So sollen Kliniken auf den Krisenfall vorbereitet werden

Wer verteilt massenhaft Verletzte auf welche Kliniken? Was tun bei
der nächsten Pandemie oder einer Flut-Katastrophe? Krankenhäuser
sollen besser für Katastrophen und Kriegsfall vorbereitet werden.

Stuttgart (dpa/lsw) - Cyberangriffe, Stromausfälle, Naturkatastrophen
- und seit Kurzem auch Kriege in Europa: Die Liste möglicher Krisen
wird länger, die Bedrohungen realer. Damit Baden-Württembergs
Krankenhäuser im Ernstfall handlungsfähig bleiben, hat das Land ein
Notfall-Handbuch entwickelt. Es soll Kliniken Schritt für Schritt
durch Katastrophenszenarien führen - vom Stromausfall bis zum
Terroranschlag.

Das 80-seitige Papier aus dem Gesundheitsministerium beschreibt
detailliert, wie Krankenhäuser auf Katastrophen reagieren sollen. Mit
Checklisten, Ablaufplänen und Übungsszenarien - etwa für
Terroranschläge, Amoklagen oder großflächige Stromausfälle. Ziel is
t,
dass Kliniken auch dann weiterarbeiten können, wenn digitale Systeme
zusammenbrechen oder Rettungswege blockiert sind.

«Wir befinden uns in einer multiplen Krisenlage, wie es sie seit 80
Jahren nicht gegeben hat», sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU).
Seine Botschaft ist klar: Krankenhäuser müssen sich wappnen - nicht
nur für Pandemien wie Corona, sondern auch für Hackerangriffe oder
den Ausfall lebenswichtiger Infrastruktur. «Wir müssen uns abhärten
»,
sagte Strobl.

Warum ist das Handbuch nötig?

Gesetzlich müssen Krankenhäuser zwar Notfall- und Einsatzpläne
vorhalten. Doch in der Praxis kann es an der Umsetzung hapern. «Aber
wir haben in den vergangenen Jahren festgestellt, dass diese Pläne in
vielen Bereichen überhaupt nicht greifen und wir auf einige Themen
überhaupt nicht vorbereitet sind», sagte Thorsten Hammer,
Katastrophenschutzbeauftragter des Universitätsklinikums Freiburg.
«Ein Beispiel: es reden alle über Digitalisierung. Aber bei einem
Netzwerkausfall brauchen sie auch noch Papierkurven, also klassische
Patientenakten, denn sonst sind sofort die Patienten gefährdet.» 

Was steht drin?

Das nicht verpflichtende Handbuch beschreibt, wie Krankenhäuser im
Ernstfall strukturiert vorgehen können - mit klaren Abläufen,
Zuständigkeiten und regelmäßigen Übungen - ähnlich wie
Feuerwehrübungen in Schulen. Auch enthält es Formulare, mit denen
Kliniken ihre Abläufe prüfen können. Aus Sicht Hammers stehen die
Krankenhäuser mit Blick auf Krisenszenarios im Land zwar gut da.
«Aber es gibt mit Sicherheit auch noch Luft nach oben», sagte er. 

Hammer hat als Vize-Vorstand der Klinikübergreifenden
Sicherheitskonferenz Baden-Württemberg (KLÜSIKO), einem
Zusammenschluss von 22 Kliniken, am Handbuch mitgearbeitet. Land und
Kliniken hätten Erfahrungen aus der Corona-Pandemie gezogen, sagte
er. «Wir haben daraus gelernt, dass wir nicht warten, bis etwas auf
uns zukommt, sondern wir bereiten uns darauf vor.» 

SPD: Handbuch kommt zu spät

Aus Sicht der SPD geschieht dies aber zu spät. Außerdem sei es
unverständlich, dass es keine Verpflichtung für die Kliniken gebe,
wie sie den Rahmenplan umsetzen müssen, sagt Florian Wahl,
gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. «Deshalb
habe ich große Zweifel daran, dass unsere Kliniken so ernsthaft
krisenfest gemacht werden.»

Und auch die Krankenhäuser sehen Lücken: «Wenn die Vorbereitung auf
zusätzliche Risiken gewollt ist, müssen diese klar benannt werden»,
sagte Matthias Einwag, Hauptgeschäftsführer der
Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG). «Die
Erwartung, dass sich die Kliniken - ohne klare Spezifizierung - auf
alle denkbaren Krisen vorbereiten, kann nicht erfüllt werden.» Einwag
verwies auch auf die Kassenlage. Der Krankenhausbereich sei seit
Jahren vor allem in Baden-Württemberg unterfinanziert.

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