Gefahr durch Vibrionen: Sommerhitze lässt das Risiko steigen Von Annett Stein, dpa

Mit der Hitze kommen die Bakterien: Vibrionen können beim Baden
schwere Infektionen auslösen. Wer betroffen ist - und wie man sich
schützt.

Berlin (dpa) - Mit der sommerlichen Hitze steigt das Risiko für
Vibrionen-Infektionen an Nord- und Ostsee. Bei Wassertemperaturen
über 20 Grad - wie sie zuletzt vielerorts erreicht waren - könnten
sich für den Menschen gefährliche Vibrionen in Oberflächengewässern

stark vermehren, heißt es vom Robert Koch-Institut (RKI). Bis Mitte
Juli wurden demnach in diesem Jahr mindestens drei Infektionen
gemeldet, die wahrscheinlich auf eine Ansteckung hierzulande
zurückgehen (Stand 18.7.).

Gerade in flachen, sich schnell erwärmenden Küstenbereichen steigt
das Risiko für ein vermehrtes Auftreten der Bakterien bei höheren
Temperaturen deutlich. Die Ostsee ist aufgrund ihres niedrigen
Salzgehalts besonders betroffen. 

Gefährdet sind vor allem Menschen mit offenen Wunden oder
geschwächtem Immunsystem. Behandelt werden die Infektionen mit
Antibiotika, die möglichst früh zum Einsatz kommen sollten.

Wie viele Fälle gibt es?

Erst seit 2020 besteht in Deutschland eine Meldepflicht für
Infektionen mit den sogenannten Nicht-Cholera-Vibrionen (NCV). Für
das vergangene Jahr erfasste das RKI 42 Fälle, die wahrscheinlich auf
Ansteckungen hierzulande zurückgingen. Für viele davon wurde ein
Infektions- oder Wohnortkreis angegeben, der an die Ostseeküste
grenzt.

Vereinzelt kann es vor allem bei gesundheitlich stark vorbelasteten
Menschen zu Todesfällen kommen.

Kann ich mich nur im Meer anstecken?

Vibrionen sind dem RKI zufolge vor allem in salzhaltigen Gewässern in
Küstennähe wie Flussmündungen, Buchten, Bodden und Brackwässern zu

finden. Aber: «Vibrionen werden auch in leicht salzhaltigen
Binnengewässern nachgewiesen, wie sie vielerorts in Deutschland zu
finden sind.» Das Risiko durch das Baden in Seen oder Teichen werde
bisher oft vernachlässigt.

In Sachsen-Anhalt zum Beispiel kann es im Strandsolbad Staßfurt und
im Naturbad Angersdorfer Teiche zu Massenvermehrungen der Bakterien
kommen - mehrfach gingen darauf in den vergangenen Jahren schwere
Infektionen zurück, wie es beim Landesamt für Verbraucherschutz
heißt.

Was kann passieren?

Nicht-Cholera-Vibrionen im Badewasser können zu schnell
fortschreitenden Wundinfektionen und - in seltenen Fällen - zu einer
Blutvergiftung (Sepsis) führen. Auch Ohrentzündungen sind möglich.

Besonders gefährlich sind Wundinfektionen mit der Art Vibrio
vulnificus, die innerhalb kürzester Zeit zu tiefgreifenden Nekrosen
des Gewebes führen können, wie es vom RKI heißt. «Hier kann bereits

eine sehr geringe Bakterienanzahl genügen, um eine Wundinfektion
hervorzurufen.» Eine daraus resultierende Sepsis könne in sehr kurzer
Zeit zum Tod durch multiples Organversagen führen.

Vorbeugend sollten Menschen mit Wunden oder frisch gestochenen
Tätowierungen das Baden in betroffenen Gewässern meiden,
insbesondere, wenn sie an Vorerkrankungen leiden oder ein
geschwächtes Immunsystem haben.

Werden Urlauber vor besonders vielen Vibrionen im Wasser gewarnt?

Die EU-Badegewässerrichtlinie fordert bisher keine Prüfung auf
Vibrionen, wie es im aktuellen Epidemiologischen Bulletin des RKI
heißt. Derzeit werde diskutiert, ob es neue Regelungen wie amtliche
Grenzwerte für abgestufte Handlungsempfehlungen geben sollte.

Einige Bundesländer mit Badegewässern, die bekannt für das Vorkommen

von Vibrionen sind, untersuchten die Belastung vor allem in den
Sommermonaten bereits. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales in
Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel analysiert stichprobenweise
Wasserproben an der Ostseeküste. «Im Falle einer erhöhten
Gefahrenlage werden dann Warnungen durch die Landesbehörde
ausgesprochen.»

Die europäische Gesundheitsbehörde ECDC bietet die interaktive Karte
«Vibrio Map Viewer» für die Nord- und Ostsee an. Dafür wird das
aktuelle Risiko für Massenvermehrungen aus Oberflächentemperaturen
und Salzgehalt errechnet. «Dieses Instrument zeigt eindrucksvoll das
steigende Risiko des Vorkommens von humanpathogenen Vibrionen im
Wasser im Verlauf von heißen Sommermonaten an den Küsten Deutschlands
und angrenzender Nachbarländer», heißt es vom RKI.

Steigt das Risiko im Zuge des Klimawandels?

Ja. Da sich Vibrionen erst ab etwa 20 Grad Wassertemperatur stark
vermehren, spielt es eine große Rolle, dass sich die Gewässer im Zuge
der Klimakrise erwärmen. «Häufigere und längere Wärmeperioden, wi
e
sie zukünftig auch in nördlichen Breitengraden zu erwarten sind,
begünstigen das Vorkommen von NCV sowohl in deutschen Küsten- als
auch in Binnengewässern», heißt es vom RKI.

Die Ostsee, die aufgrund ihres niedrigen Salzgehalts ohnehin ein
idealer Lebensraum für Vibrionen sei, sei eines der sich am
schnellsten erwärmenden Meeresökosysteme weltweit.

Hinzu komme eine mögliche Erhöhung der Salzkonzentration in flachen
Badegewässern durch verstärkte Verdunstung. In der Folge könnten
immer mehr Gewässer optimale Lebensbedingungen für Vibrionen bieten.
«Eine klimabedingte Verlängerung der Saison, in der mit hohen
NCV-Konzentrationen gerechnet werden muss, verlängert zudem auch die
Phase, in der Menschen mit den Erregern in Kontakt kommen können.»

In der Summe sei mit einem weiteren Anstieg der Infektionszahlen in
den kommenden Jahren zu rechnen.

Sind Vibrionen etwas Ungewöhnliches?

Nein. Vibrio-Bakterien sind weltweit ein natürlicher Bestandteil
mikrobieller Meer- und Süßwassergemeinschaften. Mehr als 150 Arten
sind nach RKI-Angaben bekannt, wovon etwa ein Dutzend dem Menschen
schaden können. Die bekannteste Spezies ist Vibrio cholerae, der
Erreger der Cholera. Er ist vor allem in Ländern mit einem Mangel an
sauberem Trinkwasser ein Problem.

In Deutschland spielt dieses Bakterium fast nur bei Reiserückkehrern
eine Rolle. Erst im Februar wurden allerdings Cholerafälle erfasst,
die durch importiertes, mit den Bakterien verunreinigtes Quellwasser
aus Äthiopien verursacht wurden, wie es im RKI-Bulletin heißt. Einer
der drei Patienten wurde intensivmedizinisch behandelt, alle erholten
sich. Ähnliche, auf eingeführte Lebensmittel zurückgehende
Infektionen hatte es zuvor schon gegeben.

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