Schwere Erkrankungen halbieren? - Studie sucht Jugendliche
Etwa jeder vierte Jugendliche in Deutschland hat psychische Probleme.
Warum frühe Behandlung den Unterschied machen kann und wie eine neue
Studie aus Berlin das Thema anpacken will.
Berlin (dpa/bb) - Drei von vier psychischen Erkrankungen zeigen sich
schon vor dem 25. Lebensjahr. Trotzdem warten junge Menschen zum Teil
lange, bis sie sich Hilfe suchen - oft zu lange, warnt der Psychiater
Andreas Bechdolf, Chefarzt am Vivantes Klinikum am Urban und
Professor an der Charité. Dabei kann eine frühe Behandlung
entscheidend sein. Genau das will Bechdolf nun in einer vierjährigen
Studie belegen.
Das ist aber nicht das einzige Ziel der Studie, die ein Projekt des
neuen Einstein Center for Youth Mental Health (ECYM) in Berlin ist.
Es sollen auch neue Therapien und Versorgungsmodelle erprobt werden.
Gemeinsam mit sechs weiteren Berliner Institutionen will der
Psychiater rund 950 Jugendliche über vier Jahre begleiten. Angeboten
wird die Begleitung und die spezielle Psychotherapie für Menschen
zwischen 12 und 25 Jahren, die erste Symptome einer
emotional-instabilen, psychotischen oder bipolaren Störung haben. Im
Frühjahr 2026 soll es losgehen.
Frühe Behandlung kann Risiko halbieren
«Wir wollen zeigen, dass es bei der Hälfte der Betroffenen nicht zu
einem schweren Krankheitsverlauf kommt, wenn wir früh genug
behandeln», sagt der Psychiater der Deutschen Presse-Agentur. Andere
Studien hätten das für Psychosen bereits bewiesen. Eine
Psychotherapie sei wesentlich wirksamer, wenn Symptome noch nicht so
ausgeprägt seien, erklärt Bechdolf.
Erste Anzeichen für eine psychische Krise sind vielfältig. Merkmale
können etwa Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, ein Rückzug aus
dem sozialen Leben oder Misstrauen gegenüber anderen sein.
Wichtig sei, die Jugendlichen rechtzeitig zu erreichen - keine
leichte Aufgabe. «Das Hauptproblem ist, dass es an Anlaufstellen
mangelt.» Jugendliche bräuchten andere Angebote als Erwachsene. Sie
hätten weniger Erfahrung mit Krisen als Ältere, außerdem sei der Gang
zum Hausarzt für viele eine Hürde. Auch Angst vor Stigmatisierung
spiele eine Rolle. Es brauche daher niedrigschwellige
jugendfreundliche Angebote.
Jeder vierte Jugendliche mit psychischen Problemen
Als Vorzeigebeispiel nennt der Psychiater die Berliner Einrichtung
«Soulspace». Sie bietet jungen Menschen in Krisen ein offenes Angebot
ohne lange Wartezeiten, auf Wunsch anonym. In der Einrichtung
arbeiten Sozialarbeiter, Psychologinnen und Psychiater, zusätzlich
gibt es Austauschmöglichkeiten mit Betroffenen. Jugendliche können
auch ohne Termin vorbeikommen und müssen erstmal keine
Krankenkassenkarte vorzeigen. Auch Job- und Schulcoachings werden
angeboten. Die Angebote richten sich an junge Menschen im Alter
zwischen 15 und 35 Jahren.
Diese Art der Einrichtung ist nach Angaben von Bechdolf
deutschlandweit einzigartig. «Es wird so gut angenommen, dass wir
völlig überlaufen sind.» Eigentlich gebe es in Berlin den Bedarf fü
r
mindestens sechs solcher Einrichtungen. Etwa jeder vierte Jugendliche
in Deutschland hat dem Psychiater zufolge psychische Probleme.
Wahrscheinlich seien es sogar mehr.
Fachkonferenz in Berlin
Vom 8. bis 10. September findet in Berlin die 15. Internationale
Konferenz zur Früherkennung und Prävention psychischer Erkrankungen
statt. Fachleute aus aller Welt diskutieren neueste
Forschungsergebnisse, Interventionen und Präventionsstrategien.
Bechdolf ist einer der Kongress-Verantwortlichen.
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