«Keine Abkehr erkennbar»: Höchststrafe für Solingen-Täter Von Frank Christiansen und Volker Danisch, dpa

«Den Ungläubigen das Tor zur Hölle öffnen», forderte der IS: Weni
ge
Wochen später stach Issa al Hasan in Solingen zu. Für den
islamistischen Terroranschlag erhielt er nun die Höchststrafe.

Düsseldorf (dpa) - Erleichterung über die Höchststrafe, aber Wut auf

das Verhalten des Attentäters: Dass er während der Urteilsverkündung

immer wieder gelächelt habe, mache sie wütend, sagt die Überlebende
Lea Varoquier (26) aus Solingen. Tatsächlich hatte Issa al Hasan
sogar mit nach oben gerecktem Daumen den Saal betreten.

Das Düsseldorfer Oberlandesgericht verhängte für den islamistischen
Terroranschlag von Solingen die Höchststrafe. Es sprach den
27-jährigen Issa al Hasan wegen Mordes an drei Menschen,
Mordversuchen an zehn Menschen und als Mitglied der Terrormiliz
Islamischer Staat schuldig. 

Die Richter verurteilten den Syrer zu lebenslanger Haft, stellten die
besondere Schwere seiner Schuld fest und ordneten die anschließende
Sicherungsverwahrung an. 

Damit entsprach das Gericht der Forderung der Bundesanwaltschaft und
sämtlicher Nebenklägeranwälte. Die Verteidiger hatten sich lediglich

gegen die Sicherungsverwahrung ausgesprochen und behielten sich
Rechtsmittel gegen das Urteil vor. 

Zudem sprach das Gericht den Opfern Schmerzensgeldsummen zwischen
30.000 und 120.000 Euro zu, räumte aber ein, dass die Summen wohl
nicht realisiert werden könnten.

Richter: Angeklagter hat sich seit 2019 radikalisiert

«Der Angeklagte hat sich seit 2019 massiv islamistisch
radikalisiert», sagte Richter Winfried van der Grinten. Auf seinem
Tiktok-Profil habe er selbst IS-Propaganda verbreitet. An seinen
Internet-Aktivitäten könne man ablesen, wie er sich immer weiter in
der islamistischen Ideologie verfing. 

Der 27-Jährige habe mehrmals gelogen, attestierte ihm der Richter.
Seine Aussage, wonach er das Leid der Menschen in Gaza nicht mehr
ertragen habe, sei allenfalls ein Begleitmotiv. Er habe sich mit den
Zielen des IS identifiziert. 

So habe er den Anschlag auch als Rache für IS-Kämpfer bezeichnet, die
bei einem Rückzugsgefecht getötet wurden. «Ich schwöre, ich werde
euch zerstückeln. Ich werde euch in Stücke reißen», habe er in sein
en
Videos angekündigt. Das Anschlagsziel habe er selbst ausgewählt. Mit
dem Anschlag habe der IS erneut sein menschenverachtendes Gesicht
gezeigt.

«Massiv belastendes Ereignis» für die ganze Stadt Solingen

Mit einem Tranchiermesser mit 19 Zentimeter Klingenlänge habe er auf
seine Opfer eingestochen, bis sich ihm Robert K. In den Weg gestellt
und trotz mehrerer Verletzungen Widerstand geleistet habe. Erst da
habe der Syrer seine Angriffe gestoppt und sei geflüchtet. 

Die Tat sei nicht nur für die unmittelbaren Opfer, sondern für alle
Konzertbesucher und die ganze Stadt Solingen ein massiv belastendes
Ereignis gewesen, sagte der Richter. So sei ein erfahrener
Rettungssanitäter in der Folge ein Jahr arbeitsunfähig gewesen. 

Issa al Hasan habe einen Hang zu schwersten Straftaten. Anzeichen für
eine innere Abkehr seien nicht zu erkennen. «Es ist ihm aber nicht
gelungen, die Menschen in Solingen zu radikalisieren», sagte der
Richter. Ein Jahr später hätten sie wieder ein Stadtfest feiert.

Drei Tote, acht Verletzte

Bei der Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest waren am 23. August
2024 drei Menschen getötet und acht teilweise lebensgefährlich
verletzt worden. Der Syrer hatte von hinten gezielt jeweils auf den
Hals von Besuchern des Festes eingestochen. Zwei Menschen hatte er
knapp verfehlt. Er wurde einen Tag später gefasst. 

Der Anschlag hatte bundesweit eine Debatte über die Flüchtlings- und
Asylpolitik ausgelöst. In Nordrhein-Westfalen wurde in der Folge ein
Sicherheitspaket mit Dutzenden Maßnahmen beschlossen. 

Das Gericht kam nach nur 18 statt der ursprünglich veranschlagten 24
Prozesstage zu seinem Urteil. Ein Psychiater hatte dem Angeklagten
einen Intelligenzquotienten von 71 attestiert, aber keinen Grund für
eine verminderte Schuldfähigkeit gesehen. Ein IQ von 69 oder
niedriger gilt als geistige Behinderung. 

Issa al Hasan hatte bereits zu Prozessbeginn gestanden, den
Messerangriff begangen zu haben. Der Anschlag von Solingen war der
erste in Deutschland seit der Attacke auf den Berliner
Weihnachtsmarkt 2016, zu dem sich der IS bekannt hatte. 

Beweislage eindeutig 

Vor dem Anschlag hatte der abgelehnte Asylbewerber ein Bekennervideo
aufgenommen und den Treueschwur auf den IS-Kalifen abgelegt. Dem
psychiatrischen Gutachter hatte er sich mit den Worten vorgestellt:
«Ich bin Issa, ich habe drei Leute umgebracht. Da bekommt man 80
Jahre. Ich warte auf den Tod.»

Seine Tat hatte er zunächst als Rache für die Massaker «der
Kreuzzügler» an Muslimen in Bosnien, dem Irak und weiteren Ländern
bezeichnet, ein anderes Mal waren es die toten Kinder im Gazastreifen
und die Waffenlieferungen Deutschlands an Israel, die ihn zu der Tat
getrieben hätten. 

Eigentlich habe er ja einen Brandsatz auf die israelische Botschaft
in Berlin werfen wollen, aber dann habe er in Solingen die
Vorbereitungen zum Stadtfest wahrgenommen. 

Hohes Rückfallrisiko 

Der Psychiater attestierte dem Angeklagten ein hohes Rückfallrisiko.
Zur islamistischen Ideologie komme bei ihm ein Mangel an Empathie und
eine Faszination für Gewalt. 

Nebenklage-Vertreter Simon Rampp hatte gesagt, der Angeklagte habe
friedlich feiernde Besucher des «Festivals der Vielfalt» im Dunkeln
und von hinten mit einem Messer angegriffen. «Mehr Heimtücke geht
nicht.» 

«Solche Leute haben auf der Straße nichts zu suchen», sagte ein
Nebenklage-Vertreter. Die Höchststrafe sei in diesem Fall «das
Mindeste». 

Ein Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags prüft derzeit, wieso die
Abschiebung von Issa al Hasan ins Erstaufnahmeland Bulgarien
scheiterte. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft wird weiter versucht,
die Hintermänner des Anschlags zu ermitteln.

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