Corona-Aufarbeitung im Bundestag - wie soll das gehen? Von Sascha Meyer, dpa

Das Eindämmen der Pandemie mit Schließungen und Masken war ein harter
Einschnitt - mit Nachwirkungen bis heute. Nach viel Gezerre beginnt
eine breite Analyse im Parlament. Kann das Gräben überbrücken?

Berlin (dpa) - Die letzten bundesweiten Corona-Beschränkungen liefen
vor zweieinhalb Jahren aus. Jetzt nimmt sich der Bundestag eine
umfassende Aufarbeitung der Pandemie und ihrer Folgen vor. Angehen
soll das eine Enquete-Kommission, die heute zu ihrer konstituierenden
Sitzung zusammenkommt. Das Parlament hatte die Einsetzung vor der
Sommerpause mit breiter Mehrheit beschlossen. Das Gremium mit
Abgeordneten und Experten soll Mitte 2027 einen Bericht vorlegen.
Kann eine sachliche Analyse gelingen?

Am Auftakt nimmt auch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU)
teil. Die designierte Vorsitzende der Kommission, die CDU-Abgeordnete
Franziska Hoppermann, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wir wollen
Entscheidungen und Prozesse kritisch hinterfragen, die im Lichte der
Zeit womöglich Sinn ergaben, sowie Fehler identifizieren. Wir wollen
aber auch schauen, was gut war.» Dabei gelte: «Wir wollen verstehen,
nicht verurteilen.» Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte
bereits zuvor formuliert: «Aufarbeitung schafft die Chance, Menschen
zurückzugewinnen, die Vertrauen in die Demokratie verloren haben.»

Warum kommt jetzt eine große Aufarbeitung?

In der vorigen Wahlperiode, gleich nach der akuten Krise, kam eine
Auswertung der Schutzmaßnahmen mit Masken, Tests und Schließungen auf
Bundesebene nicht zustande. Diskutiert wurde auch über einen
Bürgerrat, die Ampel-Koalition einigte sich aber nicht. Das neue
Bündnis aus Union und SPD vereinbarte dann eine Enquete-Kommission.
Der Einsetzung stimmten im Juli im Bundestag auch Grüne und Linke zu.
Bei der AfD gab es Nein-Stimmen und Enthaltungen.

Was ist das große Untersuchungsziel?

Trotz vieler Untersuchungen etwa auch in den Bundesländern hätten
viele den Eindruck, die Pandemie sei noch nicht ausreichend
aufgearbeitet, heißt es im Einsetzungsantrag. Eine umfassende,
wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung auch des staatlichen und
gesellschaftlichen Handelns sei aber unerlässlich, um belastbare
Schlussfolgerungen zu ziehen. Leitend solle dabei sein, «dass alle
Maßnahmen und Entscheidungen immer nur vor dem Hintergrund des
Informationsstands zum betreffenden Zeitpunkt bewertet werden
können». 

Was ist eine Enquete-Kommission?

Das französische Wort «enquête» bedeutet Untersuchung. Im Bundestag

sind Enquete-Kommissionen ein Format für große, komplexe Themen, und
es gab schon einige - etwa zur künstlichen Intelligenz oder zu Lehren
aus dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Die neue Kommission
heißt: «Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige

pandemische Ereignisse». Die Pandemie habe Bürger, Zivilgesellschaft,
Institutionen, Unternehmen, Kunst und Kultur von 2019 bis 2023 mit
Herausforderungen «von historischer und seit dem Zweiten Weltkrieg
nicht gekannter Tragweite» konfrontiert, heißt es im Antrag.

Wie ist die Zusammensetzung?

Neben 14 Abgeordneten sollen der Kommission 14 Sachverständige
angehören. Die Union schickt fünf Abgeordnete, AfD und SPD schicken
je drei, die Grünen zwei, die Linke stellt einen Abgeordneten. Bei
den Experten soll auf eine Beteiligung der Länder und Kommunen und
eine ausgewogene Vertretung von Wissenschaftsdisziplinen und
Gesellschaftsbereichen geachtet werden.

Und was soll konkret untersucht werden?

Beleuchtet werden soll eine Reihe von Aspekten: Die Früherkennung mit
Pandemieplänen und Vorsorge; das Krisenmanagement mit den
Bund-Länder-Runden der Ministerpräsidentenkonferenz, Krisenstäben und

der Einbindung wissenschaftlicher Expertise; der rechtliche Rahmen
und die parlamentarische Kontrolle; die Maßnahmen gegen die
Virus-Ausbreitung mit Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, Ältere
und Sterbende. Und außerdem Impfungen und das Beschaffen von
Schutzausrüstung wie Masken und Tests; Hilfen für Firmen und den
Arbeitsmarkt; Folgen für Kultur, Tourismus, Ehrenamtler und Vereine.

Wie sieht die Arbeitsweise aus?

Die Kommission tritt zunächst nicht-öffentlich zusammen. Prinzipiell
soll sie auch öffentliche Anhörungen von Experten,
Interessenvertretern und Betroffenen abhalten und Gutachten einholen
können. Perspektiven und Erfahrungen von Bürgern könnten
«insbesondere durch öffentliche Formate einbezogen werden», heißt e
s
im Antrag. Auch eine «altersgerechte Befragung» von Kindern und
Jugendlichen ist möglich. Die «laufende Erkenntnisgewinnung» und
Ergebnisse sollen der Öffentlichkeit in geeigneter Form zugänglich
gemacht werden - mit Berücksichtigung besonders schutzbedürftiger
Informationen.

Wann kommt der Abschlussbericht?

Die Kommission soll dem Bundestag bis zum 30. Juni 2027 einen
umfassenden Abschlussbericht mit Erkenntnissen und
Handlungsempfehlungen vorlegen. Es kann auch Zwischenberichte zu
abgeschlossenen Aspekten geben, was eine frühere parlamentarische und
politische Befassung ermöglichen soll. Mitglieder der Kommission
können Sondervoten abgeben. Am Ende veröffentlicht werden sollen
Protokolle der Sitzungen, wenn das Gremium nicht-öffentlich getagt
hat.

Warum gibt es keinen Untersuchungsausschuss?

Grüne und Linke tragen die Enquete-Kommission mit, auch wenn sie
daneben einen Untersuchungsausschuss zu umstrittenen Maskenkäufen des
damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) zu Beginn der
Pandemie wollen. Die beiden Oppositionsfraktionen haben dafür aber
allein nicht genug Stimmen und riefen die schwarz-rote Koalition
vergeblich zu Unterstützung auf. Die AfD forderte einen U-Ausschuss
für eine «schonungslose» Aufarbeitung der ganzen Corona-Zeit. Grüne

und Linke lehnen ein gemeinsames Vorgehen aber strikt ab.

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