116 117: So läuft der neue ärztliche Bereitschaftsdienst Von Christopher Weckwerth, dpa
Mehr Telemedizin per Videocall, weniger Hausbesuche vom Arzt: Was
sich beim Bereitschaftsdienst in Niedersachsen geändert hat und wie
das neue System anläuft.
Hannover (dpa/lni) - Seit einigen Wochen greift beim ärztlichen
Bereitschaftsdienst in Niedersachsen ein neues System. Die
Kassenärztliche Vereinigung (KVN) setzt dabei auf mehr Telemedizin,
sprich: Beratung aus der Ferne. Das soll den Patienten schnellere
Hilfe verschaffen und die Ärztinnen und Ärzte insbesondere von
Hausbesuchen entlasten.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Reform:
Wer sollte die 116 117 rufen - und wer die 112?
In lebensbedrohlichen Notfällen sollte der Rettungsdienst unter der
112 gerufen werden. Bei kleineren Beschwerden, mit denen man sonst in
die Arztpraxis gehen würde, sollen Patientinnen und Patienten
hingegen die 116 117 wählen. Der ärztliche Bereitschaftsdienst hilft
außerhalb der Sprechstundenzeiten und ist rund um die Uhr erreichbar.
Wie funktioniert die 116 117 in Niedersachsen seit der Reform?
Zunächst erfolgt am Telefon eine Ersteinschätzung der Symptome.
Sollte diese zeigen, dass eine zügige Behandlung notwendig ist, und
keine Weiterleitung in eine Praxis möglich sein, werden die Anrufer
jetzt immer mit einem Telemediziner oder einer Telemedizinerin
verbunden - laut KVN innerhalb von 30 Minuten, und zwar per Telefon
oder Video-Call.
Das soll den Anrufern einen schnellen ärztlichen Kontakt ermöglichen.
Erst, wenn der Telearzt einen Hausbesuch für notwendig erachtet, wird
der medizinische Fahrdienst hinzugezogen, durchgeführt von den
Johannitern. Nach Angaben der KVN ist das Verfahren in dieser Form
bundesweit einmalig.
Wer übernimmt die Ersteinschätzung meiner Beschwerden?
Die Anrufer der 116 117 landen in einem Callcenter. Dort nehmen laut
KVN medizinisch vorgebildete Servicekräfte wie Arzthelferinnen oder
Rettungssanitäter die medizinische Ersteinschätzung vor.
Machen Ärztinnen und Ärzte jetzt überhaupt noch Hausbesuche?
«Ja - selbstverständlich», sagt KVN-Sprecher Detlef Haffke. Wenn der
Telemediziner entscheidet, dass ein Hausbesuch notwendig ist,
schicken die Johanniter einen Arzt oder eine Ärztin oder auch ein
Team von Gesundheitsfachkräften auf die Reise. Die Fachkräfte können
etwa Sanitäter oder Pflegekräfte sein. Niedergelassene Ärzte können
neben ihrer Tätigkeit in der Praxis auch bei den Johannitern
angestellt werden.
Wie viele Ärztinnen und Ärzte sind wann in Bereitschaft?
Pro Schicht sind in Niedersachsen zwölf Ärztinnen und Ärzte im
Einsatz, die von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Johanniter
gefahren werden. Hinzu kommen 20 bis 24 Gesundheitsfachkräfte der
Johanniter, wie die KVN mitteilt.
Für den fahrenden Bereitschaftsdienst gelten folgende Zeiten:
* Montag, Dienstag und Donnerstag von 19.00 Uhr bis 7.00 Uhr
* Mittwoch und Freitag von 15.00 Uhr bis 7.00 Uhr
* Samstag und Sonntag sowie an Feiertagen, Heiligabend und
Silvester von 8.00 Uhr bis 7.00 Uhr
In welche Regionen und Standorte ist der Fahrdienst aufgeteilt?
Die Struktur des Fahrdiensts sieht acht Sektoren vor.
* Sektor Braunschweig: Standort Braunschweig
* Sektor Oldenburg: Standorte Oldenburg, Ahlhorn
* Sektor Lüneburg: Standorte Lüneburg, Uelzen
* Sektor Osnabrück: Standorte Osnabrück, Lingen
* Sektor Göttingen: Standorte Northeim, Hildesheim
* Sektor Weser-Ems: Standort Aurich
* Sektor Hannover: Standorte Hannover, Schwarmstedt
* Sektor Elbe-Weser: Standorte Stade, Rotenburg, Bremen
Warum wurde der Ablauf der Bereitschaftsärzte geändert?
Nicht zuletzt der Ärztemangel macht sich hier bemerkbar, denn die
Bereitschaft außerhalb der Praxiszeiten sicherzustellen, werde immer
herausfordernder, erklärt die KVN. Neue Technologien könnten daher
helfen: «Ziel dieser Reform ist es, die medizinische Versorgung für
die rund acht Millionen Menschen in Niedersachsen schneller,
flexibler und effizienter zu machen, während gleichzeitig die
Arbeitsbelastung für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte deutlich
reduziert wird.» Zudem soll das neue Verfahren Mehrfachanrufe bei der
116 117 und ein Ausweichen auf die 112 verhindern.
Wie sind die ersten Erfahrungen?
Die KVN ist mit den ersten Wochen zufrieden: In drei von vier Fällen
könnten bereits die Telemediziner den Anrufern abschließend helfen.
Wenn doch Hausbesuche anfielen, seien die Wartezeiten heute erheblich
kürzer als früher. Grund dafür seien eine bessere Fahrzeuglogistik
sowie eine effiziente Besetzung der Fahrzeuge.
«Bisher gab es keine Beschwerden von Patientinnen und Patienten»,
sagte KVN-Sprecher Haffke. Die Ärztinnen und Ärzte befürworteten das
Modell zudem, weil sie den Fahrdienst nicht mehr zwangsweise
übernehmen müssen. Die Belastung des Bereitschaftsdiensts habe dank
der Reform abgenommen.
Wie viele Anrufe gehen bei der 116 117 für Niedersachsen ein?
Pro Woche gibt es laut KVN im Schnitt rund 15.000 Anrufe bei der 116
117 im Bereich des Bereitschaftsdienstes.
Wie viele Hausbesuche gab es vor und nach der Reform?
Vor der Reform kamen die Ärztinnen und Ärzte nach Angaben der KVN auf
rund 3.400 Patientenbesuche pro Woche im fahrenden
Bereitschaftsdienst. Seit der Umstellung gab es demnach hingegen nur
noch rund 950 Patientenbesuche pro Woche durch die Johanniter-Teams.
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