Mammografie-Screening senkt Brustkrebs-Sterblichkeit Von Annett Stein, dpa

Seit 20 Jahren gibt es das Mammografie-Screening für Frauen in
Deutschland. Das Programm ist wirksam, wie ein Bericht zeigt. Doch es
könnte weiter optimiert werden.

Berlin (dpa) - Das Mammografie-Screening für Frauen trägt einer
Studie zufolge deutlich zur Senkung der Brustkrebs-Sterblichkeit in
Deutschland bei. Das vor 20 Jahren eingeführte, von allen
Krankenkassen angebotene Früherkennungs-Programm senkt die
Todesfallzahlen und erhöht die Heilungschancen für erkrankte Frauen,
wie das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) mitteilte. Unter den
Teilnehmerinnen war die Brustkrebs-Sterblichkeit demnach über einer
Nachbeobachtungszeit von bis zu 10 Jahren um 20 bis 30 Prozent
geringer als bei den Nichtteilnehmerinnen.

«Dabei handelt es sich um eine konservative Schätzung», sagte
BfS-Präsidentin Inge Paulini. Der Nutzen werde eher noch
unterschätzt. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken sagte, die
Ergebnisse seien eine sehr gute Nachricht für alle Frauen, die eine
Einladung zum Screening erhielten. Sie könnten darauf vertrauen, dass
eine Teilnahme nachweislich von Nutzen sei.

Mit einer Mammografie lassen sich Tumore oft finden, bevor sie sich
ertasten lassen - und je früher ein Karzinom erkannt wird, desto
besser sind die Heilungschancen. Fortgeschrittener Brustkrebs, bei
dem es bereits Metastasen gibt, sei nach wie vor in der Regel nicht
heilbar, erklärte Klaus Kraywinkel, Leiter des Zentrums für
Krebsregisterdaten am Robert Koch-Institut (RKI).

Röntgen-Untersuchung alle zwei Jahre

Im Zuge des Programms können Frauen im Alter von 50 bis 75 Jahren
alle zwei Jahre eine Röntgen-Untersuchung der Brust zur Früherkennung
in Anspruch nehmen. Bundesweit gibt es laut BfS 95 zertifizierte
Screening-Zentren. Frauen, bei denen Symptome bestehen oder ein
Verdacht auf Brustkrebs vorliegt, erhalten Mammografien zudem im
Rahmen der allgemeinen Versorgung. Der Effekt dieser Untersuchungen
wurde in der Studie nicht untersucht.

Brustkrebs ist laut RKI mit etwa 75.000 Neuerkrankungen jährlich die
häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Etwa eine von
acht Frauen erkrankt im Laufe ihres Lebens. Etwa 18.500 Frauen
jährlich sterben daran - ohne das Programm wären es Schätzungen
zufolge mehrere Tausend mehr. 

Zusätzliches Krebsrisiko, vermeintliche Sicherheit, Übertherapie

Beim Screening gilt es, Nutzen und Risiken abzuwägen: Einen
potenziellen Nutzen haben nur erkrankte Frauen - das Risiko, etwa
durch die Röntgenstrahlung, tragen hingegen alle Teilnehmerinnen. Die
Untersuchung bestätige, dass der Nutzen des Screenings weitaus größer

ist als das sehr geringe zusätzliche Krebsrisiko durch die
Röntgenstrahlung bei der Untersuchung, erklärte Paulini.

Geschätzt etwa 7 von 100.000 Frauen, die regelmäßig am Screening
teilnehmen, entwickeln einen bösartigen Tumor, der auf die
Strahlenbelastung zurückzuführen ist, wie Hans-Christian Kolberg,
Chefarzt der Frauenklinik am Marienhospital Bottrop, erklärt. «Das
ist eine verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit.»

Ein weiterer auf das Screening zurückgehender Risikofaktor ist
Experten zufolge, dass sich teilnehmende Frauen vermeintlich sicher
fühlen und seltener ihre Brust abtasten. Hinzu kommen sogenannte
Übertherapien - also die Behandlung von Tumoren, von denen keine
Gefahr ausgeht.

Das Programm wurde ab 2005 schrittweise zunächst für 50- bis
69-Jährige eingeführt, aktuell wird Frauen zwischen 50 und 75 Jahren
alle zwei Jahre eine Untersuchung angeboten. «Unter den 50- bis
69-Jährigen nimmt jedes Jahr etwa die Hälfte der Eingeladenen am
Mammografie-Screening-Programm teil», sagte BfS-Präsidentin Paulini.
Mit mehr Teilnehmerinnen ließe sich für mehr Frauen die
Zehn-Jahres-Überlebensrate nach einer Brustkrebs-Erkrankung
verbessern, erklärte der Bottroper Experte Kolberg, Vorsitzender der
Arbeitsgemeinschaft zertifizierter Brustzentren in Deutschland.

Wäre viel mehr möglich?

