Bioprinting: Wie 3D-Druck die Medizin verändert Von Marco Krefting, dpa
Bioprinting boomt: Haut, Knorpel, sogar Ohrmuscheln entstehen im
3D-Drucker. Warum Organe auf Knopfdruck trotzdem noch Zukunftsmusik
bleiben.
Karlsruhe (dpa) - Selbst mit einer Pinzette ist die künstliche
Baby-Herzklappe kaum zu greifen, so winzig ist sie. Und doch sei
alles dran, was ein Arzt zum Einnähen bräuchte, erklärt Ute Schepers
vom Institut für Funktionelle Grenzflächen am Karlsruher Institut für
Technologie (KIT).
Erstellt wurde die Herzklappe in einem modernen 3D-Drucker. Das
Ausgangsmaterial stamme von Kollagen produzierenden Bakterien.
«Eigentlich war das mal als Lippenfüller gedacht», sagt die
Abteilungsleiterin Chemische Biologie. In einer künftigen Anwendung
werde dieses mit Patienten-eigenen Zellen ergänzt.
In das sogenannte 3D-Bioprinting werden große Hoffnungen gesetzt.
Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) könnte es
helfen, um Herausforderungen wie die Reparatur oder den Ersatz
menschlicher Organe und Gewebe zu bewältigen.
Wie funktioniert Bioprinting - und was wird da genau «gedruckt»?
Bioprinting ist als Forschungsfeld vor rund 20 Jahren entstanden. Mit
3D-Druckverfahren werden lebende Zellen mit Hilfsstoffen, die ein
Gerüst bilden, zu größeren Gewebestrukturen «gedruckt». Dafür g
ibt es
verschiedene Technologien. Beim Inkjetverfahren etwa werden
sogenannte Biotinten als winzige Tröpfchen über mehrerer Druckköpfe
schichtweise auf ein Substrat aufgetragen.
Wie kann das zum Beispiel aussehen?
Am KIT forscht man unter anderem zur Hornhaut des Auges, Cornea
genannt. Am Ende sollen für Menschen mit Cornea-Erkrankungen
maßgeschneiderte und funktionsfähige Hornhäute entstehen, die nur ein
minimales Risiko von Abstoßungsreaktionen haben.
Das liegt laut Schepers daran, dass die verwendeten Zellen vom
betroffenen Patienten stammen. Aus einem Hautstück könnten in etwa
vier Wochen sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen erstellt
werden. Daraus könnten sich verschiedene Zelltypen entwickeln - etwa
für die Cornea.
Werden bald menschliche Organe auf Knopfdruck hergestellt?
Nein. Auch wenn 3D-gedruckte Organteile wie Haut oder Knorpel
teilweise schon erfolgreich eingesetzt werden, reichen die derzeit
zur Verfügung stehenden Materialien und Methoden noch bei weitem
nicht aus, wie es in einer Publikation von Oktober 2023 des damaligen
Bundesforschungsministeriums (BMBF) heißt. «Zu komplex und im Detail
noch zu wenig verstanden sind der Aufbau und die Funktion
menschlicher Organe.»
Was ist das Problem?
Im Labor herrschen sterile Bedingungen, Zellen können mit
Nährlösungen gewissermaßen gedüngt werden, wie Niels Grabow erklä
rt.
«Aber nach einer Transplantation muss das Konstrukt in Wechselwirkung
mit dem Organismus funktionieren», sagt der Sprecher des
Fachausschusses Biomaterialien und medizinische Implantate der
Deutschen Gesellschaft für Biomedizinische Technik. «Auf der einen
Seite ist das Transplantat im Körper möglicherweise mit Blut in
Kontakt, während es auf der anderen mit Gewebszellen in Kontakt
steht.»
Die Cornea sei mehr oder weniger zweidimensional, sagt Grabow, der am
Institut für Biomedizinische Technik der Universitätsmedizin Rostock
ebenfalls zur Hornhaut forscht. «Da hat man hohe Chancen, dass man
die Versorgung vergleichsweise gut hinbekommt.»
Je weiter man aber in den Körper hineingehe und je größer die Organe
würden, desto schwerer werde etwa die Anbindung an Blutgefäße,
erklärt er und nennt die Leber als Beispiel. «Da sprechen wir von
einem Kilogramm-schweren Organ und nicht von einer dünnen
Zellschicht.»
Worauf kommt es an?
