Bürokratieabbau und «Aktivrente»: Was die Koalition plant Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa

Wie will die Koalition die Wirtschaft stärken, Rente und
Krankenversicherung stabilisieren? Vorschläge zu Bürokratieabbau,
«Aktivrente» und Sozialstaatsreform bieten reichlich
Diskussionsstoff.

Berlin (dpa) - Die schwarz-rote Koalition hat einen Herbst der
Reformen ausgerufen. Wie die verschiedenen Vorschläge, die dazu in
diesen Tagen von CDU, CSU und SPD kommen, zu einem Gesamtkonzept
werden sollen, muss sich erst noch erweisen. 

Die Zeit drängt. Denn die deutsche Wirtschaft steckt in einer
Dauerkrise. In den vergangenen beiden Jahren ist Europas größte
Volkswirtschaft geschrumpft. Die Zahl der Arbeitslosen steigt und
liegt aktuell bei 6,4 Prozent. Gleichzeitig bleiben viele Stellen
unbesetzt. 2026 erwarten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute
ein Mini-Wachstum zwischen 0,8 und 1,3 Prozent. Finanzierungsprobleme
führen zu einer Debatte über notwendige Reformen des Sozialstaats, zu
denen im Koalitionsvertrag nur wenig Konkretes zu finden ist. 

 

* CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann will ein Signal an
Unternehmen senden und an Menschen, die überlegen, eines zu gründen.
«Die Bürokratie hat in Deutschland ein Übermaß angenommen, dass vie
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Menschen keinen Bock mehr haben, sich selbstständig zu machen», sagt
er im Interview der «Bild am Sonntag». Das verhindere die Entstehung
von Arbeitsplätzen. Er kündigt an: «Das Kabinett macht jetzt im
Herbst eine Sitzung, in der nur Bürokratie abgebaut wird.» Der
frühere Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat den
Bürokratieabbau oft als «Konjunkturprogramm zum Nulltarif»
bezeichnet. Das macht vielleicht auch jetzt - angesichts einer
30-Milliarden-Lücke im Haushalt 2027 - seinen besonderen Charme aus.
* Aus dem Haus von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) soll bald ein
Entwurf für die sogenannte Aktivrente kommen, auf deren Einführung
zum 1. Januar 2026 sich die Koalition geeinigt hat. Ziel des
Vorhabens ist es, Rentnerinnen und Rentner durch einen steuerlichen
Vorteil zu motivieren, im Rentenalter weiterzuarbeiten. Nicht alle
sind überzeugt. «Die Politik drückt auf Gas und Bremse zugleich»,
sagte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes BDA, Steffen
Kampeter, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Einerseits solle
die «Aktivrente» längeres Arbeiten fördern, gleichzeitig belohne di
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abschlagsfreie Frühverrentung aber den vorzeitigen Ausstieg. Anja
Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) sagte
dem RND: «Die Regelung kostet Milliarden, löst aber keins der
vorhandenen Probleme.»
* Die SPD würde Gutverdienende gerne stärker besteuern. Die Union
verweist hier auf den Koalitionsvertrag, wo davon nicht die Rede ist.
Kanzleramtsminister Thorsten Frei warnt in der «Rheinischen Post»
davor und verweist auf mittelständische Unternehmen. «Die Debatte
über eine höhere Einkommensteuer am oberen Ende ist eine verkürzte
Debatte. Sie vermittelt den Eindruck, als ginge es da nur um reiche
Privatpersonen», sagt der CDU-Politiker. Und fügt hinzu: «Etwa drei
Viertel aller deutschen Unternehmen zahlen als Personengesellschaften
Einkommensteuer. Wenn wir etwas nicht brauchen, dann ist es,
wirtschaftliche Tätigkeit stärker zu besteuern.»

* In der allgemeinen Rentenversicherung soll die
Beitragsbemessungsgrenze laut einem Verordnungsentwurf aus dem
Bundesarbeitsministerium von derzeit 8.050 Euro im Monat ab dem 1.
Januar auf 8.450 Euro steigen. In der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) soll die Beitragsbemessungsgrenze demnach
ebenfalls steigen - von monatlich 5.512,50 Euro in diesem Jahr auf
5.812,50 Euro im kommenden Jahr. Da der Betrag, bis zu dem Beiträge
erhoben werden, an die Lohnentwicklung gekoppelt ist, gibt es, wie
der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft
Deutschland, Dennis Radtke (CDU), einräumt, «in der Sache wenig
Gestaltungsspielraum». Im Gespräch mit dem «Tagesspiegel» fügt er

jedoch hinzu: «Das Dilemma ist: Parallel zur Anhebung der
Bemessungsgrenze zeichnet sich die Erhöhung der Zusatzbeiträge in der
GKV ab.» Somit würden viele Beschäftigte gleich doppelt getroffen
statt endlich entlastet.
* Anfang des Monats hat sich eine Kommission zur Sozialstaatsreform
konstituiert, die bis zum Jahresende Vorschläge zur Modernisierung
und Entbürokratisierung des Sozialstaats erarbeiten soll. Ihr gehören
Vertreter von Bund, Länder und Kommunen an. Dabei liegt der Fokus
aber nicht auf Leistungen, die aus Beiträgen finanziert werden,
sondern auf steuerfinanzierten Leistungen wie etwa Wohngeld oder
Kinderzuschlag. Aus Sicht von Grünen-Chefin Franziska Brantner liegen
dafür schon fertige Vorschläge des unabhängigen Normenkontrollrats
(NKR) auf dem Tisch. Der NKR hatte kurz vor der Bundestagswahl im
Februar erklärt, große Fortschritte könnten beispielsweise durch mehr

Digitalisierung, Automatisierung und Bündelung bei der Bearbeitung
von Sozialleistungen erzielt werden. Hier sollten vorhandene Daten
zwischen den Behörden von Bund, Ländern und Kommunen digital
ausgetauscht werden. Die einzelnen Leistungen könnten ebenso
gebündelt werden wie die Zuständigkeit dafür.

* Nach dem öffentlichen Streit um die geplante Reform des
Bürgergelds, das durch eine neue Grundsicherung ersetzt werden soll,
warten nun alle gespannt auf einen entsprechenden Entwurf von Bas.
Dabei geht auch um die Frage, wie Menschen wieder in Arbeit gebracht
werden können und welche Sanktionen denjenigen drohen, die sich
weigern, eine zumutbare Tätigkeit aufzunehmen.

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