Verdächtiger bald frei - Bleibt Maddies Schicksal ungeklärt? Von Christian Brahmann, dpa

Mordverdacht aber keine Anklage: Der Verdächtige im Fall von
Madeleine McCann kommt trotz Warnungen bald aus dem Gefängnis.
Bekommt er in Freiheit Auflagen? Und was könnten diese bewirken?

Braunschweig (dpa) - Wenige Tage vor der geplanten Haftentlassung des
im Fall Maddie Verdächtigen Christian B. weisen deutsche Ermittler
auf mögliche Risiken hin. Weil sie den Mann weiter für gefährlich
hält, will die Staatsanwaltschaft Braunschweig, dass der 48-jährige
Deutsche nach der Freilassung zumindest eine elektronische Fußfessel
trägt. 

Die Strafverfolger haben den mehrmals Vorbestraften im Fall der 2007
aus einer portugiesischen Ferienanlage verschwundenen dreijährigen
Madeleine McCann unter Mordverdacht. Ein Gutachter stufte ihn in «die
absolute Topliga der Gefährlichkeit» ein. Trotzdem kommt er nun frei.
Weshalb? 

Warum endet die Haft noch in diesem Monat? 

«Spätestens am 17. September» hat B. seine langjährige Haftstrafe
abgesessen, zu der ihn das Landgericht Braunschweig im Jahr 2019
wegen Vergewaltigung einer 72-jährigen US-Amerikanerin in Portugal
verurteilt hatte. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft kann er das
Gefängnis in wenigen Tagen verlassen - und ist dann ein freier Mann. 

Das Justizministerium in Hannover verweist auf die eindeutige
Rechtslage, nach der eine Entlassung aus dem Justizvollzug zum
Strafende zwingend erfolgen muss. Das gelte auch im vorliegenden
Fall. Über die Verurteilung wegen Vergewaltigung hinaus liegt bisher
nichts öffentlich Bekanntes gegen den 48-Jährigen vor, was eine
Haftverlängerung rechtfertigen würde. 

Reicht der Mordverdacht nicht aus? 

Nein. Im Fall der verschwundenen Madeleine McCann gibt es weiterhin
nur den Verdacht, dass Christian B. das Mädchen entführt und getötet

hat. Diesen haben die Ermittler öffentlich geäußert. Es gibt jedoch
keine Anklage - und es gilt die Unschuldsvermutung. 

Mit Blick auf die mittlerweile seit mehr als fünf Jahren im Raum
stehenden Verdächtigungen sprach B.s Verteidiger Friedrich Fülscher
schon mehrmals von einer «massiven Vorverurteilungskampagne» gegen
seinen Mandanten. «Hätte ein hinreichender Tatverdacht bestanden, so

wäre längst Anklage erhoben worden», sagte Fülscher der dpa.

Ist die Lage damit eindeutig? 

«Rein rechtlich ja», sagte der psychiatrische Gutachter und
Sexualwissenschaftler Johannes Fuß jüngst im Interview der
«Süddeutschen Zeitung». Nach sieben Jahren Haft sei irgendwann der
letzte Tag im Gefängnis gekommen. 

In so einem Fall könne der Schutz der Allgemeinheit nur durch
Aufsicht und Auflagen durchgesetzt werden, eine vollständige
Sicherheit gebe es aber nicht. «Die Gesellschaft muss die
Unsicherheit aushalten», sagte der Professor der Universität
Duisburg-Essen dem Blatt.

Freiheit trotz der bescheinigten Gefahr?

Die Staatsanwaltschaft verweist hingegen darauf, dass ein
psychiatrischer Gutachter im jüngsten Prozess festgestellt habe, dass
weitere Straftaten - insbesondere Sexualstraftaten - von Christian B.
zu erwarten seien. Die Gefahr bestehe unter anderem, weil B. in der
Haft keine Therapie absolviert habe. 

Seiner Einschätzung nach sei der Mann in «die absolute Topliga der
Gefährlichkeit» einzuordnen, sagte der Arzt im September 2024 in
einem weiteren Prozess gegen B. vor dem Landgericht Braunschweig. Der
Psychiater betonte aber auch, dass er nur eine Verdachtsdiagnose
stellen könne, weil B. nicht bereit gewesen sei, sich mit ihm zu
treffen und mit ihm zu sprechen. 