Das neue Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt
(BMFTR) betont, die verwendeten Materialien und Prozesse müssten
standardisiert und reproduzierbar sein, damit jeder Druckvorgang
immer ein vergleichbares Ergebnis erziele. Im Mai sei dazu nach zwei
Pilotprojekten eine Richtlinie des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI)
veröffentlicht worden. «Auf diese Weise wurde ein wichtiger
Meilenstein auf dem Weg zur standardisierten Anwendung des
Bioprintings erreicht.»
Gibt es schon reale Einsatzbeispiele an Menschen?
Bislang beschränkt sich das laut Grabow auf Einzelstudien zum
Beispiel zur Hornhaut. «Hier sind die Hürden vergleichsweise niedrig,
um an Patienten zu gehen, da das Transplantat von außen zugänglich
bleibt.» Meist umfassen die Studien demzufolge nur wenige Betroffene.
«Ein großer Teil aktueller Studien befasst sich mit der Herstellung
spezifischer Gewebe wie Knochen, Knorpel, Haut oder anderer Organe»,
heißt es in der BMBF-Broschüre. Erste Anwendungsfälle wie die
Transplantation einer 3D-gedruckten Ohrmuschel aus Zellen des
Patienten seien schon umgesetzt.
Welche Vorteile hat Bioprinting noch?
Das Bundesgesundheitsministerium nennt die Untersuchung von
Krankheiten wie Krebs im Labor als Beispiel. «Hierbei werden
geeignete Gewebemodelle gedruckt, um spezifische Wirkstoffe und neue
Behandlungsmethoden beispielsweise zur Krebstherapie zu testen.»
Forscherin Schepers sieht in dem sogenannten veganen Kollagen, mit
dem das KIT arbeitet, auch eine wichtige Alternative zu
Tierversuchen.
Apropos: Ist Bioprinting auch für Tiere denkbar?
Grabow sieht hier hohes Potenzial - sowohl für die Forschung als auch
für die Anwendung: «Man kann nicht alles in Zellkulturen studieren»,
sagt er. Da aber auch Haustiere von Cornea-Problemen betroffen sein
können, könnte man sie in die Studien integrieren - und ihnen so im
besten Fall direkt helfen, ohne zusätzliche Tierversuche.
Wie wird Bioprinting in Deutschland reguliert?
Viele Fragen sind Grabow zufolge offen. Dabei gehe es unter anderem
darum, woher die Zellen kommen: Müssen sie vom Patienten selbst
stammen, kommen Spenderzellen infrage, können Stammzellen genutzt
werden? Die EU sei eher dabei, dies stärker zu regulieren. «Hier muss
man schauen, welche Brücken man gehen kann», sagt er. Gibt es zum
Beispiel Ausnahmen etwa für Heilversuche bei Schwerstkranken, bei
denen etablierte Therapien nicht mehr wirken?
Die WHO schreibt in einem Bericht, die Regulierung sei eine
Herausforderung wegen der neuartigen Kombinationen und Formen
medizinischer Eingriffe, die die Technologie ermöglicht. Das
Bundesgesundheitsministerium erklärt: «In Anbetracht des frühen
Entwicklungsstadiums von Bioprinting-Produkten ist ein Bedarf für
regulatorische Anpassungen derzeit nicht erkennbar.»
Bei all den Herausforderungen - ist Bioprinting überhaupt ein Trend?
Ja, das Forschungsfeld hat deutlich an Fahrt aufgenommen. «Die Anzahl
der jährlichen wissenschaftlichen Publikationen zum Thema hat sich
weltweit in den letzten zehn Jahren auf derzeit rund 1.000
verdreißigfacht», heißt es im BMBF-Bericht. Das neue BMFTR verweist
auf ein Anfang 2025 veröffentlichtes Materialforschungsprogramm. Bei
dazu geplanten Fördermodulen solle der Fokus voraussichtlich noch
stärker auf Aspekten des Bioprintings liegen.
Grabow berichtet von sehr vielen Bewerbungen für Forschungsgelder.
Bei einer Ausschreibung der EU im vergangenen Jahr hätten selbst
Projekte mit bester Bewertung nicht berücksichtigt werden können.
Ablesen lasse sich das auch am wirtschaftlichen Interesse: Firmen
investierten reichlich Kapital in die Forschung. «Da stecken viele
Hoffnungen drin», sagt Grabow. Zudem würden viele Patente in dem
Bereich angemeldet.
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