Von Youtube auf den Sportplatz: Neue Sportarten begeistern junge Leute Von Anja Sokolow, dpa

Volleyball oder Golf - das kennt man. Aber was hat es mit Roundnet
und Discgolf auf sich? Junge Menschen entdecken neue Sportarten
abseits des Mainstreams.

Berlin (dpa/bb) - Man könnte meinen, hier treffen Beachvolleyball,
Trampolin und Chaos aufeinander: Zwei Zweierteams jagen einem kleinen
Ball hinterher, der wie ein hyperaktiver Flummi auf ein Netz auf
einem Mini-Trampolin springt. Es wird gerannt, gesprungen, gehechtet
- und manchmal auch gelacht, wenn jemand beim Versuch, den Ball zu
retten, elegant auf dem Boden landet. 

Junge Sportarten wie Roundnet begeistern Menschen in ganz
Deutschland. Ob Bonn, Hannover oder Berlin. Von Youtube in den Park -
und von dort auf den Sportplatz: Was wie ein Sommertrend klingt, ist
längst mehr als das. Auch andere Trenddisziplinen wie etwa Discgolf
sind hierzulande noch relativ jung, aber im Wachsen. Für die Aktiven
ist der Sport mehr als nur eine Alternative zu Klassikern wie
Volleyball oder Golf. 

Hyperaktiver Flummi trifft auf Trampolin 

Ziel ist es, den Ball so auf das Netz zu schlagen, dass das
gegnerische Team ihn nicht mehr regelkonform zurückspielen kann. Zu
beobachten ist das zum Beispiel beim Training der Red Eagles in
Berlin-Friedenau. 

Ein Netz, ein Ball, vier Leute - und viel Dynamik

«Gespielt wird im Kreis um das Netz, der Ball darf mit jedem
Körperteil gespielt werden, es gibt keine festen Schlagrichtungen.
Das ergibt eine wahnsinnige Dynamik», sagt Jan Lehmann,
Abteilungsleiter der Red Eagles, dem ersten Roundnet-Verein in
Berlin. «Das Spieltempo ist hoch, der Spaßfaktor enorm», so Lehmann.


Er selbst entdeckte Roundnet 2019 bei Youtube. «Ich bin immer offen
für so neue, witzige, einfache Sportarten», erzählt er. Also
bestellte er sich ein Set, traf sich mit Freunden im Park - und wurde
prompt von einem anderen Roundnet-Fan angesprochen. Die Idee eines
Vereins war geboren. Inzwischen hat er etwa 60 Mitglieder.

Roundnet, auch bekannt als Spikeball, ist jung - und das merkt man.
«Die Regeln sind nicht in Stein gemeißelt», erklärt Lehmann.
Regelmäßig werden neue Regelpakete getestet - weltweit koordiniert
vom internationalen Verband. «Mal ist der Ball größer, mal dürfen
beide Spieler gleichzeitig schlagen, mal gibt es Auslinien. Man kann
aktiv mitgestalten - das finde ich sehr spannend», erklärt der
25-Jährige. Auch die Aktiven selbst sind jung - etwa zwischen Anfang
20 und Mitte 30.

Starkes Zusammengehörigkeitsgefühl 

Doch hinter dem schnellen Sport steckt mehr als nur Spaß:
Trendsportarten bieten jungen Menschen auch ein Gefühl von
Zugehörigkeit, Freiheit und Selbstverwirklichung, wie der
Sportpsychologe Jens Kleinert von der Deutschen Sporthochschule in
Köln erklärt. «Sport ist ein Ausdruck sozialer Identität. Gerade
junge Menschen nutzen neue Sportarten, um sich von anderen
Generationen abzugrenzen und ihre Gruppenzugehörigkeit zu zeigen.»

«Die Menschen kommen wegen der Menschen hierher. Wir teilen alle
ähnliche Werte und Vorstellungen vom Leben», sagt Roundnet-Spieler
Martin Köppen am Rande des Trainings. Der Sport biete ein besonderes
Gemeinschaftsgefühl. 

Regeln im Wandel: Mitgestalten statt Mitlaufen

Ein weiterer Reiz: die Freiheit. «Trendsportarten bieten eine hohe
Flexibilität», so Kleinert. «Man ist nicht an feste Trainingszeiten
oder starre Wettkampfsysteme gebunden». Viele Spieler schätzten zudem
die Möglichkeit, Regeln mitzugestalten und Neues auszuprobieren. «Das
Bedürfnis nach Autonomie und Neugierde wird hier besonders stark
angesprochen.»

