklagte und sein Mithäftling sich unterhalten haben,
glaubt Steller. Anschaulich habe der 25-Jährige das vorgetragen, sagt
er. Sogar eine Skizze seiner Gefängniszelle hatte er gefertigt, wo
sich die beiden Männer immer wieder mal getroffen hatten, um in Ruhe
Karten zu spielen. Auch dass sie sich ihre Haftgeschichten erzählten,
hält er für möglich. Die Themen seien wohl über Wetter oder Essen
hinausgegangen, vermutet der Psychologe.

Gutachter sieht massive Widersprüche 

Doch wie weit das Gespräch ging und ob der Angeklagte tatsächlich
beschrieb, wie er Hanna angeblich angriff - das bleibt unklar.
Steller sieht massive Widersprüche der Zeugenaussage, wenn es um
Details geht. Etwa, ob der Angeklagte Hanna vom Sehen kannte oder ob
er bei dem maßgeblichen Gespräch einen Gips an einem Arm hatte. 

Dass der Zeuge lügen kann, davon ist der Psychologe überzeugt. Bei
seinem psychiatrischen Krankheitsbild sieht er zudem eine «erhöhte
Gefahr von Falschaussagen, seien sie unbewusst oder bewusst». Auch
bei früheren Aussagen «in offiziellem Kontext» habe der 25-Jährige,

der immer noch in Haft sitzt, bereits gelogen. 

Tod nach Disco-Besuch

Hanna starb in der Nacht zum 3. und Oktober 2022, nachdem sie in der
Disco «Eiskeller» im oberbayerischen Aschau gefeiert hatte. Gegen
2.20 Uhr wollte die damals 23-Jährige heim, kam dort aber nie an.
Stattdessen wurde am Nachmittag ihre Leiche mit vielen Verletzungen
im Fluss Prien gefunden. 

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, die Studentin in
der Nacht aus sexuellen Motiven von hinten angegriffen und in den
Bach geworfen zu haben, wo sie ertrank. Die Verteidigung spricht von
einem Unfall und geht davon aus, dass sich Hanna verletzte, als sie
nach ihrem Sturz in den Bach zwölf Kilometer durch das Wasser trieb. 

Selbstdarstellung oder harte Bandagen?

Bis zum 19. Dezember sind noch etliche Verhandlungstage angesetzt,
aus Platzgründen im Amtsgericht Laufen, allerdings ohne die Eltern.
Der Vater hatte bis Ende vergangener Woche den Prozess als
Nebenkläger verfolgt, sich dann aber zurückgezogen. Seine Mandanten
hätten sich Aufklärung versprochen, sagte Nebenklageanwalt Walter
Hoderle. Sie hätten «schmerzlich erfahren» müssen, dass Hanna f
ür
diese Strafkammer keine Rolle mehr spiele. Die Verteidigung betreibe
eine «unerträgliche Selbstdarstellungsinszenierung» und lasse keine
Gelegenheit aus, Polizei, Staatsanwaltschaft sowie die vormals
entscheidende Strafkammer zu diskreditieren.

Vorwürfe, die Verteidiger Yves Georg «abseitig» nannte. «Dass Elter
n
schwer darunter leiden, wenn bei der Aufklärung des Todes ihrer
Tochter mit harten Bandagen um das Recht gekämpft wird, können wir
verstehen», sagt er. «Es ist aber Aufgabe des Rechtsanwalts, seinen
Mandanten zu erklären, dass und weshalb ein Strafprozess so abläuft
und was die Aufgabe der Verteidigung ist.»

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