Mehr Gewalt auf offener Straße - Charité zieht Bilanz

Rechtsmediziner obduzieren nicht nur Tote. Sie dokumentieren auch
Spuren von Gewalt. Oft spielt sich diese hinter verschlossenen Türen
ab. Aber auch auf der Straße nimmt die Gewalt zu.

Berlin (dpa/bb) - Geschlagen, getreten, gewürgt: 298 Betroffene von
körperlicher Gewalt haben ihre Verletzungen im ersten Halbjahr von
Gerichtsmedizinern vertraulich und kostenlos dokumentieren lassen.
Meist suchten Frauen oder Mädchen (197) Hilfe bei der
Gewaltschutzambulanz der Charité, wie die Senatsjustizverwaltung auf
Anfrage mitteilte. Aber auch 100 Männer und Jungen kamen. Insgesamt
haben sich bis zum 30. Juni 749 Menschen an die Einrichtung gewandt. 

Damit zeichnet sich eine vergleichbare Entwicklung wie in den
Vorjahren ab. Im Gesamtjahr 2024 wurden nach den Angaben 643
Betroffenen (2023: 605) von den Experten untersucht. Insgesamt beriet
die Gewaltschutzambulanz in 1.594 Fällen (2023: 1.719). 

«Das ist natürlich nur das Hellfeld», betonte Rechtsmedizinerin
Larissa Amadasi. «Im Zweifel ist damit zu rechnen, dass die, die es
besonders schwer trifft, verloren gehen - weil sie gar nicht die
Möglichkeit haben, sich bei uns zu melden», sagte Amadasi der
Deutschen Presse-Agentur. 

Hemmschwelle sinkt 

Auffällig sei die Form der Gewalt. Ohne dies statistisch belegen zu
können, sei zu beobachten, dass die Aggression in der Gesellschaft
zunehme. «Wir haben viele Personen, die angeben, von Unbekannten
massiv angegangen, regelrecht verprügelt worden zu sein», schilderte
die Ärztin. «Die Gewalt auf offener Straße nimmt zu. Man hat das
Gefühl, dass die Hemmschwelle niedriger ist.»

Positiv ist aus Sicht der Gewaltschutzambulanz, dass zunehmend
weniger Termine storniert werden. Im ersten Halbjahr 2025 kamen 47
Menschen doch nicht zu dem vereinbarten Gespräch, im Gesamtjahr 2024
waren es 137 - und im Jahr zuvor sogar 154. «Die Entwicklung freut
uns sehr», so Amadasi.

Erfreulich sei auch die Entwicklung im Bereich der Beratung von
Kinderärzten, Allgemeinmedizinern und Kinderschutzambulanzen sowie
weiteren Stellen, die in irgendeiner Weise mit Gewaltopfern zu tun
haben können. Nach Einschätzung von Amadasi sind diese sicherer in
der Einschätzung von Fällen geworden. «Sie rufen nicht mehr wegen
jedem kleinen Hämatom an, weil sie unsicher sind, ob sie einen
Kinderschutzfall melden müssen und das Jugendamt einschalten müssen.»


Ambulanz bietet Schulungen an

Die Gewaltschutzambulanz wertet dies als einen Erfolg ihrer
regelmäßigen Schulungen. Im vergangenen Jahr seien insgesamt knapp
1.600 Menschen im Rahmen von 74 Veranstaltungen weitergebildet
worden, schilderte die Rechtsmedizinerin. Der Schwerpunkt liege dabei
auf den Themen häusliche Gewalt und Kindesmisshandlung. 

Die Ambulanz unterstützt Betroffene auch bei der Kontaktherstellung
zu Betroffenenberatungen, Ärzten oder zur Polizei. 372 Mal war dies
bis zum 30. Juni der Fall, wie es hieß. Im Gesamtjahr 2024 war das in
754 Fällen demnach so. «Wir versuchen den Betroffenen, die zu uns
kommen, maximale Hilfe anzubieten», sagte Amadasi. Damit eine
Untersuchung in der Ambulanz erfolgen könne, dürfe die Gewalttat
jedoch nicht zu lange zurückliegen: «Wir müssen etwas haben, was wir

fotografisch dokumentieren können.» 

Kostenlose Dokumentation von Verletzungen

Die Ambulanz wurde 2014 gegründet und wird von der Justizverwaltung
seitdem finanziell unterstützt. Opfer können dort ihre Verletzungen
von Gerichtsmedizinern vertraulich und kostenlos dokumentieren
lassen. Behandelt oder weiter betreut werden sie dort aber nicht.

Betroffene müssen nicht sofort entscheiden, ob sie Anzeige erstatten.
Die Dokumentation zählt aber bei einer Verhandlung vor Gericht.
Betroffene werden häufig von der Polizei, dem Jugendamt, von Ärzten
und Beratungsstellen geschickt, einige kommen aber auch aus eigenem
Antrieb.

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