In dem Prozess in Braunschweig hatte die Staatsanwaltschaft Christian
B. drei Vergewaltigungen und zwei Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs
vorgeworfen, die er zwischen 2000 und 2017 in Portugal begangen haben
soll. Im Oktober 2024 wurde B. nach einem aufwendigen Prozess
freigesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, weil die
Staatsanwaltschaft in Revision ging. Mit einer Entscheidung wird aber
auf keinen Fall vor der bevorstehenden Haftentlassung gerechnet. 

Was versucht die Staatsanwaltschaft?

Zumindest den Versuch, dem Verdächtigen Auflagen zu erteilen,
unternimmt die Staatsanwaltschaft in diesen Tagen noch. Der
48-Jährige soll nach dem Willen der Ermittler nach der Entlassung
eine elektronische Fußfessel tragen, einen festen Wohnsitz wählen
müssen und das Land nicht ohne Zustimmung der Führungsaufsichtsstelle
verlassen dürfen. 

Eine Entscheidung über diesen Antrag steht von der zuständigen
Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Hildesheim noch aus.
Übersetzt heißt das, dass noch unklar ist, welche Regeln nach der
Haftentlassung für B. gelten. 

Wieso steht der Mann im Fall Madeleine derart im Fokus? 

Mit den Ermittlungen gegen B. wird oft auch die Hoffnung auf eine
nicht mehr für möglich gehaltene Klärung des Schicksals des Mädchen
s
verbunden.

Christian B. ist ein mehrmals vorbestrafter Sexualstraftäter, der
Anfang der 2000er in Portugal gelebt haben soll. Die Vergewaltigung
der 72-jährigen US-Amerikanerin im Jahr 2005, für die B. 2019 für
schuldig gesprochen wurde, geschah in dem Ort Praia da Luz. An dem
Ort an der Algarve verschwand auch Madeleine.

Die deutschen Strafverfolger sind überzeugt davon, dass B. das Kind
entführt und getötet hat. «Und zwar allein er», bekräftigte der
Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig, Hans Christian Wolters.

Die Strafverfolger betonen, dass sie bei den jahrelangen Ermittlungen
nichts gefunden haben, was den Tatverdacht entkräften könnte. «Keine

entlastenden Beweise, kein Alibi, keinen Hinweis darauf, dass er
nicht am Tatort gewesen sein könnte», fasste Wolters zusammen.

Warum gibt es dann keine Anklage?

Bisher gebe es offenbar keinerlei tragfähige Indizien, sagt B.s
Verteidiger Fülscher. Die Aussagen der Strafverfolger bezeichnet er
als in höchstem Maße bedenklich. Es sei nicht Aufgabe eines
Beschuldigten, seine Unschuld zu beweisen, sagte der Anwalt. Vielmehr
sei die Staatsanwaltschaft verpflichtet, den Tatnachweis zu führen.
Und ein unabhängiges Gericht davon zu überzeugen. 

Was macht den «Fall Maddie» so besonders? 

Kurz nach dem Verschwinden des Mädchens im Jahr 2007 zog ein
Mediensturm über den beschaulichen Urlaubsort Praia da Luz. Eine
professionelle PR-Maschinerie sollte verhindern, dass das Mädchen aus
der öffentlichen Wahrnehmung verschwindet. 

Vor allem die britischen Boulevardmedien stürzen sich auf den Fall,
der schnell auch weltweit Interesse auslöste, wie selten ein
Vermisstenfall zuvor. Der Papst empfing die Eltern, und die
Ermittlungen der britischen Polizei kosteten umgerechnet längst mehr
als 15 Millionen Euro. 

Völlig überraschend informierten Ermittler im Jahr 2020 in einem
TV-Beitrag darüber, dass es einen deutschen Verdächtigen gibt. Nach
mehr als einem Jahrzehnt der Ungewissheit dauerte es nur wenige
Stunden, bis das internationale Interesse wieder aufflammte. Und
besonders die britische Öffentlichkeit lässt der Fall bis heute nicht
los: Es vergeht kaum eine Woche, in der Boulevardmedien nicht neue
Maddie-Schlagzeilen produzieren - gerade jetzt, kurz vor der
bevorstehenden Freilassung des Verdächtigen.

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