Mit Peitsche und Schwert - Wie Chinas Rentner fit bleiben Von Johannes Neudecker, dpa
Chinas Bevölkerung altert, das Rentenalter steigt. Wie sich Senioren
mit ungewöhnlichen Sportarten fit halten - und warum es dabei nicht
nur um Sport geht.
Peking (dpa) - Wer im Alter fit bleiben und länger leben will, greift
in China mitunter zur Waffe - natürlich zu keiner echten. Für manche
Rentner gehören die ungewöhnlichen Sportgeräte jedoch zum Alltag. So
wie für Herrn Wang: In einem Park nahe dem Olympia-Zentrum in Peking
schwingt er konzentriert seine Peitsche. Unter schrillem Knallen jagt
er damit einen bunten Kreisel durch die schwülwarme Pekinger
Sommernacht.
Wang erinnert sich: Sein Arzt riet ihm vor Jahren wegen seiner
steifen Schulter zu mehr Sport. Also habe er nach etwas Überlegen
entschieden, eine Peitsche zu kaufen, sagt der heute 69-Jährige. «Ein
alter Mann in unserer Heimatstadt sagte, ich solle die kaufen. Ich
kann auch keine Tricks. Ich schwinge sei einfach zweimal hin und
her», berichtet Wang, der wie manche seinen vollständigen Namen
lieber nicht nennt.
Mehr Zeit für Neues
«Ältere Menschen achten heute mehr auf ihre Selbstfürsorge, sie
treiben Sport und führen einen gesunden Lebensstil», sagt die Ärztin
für traditionelle chinesische Medizin Liu Yajun. Sport stärke Muskeln
und Knochen, verbessere Koordination und Gleichgewicht - wichtig,
gerade im Alter. Den Vorruhestand hält Liu für eine großartige
Möglichkeit, weil Menschen so Neues ausprobieren könnten.
Frau Wei nutzte diese Chance: Die 51-Jährige hörte bereits auf zu
arbeiten. Jetzt trainiert sie fast jeden Morgen mit anderen
Rentnerinnen auf dem Platz vor dem berühmten Trommelturm im Herzen
Pekings mit Schwert und Fächer Tai-Chi. «Es fördert die
Blutzirkulation und hilft bei kleineren körperlichen Beschwerden»,
sagt sie. Für die meditative Kampfkunst nimmt sie sich ein bis zwei
Stunden pro Einheit Zeit.
Das Alterungsproblem Chinas
Chinas Bevölkerung altert rasant. Weil die Babyboomer nun in den
Ruhestand gehen, gibt es immer mehr Rentner. Bei einer parallel
sinkenden Geburtenrate wächst der Druck auf die Rentenkasse, aber
auch den Arbeitsmarkt. Experten schätzen, dass sich Chinas
Bevölkerung mit ihren heute rund 1,4 Milliarden Einwohnern bis 2100
halbiert haben könnte. Deshalb erhöht Peking seit diesem Jahr
schrittweise das Rentenalter von 60 auf 63 Jahre für Männer und von
55 auf 58 Jahre für Frauen.
Chinas Wirtschaft, die unter schwachem Konsum leidet, wittert gute
Geschäfte mit den alten Leuten. Für Reisen gibt es speziell für
Rentner angepasste Züge. Diese «Silberhaar»-Zugreisen bieten an Bord
nicht nur Verpflegung, sondern auch eine Krankenstation. Bis 2035
erwartet die Regierung, dass die «Silber-Wirtschaft» neun Prozent
statt wie derzeit sechs Prozent zum Wachstum beiträgt.
Peking verordnet mehr Fitness
Auch Sportprodukte sind gefragt - mit Hilfe staatlicher
Unterstützung. Denn fast jeder zweite Erwachsene gilt als
übergewichtig. Laut staatlichen Medien stieg so auch die Nachfrage
nach Sportartikeln und Fitness-Angeboten unter Rentnern. Umfragen
zeigten demnach, dass etwa die Hälfte der Rentner mindestens einmal
die Woche Sport treibt.
Die Ideen gehen ihnen nicht aus: Im Netz kursieren Videos von
betagten Sportlern, die mit kuriosen Übungen begeistern. Manche
stoßen ihren Rücken gegen einen Baumstamm - das soll die Durchblutung
anregen. Andere hängen ihren Kopf in eine Art Schaukel und schwingen
daran hin und her. Ganz ungefährlich ist das «Nacken-Hängen» nicht.
Nach Berichten über tödliche Unfälle verboten die Behörden die Üb
ung
in manchen Parks.
Tanzen - «das Schönste überhaupt»
Weniger gefährlich ist Tanzen. Wer abends durch Chinas Städte
schlendert, sieht häufig große Frauengruppen, die auf Plätzen zu
schrillem chinesischem Techno tanzen. Im Pekinger Taoranting-Park
bereitet sich Ge Fang an einem brütend warmen Vormittag auf das
Training mit ihrer Tanzgruppe vor. «Ich komme jeden Tag», sagt die
68-Jährige.
Das Hobby habe sie im Ruhestand entdeckt. Ihre Gruppe tanzt
«Matrosen-Tanz» - eine Art chinesischer Swing. «Diese Aktivität hat
großen Einfluss auf die Gesundheit älterer Menschen», sagt Ge und
deutet auf eine Mittänzerin, die bereits über 80 Jahre alt sei. Nach
so vielen Tanzjahren fühle sie sich glücklich und gesund. «Tanzen ist
das Schönste überhaupt», meint Ge.
Der chinesische Hacky Sack
Beliebt ist in China auch der «Jianzi», ein Federfußball, den man
mitunter akrobatisch in der Luft hält. Wer die Rentner am Trommelturm
in Peking nach dem besten Spieler fragt, hört den Namen Lao Fan. Der
70-Jährige erzählt, Jianzi sei schon in der östlichen Han-Dynastie
(206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) gespielt worden.
Vor sieben oder acht Jahren habe er damit angefangen. «Federfußball
ist Training, und beim Trainieren dient er als eine Brücke der
Freundschaft, weil sich Fremde dabei kennenlernen können und gute
Freunde werden», sagt er. Lao Fan sieht aber noch einen anderen
Nutzen: Weil er durch das Jianzi-Spielen gesund bleibe, müssten sich
seine Kinder weniger um ihn sorgen. «Es ist also eine
Win-win-Situation für alle.»
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