Das sieht auch Lea, ehemalige Basketballerin, die seit zweieinhalb
Jahren dabei ist, so. «Es passt auch gut ins Leben, weil man sich
selbst einteilen kann, wie engagiert man spielt - ob man es als nur
als Freizeitsport machen will oder in einer Liga spielt», so die
29-Jährige. 

Experte: Trendsportarten oft auch von Diversität geprägt

Auch Diversität spielt laut Kleinert bei vielen Trendsportarten eine
Rolle. Da kämen oft sehr viele unterschiedliche Menschen zusammen.
Eine Besonderheit beim Roundnet: Männer und Frauen spielen zusammen.
Ein anderes Beispiel: Discgolf. Das sei ein Sport, der sich laut
Oskar Krzykowski vom Berliner Pfeffersport-Verein durch seine
besondere Offenheit und Zugänglichkeit auszeichne: «Weil es ein
unfassbar inklusiver Sport ist. Der ist so niedrigschwellig. Es kann
wirklich jeder», so Krzykowski. 

Ziel ist es, eine Frisbee-ähnliche Scheibe mit möglichst wenigen
Würfen in einen Metallkorb zu werfen - ähnlich wie Golf, nur mit
Scheibe und Korb statt Ball und Loch. Dass der Sport für jeden
geeignet sei, zeige sich auch in außergewöhnlichen Beispielen:
«Neulich beim Kindertraining war ein 14-jähriger Junge, der im
Rollstuhl sitzt, der nur noch zehn Prozent Sehfähigkeit hat und auch
motorisch eingeschränkt ist. Der hat es schafft, so eine Scheibe zu
werfen», sagt Krzykowski. 

Von 6 bis 80+: Ein Sport für alle Generationen

Die Altersspanne der Aktiven sei bemerkenswert: «Es gibt vom
offiziellen Discgolf-Verband in Amerika eine Altersklasse 80+. Das
heißt, es gibt Turniere, Wettkämpfe, wo über 80-jährige Menschen si
ch
miteinander messen im Discgolf», erzählt er. Die jüngsten Spieler
seien etwa sechs Jahre alt.

Wachsende Szene, starke Strukturen

Was als Freizeitspaß beginnt, entwickelt sich oft rasant. «In fast
jeder deutschen Stadt mit über 100.000 Einwohnern gibt es
mittlerweile Roundnet-Vereine. Die Szene ist gut vernetzt,
organisiert sich über einen engagierten Dachverband und lebt von
ehrenamtlichem Engagement», berichtet Lehmann. 

Zwischen Freizeitspaß und Liga

Etwa alle zwei Wochen finden Turniere in Städten wie Hamburg,
Hannover oder Freiburg statt. Auch eine Liga-Struktur existiert:
Regionalliga, Zweite und Erste Bundesliga - Berlin ist in allen
vertreten. Drei Spieler der Red Eagles stehen laut Team-Manager
Martin Köppen sogar im Nationalteam.

Discgolf sei in vielen Teilen der Welt längst sehr verbreitet, sagt
Krzykowski. «Auch in Skandinavien, Tschechien, Dänemark, Österreich,

Schweiz ist er sehr beliebt. Hier in Deutschland gilt das als etwas
wirklich Neues. Das ist es halt gar nicht. Ein Trend wurde es in der
Pandemie», so Krzykowski. In Skandinavien spiele man schon seit
Jahrzehnten Discolf, in den anderen Ländern seit Jahren.

Professionalisierung birgt auch Risiken

Ob Roundnet einmal so groß wird wie Fußball? «Viele wünschen sich
das», sagt Lehmann. Laut Kleinert besteht in einer zunehmenden
Professionalisierung aber auch die Gefahr, dass sich Sportler auch
wieder abwenden. «Wenn Trendsportarten plötzlich zu
Wettkampfsportarten werden, verlieren sie ihre Diversität und ihre
Flexibilität. Dann gibt es Leute, die sagen: Das ist nicht mehr
meins», so Kleinert. Als Beispiel nennt er das Surfen: «Als diese
Sportart in ein Wettkampfsystem eingebunden wurde, fanden das nicht
alle gut.»

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