Corona-Aufarbeitung im Bundestag - wie läuft das? Von Sascha Meyer und Katharina Kausche, dpa
Das Eindämmen der Pandemie mit Schließungen und Masken war ein harter
Einschnitt - mit Nachwirkungen bis heute. Nach viel Gezerre beginnt
eine breite Analyse im Parlament. Kann das Gräben überbrücken?
Berlin (dpa) - Die letzten bundesweiten Corona-Beschränkungen liefen
vor zweieinhalb Jahren aus. Jetzt nimmt sich der Bundestag eine
umfassende Aufarbeitung der Pandemie und ihrer Folgen vor. Angehen
soll das eine Enquete-Kommission, die in Berlin zu ihrer
konstituierenden Sitzung zusammenkam. Das Parlament hatte die
Einsetzung vor der Sommerpause mit breiter Mehrheit beschlossen. Das
Gremium mit Abgeordneten und Experten soll Mitte 2027 einen Bericht
vorlegen. Kann eine sachliche Analyse gelingen?
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) sagte vor der
Auftaktsitzung, die Aufarbeitung solle gründlich, transparent und
selbstkritisch sein. Sie sei «auch eine Chance, wieder zu einer
gesellschaftlichen Versöhnung zu kommen». Die Vorsitzende des
Gremiums, Franziska Hoppermann (CDU), sagte der dpa: «Wir wollen
verstehen, nicht verurteilen.» Bundespräsident Frank-Walter
Steinmeier hatte bereits zuvor formuliert: «Aufarbeitung schafft die
Chance, Menschen zurückzugewinnen, die Vertrauen in die Demokratie
verloren haben.»
Warum kommt jetzt eine große Aufarbeitung?
In der vorigen Wahlperiode, gleich nach der akuten Krise, kam eine
Auswertung der Schutzmaßnahmen mit Masken, Tests und Schließungen auf
Bundesebene nicht zustande. Diskutiert wurde auch über einen
Bürgerrat, die Ampel-Koalition einigte sich aber nicht. Das neue
Bündnis aus Union und SPD vereinbarte dann eine Enquete-Kommission.
Der Einsetzung stimmten im Juli im Bundestag auch Grüne und Linke zu.
Bei der AfD gab es Nein-Stimmen und Enthaltungen.
Was ist das große Untersuchungsziel?
Trotz vieler Untersuchungen etwa auch in den Bundesländern hätten
viele den Eindruck, die Pandemie sei noch nicht ausreichend
aufgearbeitet, heißt es im Einsetzungsantrag. Eine umfassende,
wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung auch des staatlichen und
gesellschaftlichen Handelns sei aber unerlässlich, um belastbare
Schlussfolgerungen zu ziehen. Leitend solle dabei sein, «dass alle
Maßnahmen und Entscheidungen immer nur vor dem Hintergrund des
Informationsstands zum betreffenden Zeitpunkt bewertet werden
können».
Was ist eine Enquete-Kommission?
Das französische Wort «enquête» bedeutet Untersuchung. Im Bundestag
sind Enquete-Kommissionen ein Format für große, komplexe Themen, und
es gab schon einige - etwa zur künstlichen Intelligenz oder zu Lehren
aus dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Die neue Kommission
heißt: «Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige
pandemische Ereignisse». Die Pandemie habe Bürger, Zivilgesellschaft,
Institutionen, Unternehmen, Kunst und Kultur von 2019 bis 2023 mit
Herausforderungen «von historischer und seit dem Zweiten Weltkrieg
nicht gekannter Tragweite» konfrontiert, heißt es im Antrag.
Wie ist die Zusammensetzung?
Neben 14 Abgeordneten gehören der Kommission 14 Sachverständige an.
Die Union schickt fünf Abgeordnete, AfD und SPD schicken je drei, die
Grünen zwei, die Linke stellt einen Abgeordneten. Bei den Experten,
die auch nach diesem Schlüssel benannt werden konnten, sollte auf
eine ausgewogene Vertretung von Wissenschaftsdisziplinen und
Gesellschaftsbereichen geachtet werden. Darunter sind mehrere
Professoren und für die Perspektive der Länder der zur Corona-Zeit
amtierende Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller.
Und was soll konkret untersucht werden?
Beleuchtet werden soll eine Reihe von Aspekten: Die Früherkennung mit
Pandemieplänen und Vorsorge; das Krisenmanagement mit den
Bund-Länder-Runden der Ministerpräsidentenkonferenz, Krisenstäben und
der Einbindung wissenschaftlicher Expertise; der rechtliche Rahmen
und die parlamentarische Kontrolle; die Maßnahmen gegen die
Virus-Ausbreitung mit Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, Ältere
und Sterbende. Und außerdem Impfungen und das Beschaffen von
Schutzausrüstung wie Masken und Tests; Hilfen für Firmen und den
Arbeitsmarkt; Folgen für Kultur, Tourismus, Ehrenamtler und Vereine.
Wie sieht die Arbeitsweise aus?
Die Kommission soll am 22. September das nächste Mal zusammenkommen,
wie Hoppermann sagte. Getagt werden soll im Grundsatz einmal im
Monat, es gibt nicht-öffentliche und öffentliche Sitzungen. Zu einer
Anhörung sollen bald Vertreter ähnlicher Kommissionen und Ausschüsse
aus den Ländern eingeladen werden. Perspektiven und Erfahrungen von
Bürgern könnten «insbesondere durch öffentliche Formate einbezogen
werden», heißt es im Einsetzungsantrag. Eine «altersgerechte
Befragung» von Kindern und Jugendlichen ist möglich.
Wann kommt der Abschlussbericht?
Die Kommission soll dem Bundestag bis zum 30. Juni 2027 einen
umfassenden Abschlussbericht mit Erkenntnissen und
Handlungsempfehlungen vorlegen. Es kann auch Zwischenberichte zu
abgeschlossenen Aspekten geben, was eine frühere parlamentarische und
politische Befassung ermöglichen soll. Mitglieder der Kommission
können Sondervoten abgeben. Am Ende veröffentlicht werden sollen
Protokolle der Sitzungen, wenn das Gremium nicht-öffentlich getagt
hat.
Warum gibt es keinen Untersuchungsausschuss?
Grüne und Linke tragen die Enquete-Kommission mit, auch wenn sie
daneben einen Untersuchungsausschuss zu umstrittenen Maskenkäufen des
damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) zu Beginn der
Pandemie wollen. Die beiden Oppositionsfraktionen haben dafür aber
allein nicht genug Stimmen und riefen die schwarz-rote Koalition
vergeblich zu Unterstützung auf. Die AfD forderte einen U-Ausschuss
für eine «schonungslose» Aufarbeitung der ganzen Corona-Zeit. Grüne
und Linke lehnen ein gemeinsames Vorgehen aber strikt ab.
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