Bund-Länder-AG für große Pflegereform startet
Die Antwort auf steigende Milliardenkosten für die Pflege waren
zuletzt vor allem höhere Beiträge. Jetzt beginnt ein neuer Anlauf für
tiefgreifendere Lösungen.
Berlin (dpa) - Die Pflege kommt Millionen Betroffene und Angehörige
immer teurer zu stehen, und auch die Kosten für die
Pflegeversicherung steigen und steigen. Um die Finanzierung
grundlegend zu stabilisieren, soll jetzt eine Arbeitsgruppe von Bund
und Ländern Vorschläge für eine Reform entwickeln. Das im
Koalitionsvertrag von Union und SPD vorgesehene Gremium kommt heute
zu seiner konstituierenden Sitzung bei Bundesgesundheitsministerin
Nina Warken (CDU) zusammen. Ergebnisse sollen noch in diesem Jahr
her.
Ziel ist ein «Zukunftspakt Pflege», wie es vorab aus dem Ministerium
hieß. Der AG gehören aus der Bundesregierung auch Familienministerin
Karin Prien (CDU) und weitere Ministerien an, auf Länderseite die für
Pflege zuständigen Ressortchefinnen und Ressortchefs. Beteiligt sind
außerdem die kommunalen Spitzenverbände und die schwarz-roten
Koalitionsfraktionen im Bundestag.
Die Finanznöte in der Pflege sind schon chronisch geworden. Nach
einem Defizit von 1,5 Milliarden Euro im vergangenen Jahr kam Anfang
2025 die nächste Beitragsanhebung nach der vorherigen im Sommer 2023.
In diesem Jahr erwartet die Pflegeversicherung ein kleines Minus von
166 Millionen Euro. Die Bundesregierung will zur Stabilisierung ein
Darlehen von 500 Millionen Euro zuschießen und 2026 noch eins von 1,5
Milliarden Euro. Damit im nächsten Jahr nicht gleich wieder
Beitragserhöhungen kommen müssen, fehlt aber noch Geld.
Die Finanzspritzen sollen der Politik jetzt Zeit verschaffen, um die
angepeilte «große Reform» anzugehen. Die Baustellen und
Stellschrauben im Überblick:
Mehr Pflegebedürftige
Die Zahl der Menschen, die Pflegeleistungen bekommen, nimmt deutlich
zu - und zwar «in stärkerem Maße, als durch die Alterung der
Gesellschaft erwartbar ist», wie das Statistische Bundesamt
erläuterte. Hintergrund ist eine Reform von 2017, die weiter gefasste
Kriterien für die Einstufung einer Pflegebedürftigkeit einführte.
Aktuell gibt es 5,6 Millionen Leistungsempfänger, nachdem es 2019 4,0
Millionen gewesen waren. Bis 2055 könnte es nach einer Prognose der
amtlichen Statistiker einen Anstieg auf 7,6 Millionen
Pflegebedürftige geben.
Mehr Kosten
Die Ausgaben der Pflegeversicherung stiegen im vergangenen Jahr auf
63,2 Milliarden Euro nach knapp 57 Milliarden Euro 2023. Im Jahr 2014
waren es noch 24 Milliarden Euro gewesen und 2019 gut 40 Milliarden
Euro. Ein großer Kostenfaktor sind dabei steigende Personalausgaben
für dringend benötigte Pflegekräfte. Seit 2022 darf es
Versorgungsverträge der Pflegekassen nur noch mit Heimen geben, die
nach Tarifverträgen oder ähnlich bezahlen.
Mehr aus eigener Tasche
Für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen bedeutet Pflege, dass sie
einen Teil selbst zahlen müssen - und der steigt und steigt. Denn die
Pflegeversicherung trägt anders als die Krankenversicherung nicht die
vollen Kosten. Für die rund 800 000 Pflegebedürftigen in Heimen
kommen Unterkunft und Verpflegung dazu, weitergegeben werden auch
Umlagen für Investitionen in den Heimen und Ausbildung. Anfang 2025
summierte sich das nach Kassendaten im ersten Jahr des
Heimaufenthalts im Bundesschnitt auf fast 3000 Euro im Monat.
Erste Entlastungen
Einige Kostendämpfer haben vorherige Bundesregierungen schon
installiert. So bekommen Heimbewohnerinnen und Heimbewohner
inzwischen angehobene Zuschläge, die den Anstieg der Zuzahlungen für
die reine Pflege mildern sollen. Die Pflegekassen kostet das jährlich
Milliarden. Das Pflegegeld für Menschen, die daheim betreut werden,
wurde 2024 nach mehreren Jahren wieder erhöht. Ein Bundeszuschuss von
einer Milliarde Euro pro Jahr wurde aber gestrichen.
Palette an Vorschlägen
Diverse Vorschläge für eine Finanzreform liegen längst auf dem Tisch:
von mehr Steuermilliarden über Deckel für Eigenanteile bis zu einem
Umbau des Modells zu einer Vollversicherung, die alle Pflegekosten
trägt. Die Pflegekassen fordern auch, dass der Bund
Milliardenausgaben aus der Corona-Krise erstattet und Rentenbeiträge
für pflegende Angehörige übernimmt. Die Bund-Länder-AG soll auch
Anreize für mehr Eigenvorsorge prüfen - und den Umfang von
Leistungen.
Bayern fordert mehr Geld vom Bund für Pflegeversicherung
Vor dem Treffen forderte Bayern noch einmal deutlich mehr
Bundesmittel für die Pflegeversicherung. Versicherungsfremde
Leistungen müssten endlich aus Steuermitteln finanziert werden, die
nachhaltige Finanzierung dürfe nicht durch Darlehen «auf die lange
Bank» geschoben werden, sagte Gesundheitsministerin Judith Gerlach
(CSU) der «Augsburger Allgemeinen».
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz verwies auf die hohen Kosten,
die für Versicherte und Hilfsbedürftige noch hinzukämen. So zahlten
Pflegeheimbewohner etwa die medizinische Pflege aus eigener Tasche,
kritisierte Vorstand Eugen Brysch. Die Bund-Länder-Kommission müsse
Fehlentwicklungen stoppen.
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