Ein Plan fürs zweite Halbjahr: Fünf Baustellen der Koalition Von Theresa Münch und Basil Wegener, dpa

Viel Erholung gab es nicht für Union und SPD im Sommer. Im
Koalitionsausschuss will man in den Arbeitsmodus zurückfinden.

Berlin (dpa) - «Bullshit»-Vorwürfe hier, eiserne Sparvorgaben da: Das

Klima in der schwarz-roten Koalition ist angespannt - und das, obwohl
Union und SPD die Sommerpause eigentlich nutzen wollten, um die
erhitzten Gemüter abkühlen zu lassen. Im Kanzleramt in Berlin treffen
sich die Koalitionsspitzen heute, um sich zusammenzuraufen und einen
neuen Anlauf für ihre Vorhaben im Herbst zu nehmen. Die Aufwärmphase
von 100 Tagen ist vorbei, jetzt müssen die Regierungspartner
beweisen, dass sie Versprochenes auch halten können.

Beim ersten Koalitionsausschuss im Mai hatte Schwarz-Rot ein
Sofortprogramm mit mehr als einem Dutzend Maßnahmen beschlossen. «Es
geht jetzt Schlag auf Schlag», versprach Bundeskanzler Friedrich Merz
(CDU) damals. Große Teile, wie steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten
und Maßnahmen gegen überbordende Bürokratie, sollten schon vor den
Sommerferien umgesetzt sein. Jetzt wollen die Partner Bilanz ziehen,
ob das gelungen ist - und das Arbeitsprogramm für die zweite
Jahreshälfte festzurren. 

Neu dabei: Eine Lücke im hohen Milliardenbereich in der
Finanzplanung, die beim Schreiben des Koalitionsvertrags noch nicht
einberechnet war. Sie stellt viel Beschlossenes plötzlich wieder
infrage - und sie offenbart, dass Union und SPD bei einigen Themen
ganz unterschiedliche politische Ziele verfolgen.

Finanzierungslücke

Die Bundeshaushalte für 2025 und 2026 hat Finanzminister Lars
Klingbeil (SPD) einigermaßen geräuschlos auf die Beine gestellt. Doch
in der Etatplanung für 2027 klafft ein 30 Milliarden Euro großes
Loch. Keine Bundesregierung hat eine solche Finanzierungslücke jemals
erfolgreich gestopft. 

Auch Schwarz-Rot wird das durch Kürzungen und das erhoffte
Wirtschaftswachstum allein kaum gelingen. Nötig sind nun teils wohl
auch schmerzhafte Entscheidungen zum Beispiel zu Subventionen, zu
Förderprogrammen und im Sozial- und Steuersystem. Aktuell drohen
Maßnahmen wie eine höhere Pendlerpauschale und Förderung für
Agrardiesel zusätzliche Löcher in den Etat zu reißen, die man sich
eigentlich nicht leisten kann. 

Hinter den Kulissen wird laut kritisiert, dass nicht alle in der
Koalition gleichermaßen bereit seien, einen Beitrag zum Sparen und
Reformieren zu leisten. Beim Koalitionsausschuss müsse man sich das
in die Hand versprechen, heißt es. 

Sozialreformen

Das Sozialsystem mit Rente, Kranken- und Pflegeversicherung,
Bürgergeld und anderen Leistungen droht wegen der Konjunkturschwäche
und der demografischen Entwicklung für die Beitragszahler immer
teurer zu werden. Zwischen Union und SPD kochte zuletzt eine
Grundsatzdebatte über die Kosten für den Sozialstaat hoch: Man könne

sich das nicht mehr leisten, argumentiert die Union,
Arbeitsministerin Bärbel Bas konterte knapp mit «Bullshit». 

Besonders das Bürgergeld steht im Fokus. Kanzler Merz setzte Bas in
einem Sommerinterview unter Druck: Fünf Milliarden Euro müssten sich
hier einsparen lassen, rechnete er der SPD-Chefin vor. «Wenn wir uns
nicht mehr trauen, in einem Transfersystem, das in die falsche
Richtung läuft, zehn Prozent einzusparen, dann versagen wir vor
dieser Aufgabe», sagte der CDU-Chef in einem Interview von Sat.1.
Noch am Abend war er mit Bas zum Essen verabredet, wie er bei einer
Veranstaltung verriet. «Das gehört auch zu meinen Pflichten dazu. Ich
sehe dem Abschluss dieses Abends mit Zuversicht entgegen.» 

Im Arbeitsministerium wird zwar an einem Reformentwurf gearbeitet. Im
Fokus - das geht aus früheren Äußerungen von Bas hervor - dürften
etwa nachgeschärfte Mitwirkungspflichten stehen. Nicht ganz, was die
Union sich erhofft. Konkrete Beschlüsse sind zu diesem Thema beim
Koalitionsausschuss heute nicht zu erwarten: Für längerfristige
Reformen soll eine Kommission Vorschläge machen.

Steuererhöhungen

Ebenfalls angestoßen durch die Finanzierungslücken im Haushalt läuft

eine Debatte über mögliche Steuererhöhungen, die Geld in die
Staatskasse spülen könnten. Und zwar auf Chefebene: Klingbeil hatte
höhere Steuern für Spitzenverdiener und Vermögende nicht
ausgeschlossen. Merz erteilte solchen Ideen dagegen eine prinzipielle
Absage. 

Inzwischen sprach sich allerdings mit dem Vorsitzenden der Christlich
Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Dennis Radtke, auch ein
Unionspolitiker für bestimmte Erhöhungen aus: Die Erbschaftsteuer
könne verschärft werden. Außerdem könne die Reichensteuer, die mit
45
Prozent noch über dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent liegt, etwas
angehoben werden. 

Zuletzt legte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch nochmal nach: «Wenn
wir die mittleren Einkommen entlasten wollen und vielleicht sogar den
Spitzensteuersatz später beginnen lassen wollen, dann muss man sagen,
wie man das finanziert. Und dann müssen die, die eben ganz, ganz viel
haben, unter Umständen auch mehr zur Kasse gebeten werden», sagte er
im Podcast von Politico. 

Investitionen

Noch nie hat eine Bundesregierung so hohe Investitionen geplant -
doch wie stellt man sicher, dass das Geld auch wirklich abfließt? Das
war in den vergangenen Jahren bereits ein Problem. Nun ist ein
Investitionsbeschleunigungsgesetz im Gespräch, das im
Koalitionsausschuss festgezurrt werden könnte. Außerdem sollen
Experten der Bundesregierung helfen, das Geld aus dem
500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur sinnvoll
einzusetzen. 

Richterwahl

Der große Aufreger vor der Sommerpause, der Streit um die Besetzung
von Richterposten am Bundesverfassungsgericht, schwelt weiter. Zwar
hat die SPD laut Miersch eine neue Kandidatin gefunden. Doch die
Union muss noch zustimmen. Und dann stehen noch Gespräche mit Grünen
und Linken im Bundestag an. Auch dieses Problem aber wird der
Koalitionsausschuss kaum lösen: Merz und Klingbeil überlassen diese
Verhandlungen den Fraktionen und halten sich selbst auffällig raus.

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