Angeklagter Anästhesist weist Schuld in Gift-Prozess zurück Von Michael Evers, dpa

Ein Anästhesist steht in Frankreich vor Gericht: Er soll 30 Patienten
vergiftet und dabei 12 getötet haben. Der Angeklagte bestreitet jede
Schuld und spricht von einem Komplott.

Besançon (dpa) - Als eine 36-jährige Mutter 2017 bei einer
Routineoperation in Ostfrankreich einen Herzstillstand erleidet, nur
mit Mühe wiederbelebt wird und tagelang im künstlichen Koma liegt,
ergibt sich nach der Untersuchung des OP-Materials ein schwerer
Verdacht. Einer der verwendeten Infusionsbeutel ist durchstochen
worden und darin befindet sich eine hundertfach erhöhte und
lebensbedrohliche Dosis an Kalium. 

Als die Ermittlungen ausgeweitet werden, kommen zahlreiche ähnliche
Fälle potenzieller Vergiftungen ans Tageslicht. Und ein an der Klinik
tätiger Anästhesie-Arzt wird unter Tatverdacht festgenommen.

Gegen den 53 Jahre alten Arzt hat vor dem Schwurgericht im
ostfranzösischen Besançon nun der Prozess begonnen. Nach achtjährigen

Ermittlungen ist der Mediziner angeklagt, 30 Patienten vergiftet und
12 davon getötet zu haben. 

Der Angeklagte soll als Anästhesist zwischen 2008 und 2017 an zwei
Privatkliniken Patienten im Alter zwischen 4 und 89 Jahren
vorsätzlich hoch dosierte Giftstoffe verabreicht und damit jeweils
einen Herzstillstand ausgelöst haben. 12 der Patienten starben. In 23
der Fälle soll der Angeklagte versucht habe, die Patienten
wiederzubeleben.

Angeklagter beteuert Unschuld

Vor Gericht bekommt der Angeklagte am Ende des ersten
Verhandlungstages die Möglichkeit, sich erstmals kurz zu den zuvor
während mehrerer Stunden detailliert vorgetragenen Vorwürfen zu
äußern. «Ich weise alle Vorwürfe zurück. Ich habe niemals jemande
n
vergiftet, ich habe niemals die Infusionsbeutel vergiftet, ich bin
unschuldig», sagt der Mediziner Frédéric Péchier, wie die Zeitung
«L'Est Républicain» aus dem Gerichtssaal berichtet.

Als die Ermittlungen 2017 ins Rollen kamen, untersuchten die
Ermittler zahlreiche Fälle in der Vergangenheit von Herzstillständen
bei alltäglichen Operationen von eigentlich kerngesunden Menschen -
und stießen immer wieder auf Spuren hoch dosierter Medikamente und
Stoffe, die in den Infusionen der Patienten nichts zu suchen hatten.
So starb ein 53-Jähriger bei einer Nieren-OP und eine 50-Jährige bei
einem Eingriff an der Schulter. Vier tote Patienten wurden sogar
exhumiert und Giftstoffe nachgewiesen. 

Tödliche Rivalität unter Ärzten?

Als Motiv vermuten die Ermittler, dass der Anästhesist gezielt
Patienten von Ärzten in Lebensgefahr brachte oder tötete, mit denen
er in einen persönlichen Streit oder in eine Rivalität verwickelt
war. Auf diese Weise habe er ihrem Ruf schaden und sie diskreditieren
wollen. 

Der Angeklagte selbst hat sich als Opfer eines Komplotts anderer
Mediziner dargestellt, hinter dem ein mit ihm verfeindeter Arzt
stecken soll. Wie er zu Prozessbeginn dem Sender RTL sagte, habe es
während seiner Zeit an der Klinik 70 Fälle von Herzstillständen bei
Operationen gegeben - die Justiz habe sich aber nur mit den Fällen
beschäftigt, die einen Bezug zu ihm hätten.

«Es gibt nichts Vergleichbares in der französischen Justizgeschichte.
Die Anklagepunkte gegen den Beschuldigten sind außergewöhnlich»,
sagte Etienne Manteaux, bis vor kurzem Staatsanwalt in Besançon, wie
«L'Est Républicain» berichtete. «Um es klar zu sagen: Das hat nicht
s
mit Sterbehilfe zu tun. Frédéric P. wird vorgeworfen, meist gesunde
Patienten vergiftet zu haben, um Kollegen zu schaden, mit denen er
Streitigkeiten hatte.»

Angeklagtem droht lebenslange Haft

Dem Angeklagten, der seit Beginn der Ermittlungen nicht mehr als Arzt
arbeiten darf, aber bis zum Start des Prozesses unter Justizaufsicht
in Freiheit blieb, droht im Falle eines Schuldspruchs lebenslange
Haft. Ein endgültiger Beweis in diesem Fall existiere nicht,
analysierte die Zeitung. Die Anklage stütze sich vielmehr auf eine
Reihe «schwerwiegender und übereinstimmender» Elemente, die für ein

Schwurgerichtsverfahren ausreichten. 

Bei dem für Frankreich bislang beispiellosen Prozess gibt es 156
Nebenkläger, die von 54 Anwälten vertreten werden. 155 Zeugen und 15
Experten sind geladen. Das Verfahren läuft bis zum 19. Dezember 2025.

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