Christiane Kuhl, Direktorin der Klinik für Diagnostische und
Interventionelle Radiologie der RWTH Aachen, betont, mit vorhandenen
diagnostischen Möglichkeiten könnte man weit mehr als die 20 bis 30
Prozent Sterblichkeitsminderung erreichen. Ein Problem sei die
mangelnde Eignung der Mammografie bei sehr dichtem Brustgewebe.
Aktuell würden 20 bis 30 von 100 Frauen mit Brustkrebs nach dem
Screening als gesund nach Hause geschickt. Der Tumor falle dann oft
erst bei einer Tastuntersuchung als sogenanntes Intervallkarzinom auf
- oder erst bei späteren Mammografien.

Rund 16 Prozent der beim Screening gefundenen Karzinome hätten
bereits Metastasen gebildet, seien also zu spät gefunden worden.
Ausgerechnet bei den biologisch aggressiven Karzinomen versage die
Mammografie zu oft.

Kuhl ist überzeugt, dass sich die Zahl der an Brustkrebs sterbenden
Frauen stark senken ließe. Dazu müsse die Früherkennung besser
individuell angepasst werden. So sollten etwa Frauen mit sehr dichtem
Brustgewebe, bei denen eine Mammografie nicht ausreicht, alternative
Früherkennungsverfahren angeboten werden - insbesondere die
Magnetresonanztomographie (MRT), für die es die höchste
wissenschaftliche Evidenz gebe. Dieses Verfahren liefere umso bessere
Nachweise, je aggressiver ein Karzinom sei.

MRT - bei vielen Frauen die weitaus bessere Wahl?

Etwa zehn Prozent der Frauen haben ein extrem dichtes Brustgewebe.
Sie würden durch das derzeitige Mammografie-Screening unterversorgt,
heißt es auch von der Europäischen Gesellschaft für Brustbildgebung
(EUSOBI). Es gebe Nachweise, dass MRT-Untersuchungen die
Brustkrebs-Sterblichkeit bei ihnen erheblich senken könne. Frauen
sollten von ihren Ärzten generell über ihre Brustdichte informiert
werden. Die Fachgesellschaft empfiehlt, Frauen im Alter von 50 bis 70
Jahren mit extrem dichter Brust alle zwei bis vier Jahre ein
MRT-Screening anzubieten.

In Deutschland müssen Frauen in diesen Fällen MRT-Untersuchungen
selbst zahlen. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die etwa 350
Euro für eine Früherkennungs-MRT nur bei einem nachweislich deutlich
erhöhten Risiko für Brustkrebs - etwa bei einer BRCA1- oder
BRCA2-Genmutation oder familiärer Belastung. «Auch wenn Mammografie
und Ultraschall keine eindeutigen Ergebnisse liefern, kann ein MRT
zur weiteren Abklärung von unklaren Befunden eingesetzt werden»,
erklärte Kolberg.

Behandlung bleibt ein Faktor

Einen weiteren Ansatzpunkt für eine stärkere Senkung der
Sterblichkeit sieht Kolberg in einem noch stärkeren Fokus der
Brustkrebs-Therapie auf zertifizierte Brustzentren. Auch die Autoren
der Studie geben zu bedenken, dass der Nutzen des Screening-Programms
über den der Früherkennung hinausgehen könnte - durch den Einfluss
auf die Qualität der weiteren klinischen Versorgung. Bei einem
auffälligen Befund im Programm würden Frauen typischerweise an ein
zertifiziertes Brustzentrum verwiesen - bei Frauen mit einer Diagnose
außerhalb des Programms sei das weniger wahrscheinlich.

Es mache sich deutlich bei der Sterblichkeitsrate bemerkbar, sich
nicht in einem zertifizierten Brustzentrum behandeln zu lassen,
betonte Kolberg. Noch immer würden in Deutschland etwa 8.000 Frauen
jährlich außerhalb solcher Zentren behandelt. «Das muss sich ändern

Screening künftig auch für 45- bis 49-Jährige?

Näher an der Umsetzung ist eine andere Maßnahme: eine erneute
Erweiterung der ins Mammografie-Screening einbezogenen Altersgruppen.
Im vergangenen Jahr hatte das BfS berichtet, dass die Teilnahme am
Programm auch für Frauen ab 45 Jahren mit mehr Nutzen als Risiken
verbunden ist. Das Screening kann die Brustkrebs-Sterblichkeit
demnach bei 45- bis 49-Jährigen um rund 20 Prozent reduzieren.

Das Bundesamt empfiehlt darum, die untere Altersgrenze für die
Teilnahme von 50 auf 45 Jahre herabzusetzen. In der Altersgruppe
zwischen 45 und 50 Jahren erkranken laut BfS in Deutschland jedes
Jahr etwa 5.000 Frauen an Brustkrebs.

Die Auswertung zum Nutzen des Screening-Programms wurde vom BfS
koordiniert und von der Universität Münster federführend
durchgeführt. Es wurden Daten aus den Jahren 2009 bis 2018
berücksichtigt, dabei wurden Quellen wie Krankenkassen- und
Krebsregisterdaten kombiniert. «Die Ergebnisse sind für alle
Bevölkerungsschichten und Regionen Deutschlands repräsentativ», sagte

Paulini.

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