Marktstart für Alzheimer-Mittel Lecanemab in Deutschland
Lecanemab soll bei Alzheimer im Frühstadium helfen. Doch längst nicht
alle Patienten profitieren. Die Therapie ist teuer - und birgt auch
Risiken.
Berlin (dpa) - Der zur Alzheimer-Therapie zugelassene Antikörper
Lecanemab kommt am 1. September in Deutschland offiziell auf den
Markt. Österreich und Deutschland seien die ersten EU-Länder, in
denen das unter dem Namen Leqembi vertriebene Mittel verfügbar werde,
teilten die beteiligten Pharmaunternehmen Biogen aus den USA und
Eisai aus Japan mit. Die nach langem Zögern zugelassene Therapie kann
nur einem kleinen Teil der rund eine Million Menschen helfen, die
allein in Deutschland von Alzheimer betroffen sind. Lecanemab wird
als intravenöse Infusion alle zwei Wochen verabreicht.
Zulassung mit Einschränkungen
Im April hatte die EU-Kommission Lecanemab für die Behandlung von
leichter kognitiver Beeinträchtigung (Gedächtnis- und Denkstörungen)
im frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit zugelassen. Als frühe
Alzheimer-Phase sind Johannes Levin vom Deutschen Zentrum für
Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) zufolge die ersten drei Jahre
zu werten. Das betreffe in Deutschland aktuell vermutlich etwa
250.000 Menschen.
Es gibt allerdings noch eine weitere Einschränkung: Das Mittel sollen
nur jene Alzheimer-Patienten bekommen, die lediglich eine oder keine
Kopie von ApoE4 haben - einer Variante des Gens für das Protein
Apolipoprotein E. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit für bestimmte
Nebenwirkungen - Schwellungen und Blutungen im Gehirn - geringer als
bei Menschen mit zwei ApoE4-Kopien. Menschen mit nur einer oder
keiner ApoE4-Kopie machen dem DZNE zufolge in Deutschland etwa 80
Prozent der Alzheimer-Patienten aus.
Hohe Kosten - Verhandlungen laufen
Das Unternehmen Eisai beziffert den Herstellerpreis auf 310 Euro pro
2-Milliliter-Packung und 615 Euro pro 5-Milliliter-Packung. Nach
Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA)
liegt der Verkaufspreis für die kleine Packung zunächst bei 403,27
Euro und bei 788,86 Euro für die große Packung. Für wie viele
Infusionen die Mengen reichten, sei vom Gewicht des jeweiligen
Patienten abhängig, sagte ein Eisai-Sprecher.
Der ABDA rechnet vor, dass für eine 70 Kilogramm schwere Person pro
Infusion etwa 7 Milliliter Konzentrat - also eine große und eine
kleine Packung - benötigt würden. Dem Hersteller Eisai zufolge würde
dies in Bezug auf den Herstellerpreis auf Medikamentenkosten von
24.050 Euro pro Jahr hinauslaufen.
Dies deckt sich mit der Schätzung des Generalsekretärs der Deutschen
Gesellschaft für Neurologie, Peter Berlit, der auch etwa 24.000 Euro
an Kosten für das Medikament pro Jahr pro Patient erwartet. Die
Kosten für Tests, Durchführung der Therapie und Überwachung könnten
sich auf etwa 10.000 Euro belaufen.
Nach Angaben der Alzheimer Forschung Initiative werden die Kosten
zunächst von den Kassen übernommen. Parallel dazu werde der
Gemeinsame Bundesausschuss prüfen, welchen Nutzen das Mittel im
Vergleich zu bisherigen Therapien erbringe. Das Ergebnis dieser
Prüfung sei Grundlage für die Preisverhandlungen zwischen Herstellern
und Krankenkassen.
Herausforderung für die Kliniken
Bevor eine Therapie beginnen kann, muss bei Patienten Alzheimer erst
durch Biomarker-Tests nachgewiesen werden, gefolgt von einem
genetischen Test auf ApoE4. Auch die Kosten für den Gentest seien
eine Kassenleistung, da es sich dabei um eine für die Behandlung
verpflichtende Untersuchung handele, so die Alzheimer Forschung
Initiative.
Frank Jessen, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
der Uniklinik Köln und Demenzforscher, sieht die
Krankenhausambulanzen «grundsätzlich gut aufgestellt, um kommende
Woche mit der Therapie mit Leqembi zu beginnen». Konkret sei dies
jedoch auch abhängig von den Kapazitäten der einzelnen Zentren - etwa
im Blick auf Personal, MRT- und Infusionsplätze.
Nach dpa-Informationen könnte sich der Start in einigen Kliniken
jedoch auch wegen der hohen für die Kliniken anfallenden Kosten
verzögern, die diese schultern müssen, weil die Preisverhandlungen
noch laufen.
Jessen erklärt, dass die Kosten für die Behandlung von
Kassenpatienten im Regelfall zunächst über Ambulanzpauschalen
abgerechnet werden, die verhandelt werden müssen. «Da müssen die
Krankenhäuser jetzt intern eine Regelung finden.»
Keine Heilung in Sicht
Bisherige Alzheimer-Therapien behandeln nur Symptome der Krankheit,
nicht ursächliche Prozesse im Gehirn. Das ist bei Lecanemab anders:
Der Antikörper richtet sich gegen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn und
soll dadurch den Verlauf der Krankheit um einige Monate verlangsamen.
Um Heilung oder Verbesserung geht es allerdings auch bei diesem
Wirkstoff nicht, ein solches Mittel ist weiterhin nicht in Sicht.
Aufgrund der Nebenwirkungen wie Schwellungen und Mikroblutungen im
Gehirn war Lecanemab bei einer ersten Prüfung der
EU-Arzneimittelbehörde EMA noch abgelehnt worden. Bei einer erneuten
Prüfung kamen die Behörden jedoch zu dem Schluss, dass für die
erwähnte Untergruppe der Alzheimer-Patienten der Nutzen die Risiken
übersteige.
Um sicherzustellen, dass nur jene Patienten an das Mittel kommen, die
auch einen Nutzen davon haben, wird es ein EU-weites Register aller
Patienten geben.
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