Kassen: Struktur der Rettungsdienste krankt seit Jahren
Die Krankenkassen in Hessen sehen strukturelle Defizite im
Rettungsdienst. Das ergab ein Prüfbericht, den die Verbände der
Krankenkassen und der Ersatzkassen vorstellen. Was soll daraus
folgen?
Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Die Verbände der Kranken- und Ersatzkassen
in Hessen kritisieren die derzeitige Struktur des Rettungsdiensts im
Bundesland. Diese sei veraltet, teuer und gefährdet die
Patientensicherheit. «Das System krankt seit Jahren, und die
Leidtragenden sind die Patientinnen und Patienten», erklärte die
Leiterin der vdek-Landesvertretung Hessen, Claudia Ackermann.
Ein aktueller Prüfbericht der Verbände prangert unterschiedliche
Versorgungsstandards und unnötige Kommunikationswege im Einsatzfall
an.
Zu den weiteren Kritikpunkten gehören:
* eine fehlende Steuerung der Patientinnen und Patienten in die für
ihr Anliegen passende Versorgungsform
* Doppelstrukturen im Leitstellenwesen
* Überlastung des Systems durch nicht notfallbedingte Einsätze
«Die Rettungsdienststrukturen in Hessen, 25 Rettungsleitstellen an
der Zahl, sind viel zu kleinteilig. Sie sind ineffizient, sie sind
nicht auf internationalem Qualitätsstandard, sie schaden der
Patientenversorgung und sie sind viel zu teuer», sagte Ackermann.
Stattdessen müsse das Geld in moderne Strukturen fließen.
Rettungsdienstmitarbeiter hochengagiert
Sie betonte aber auch: «Es geht nicht um die Menschen, die im
Rettungsdienst arbeiten, diese sind hochmotiviert und hochengagiert.»
Insofern müsse sich da niemand allzu große Sorgen machen. Aber zur
Wahrheit gehöre auch, dass ein benötigter Rettungswagen bei einem
gefühlten Notfall sein könnte, der aber gar kein Notfall sei.
Und welche Forderungen leiten die Kassen aus dem Prüfbericht ab? «Wir
wünschen uns vom Land und vor allem von den Trägern des
Rettungsdienstes, eine Offenheit, ihre Strukturen zu reformieren,
sich zusammen zuschließen zu idealerweise einer virtuellen
Gesundheitsleitstelle», so Ackermann.
Zu den konkreten Forderungen zählen:
* landesweit verpflichtende Qualitätsstandards für
lebensbedrohliche Notfälle - beispielsweise bei Herzinfarkte oder
Schlaganfälle
* Bildung einer virtuellen Gesundheitsleitstelle mit vernetzten
Standorten
* eine einheitliche Notrufabfrage mit telefonischer und
telemedizinischer Betreuung
Andere europäische Länder als Vorbild
In anderen Ländern wie etwa in den Niederlanden oder in Dänemark gebe
es längst eine virtuelle Leitstelle. Dort würden dann von der
Notfallrettung bis zur Gesundheitsberatung alle Bereiche der
Gesundheitsversorgung abdeckt. «Derzeit überlassen wir den
Hilfesuchenden die Entscheidung, wohin sie sich wenden», sagte Axel
Kortevoß von der vdek, der den Bericht maßgeblich erstellt hat. Also
etwa zum Hausarzt, zum Notdienst vor Ort bis hin zu telefonischen
Stellen, also der 112 sowie der 116 117.
Unterstützung gab es auch von den Ärzten: «Wenn wir uns fragen, wie
ein besser funktionierender Rettungsdienst aussehen kann, dann muss
es wieder darum gehen, die echten Notfälle schnell zu identifizieren
und Patienten so schnell wie möglich in die medizinisch
hochqualifizierten Behandlungseinheiten zu bringen. Also zum Beispiel
dann, wenn es um Herzinfarkte oder Schlaganfälle geht», sagte der
Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, Frank
Dastych.
AOK: Leitstellen-Gebühren deutlich gestiegen
Durch die virtuelle Gesundheitsleitstelle könnten zudem die Kosten
der Leitstellen deutlich gesenkt werden, hieß es. Eine Auswertung der
AOK Hessen zeige, dass die Leitstellen-Gebühren der Notfallrettung
innerhalb von zehn Jahren um 73 Prozent gestiegen sind, die des
Krankentransportes sogar um 97 Prozent, sagte Isabella Erb-Herrmann
von der AOK Hessen.
Auch die Björn Steiger Stiftung für Notfallhilfe und Rettungswesen
fordert eine vernetzte Gesundheitsleitstelle, bei der die 112 für
Notfälle und die 116 117 für Anfragen, die keine medizinischen
Notfälle sind, zusammenlaufen. Diese habe Zugriff sowohl auf den
Rettungsdienst als auch auf Bereitschaftsdienste, Palliativ-Teams und
alle anderen Dienstleister aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich. Im
Frühjahr hatte die Stiftung Verfassungsbeschwerde beim
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht, um bundesweit
einheitliche Standards in der Notfallversorgung zu erreichen.
Und was sagen die Rettungsdienste selbst?
Man sehe dem Prüfbericht mit Interesse entgegen, heißt es etwa beim
hessischen Landesverband vom Deutschen Roten Kreuz. «Seit Langem
setzen wir uns für eine Reform der Notfallversorgung ein, um
Ineffizienzen zu vermeiden und sektorenübergreifend zu agieren. Dabei
ist es unser Ziel, Alternativstrukturen zur klassischen
Krankenhausversorgung zu schaffen und die Akutmedizin patientennah
weiterzuentwickeln.»
Der Bericht wurde auf Basis von Zahlen aller 25 Leitstellen in Hessen
hat erstellt.
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