Mit Vorher-Nachher-Fotos für Schönheitseingriffe werben? Von Jacqueline Melcher und Markus Lenhardt, dpa
Im Internet werben «Dr. Rick und Dr. Nick» für Facelifts,
Nasenkorrekturen oder Lippenformungen in ihren Beauty-Praxen. Der BGH
prüft, ob dabei auch Vorher-Nachher-Bilder genutzt werden dürfen.
Karlsruhe (dpa) - Ob volle Lippen, definierte Wangenknochen oder eine
schön geformte Stupsnase - wer will, kann mit Botox oder
Hyaluronsäure in seinem Gesicht viel verändern lassen. Einige
Anbieter bewerben diese sogenannten minimalinvasiven
Schönheitsbehandlungen mit Fotos, auf denen Kundinnen und Kunden
einmal vor und einmal nach dem Eingriff gezeigt werden. Aber ist das
erlaubt? Mit dieser Frage hat sich am Donnerstag der
Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe beschäftigt.
In dem konkreten Fall klagt die Verbraucherzentrale
Nordrhein-Westfalen gegen das Unternehmen Aesthetify von den
bekannten Ärzten und Influencern «Dr. Rick und Dr. Nick». Auf der
eigenen Internetseite und bei Instagram wurden Behandlungen der
Schönheitspraxis mit Vorher-Nachher-Bildern beworben. Die
Verbraucherschützer aus NRW sehen darin einen Verstoß gegen das
Heilmittelwerbegesetz - und klagen auf Unterlassung. (Az. I ZR
170/24)
Was fällt unter das gesetzliche Verbot?
Für «operative plastisch-chirurgische Eingriffe», die medizinisch
nicht notwendig sind, gelten nach deutschem Recht strenge
Werberegeln. Laut Heilmittelwerbegesetz dürfen diese außerhalb von
Fachkreisen zum Beispiel nicht «durch vergleichende Darstellung des
Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff»
beworben werden. In Karlsruhe geht es um die Frage, ob auch
minimalinvasive Behandlungen wie das Unterspritzen von Botox oder
Hyaluronsäure unter dieses Verbot fallen.
Aesthetify nutze schon «seit geraumer Zeit» keine
Vorher-Nachher-Bilder mehr, um für Schönheitsbehandlungen zu werben,
sagte Dominik Bettray («Dr. Nick») vor der Verhandlung im Gespräch
mit der Deutschen Presse-Agentur. Das sei allerdings schade, da sie
eine enorme Rolle für Verbraucher spielten. «Es ist wichtig, dass der
Patient weiß, was er zu erwarten hat», findet Bettray. «Wir bekommen
sehr, sehr viele Nachrichten von unseren Patienten, die sich
Vorher-Nachher-Bilder wünschen.»
Arzt-Influencer betonen «anderes Risikoprofil»
Bettray selbst würde die Vergleichsbilder nicht als Werbung
bezeichnen, sondern als Informationen für Verbraucher. Für die sei
«volle Transparenz und volle Information» wichtig, ergänzt
Co-Geschäftsführer Henrik Heüveldop («Dr. Rick»).
Nach Ansicht der Ärzte fallen die minimalinvasiven Behandlungen, die
Aesthetify an sechs deutschlandweiten Standorten anbietet, nicht
unter das gesetzliche Verbot für Vergleichsbilder. Denn es handele
sich eben nicht um operative plastisch-chirurgische Eingriffe.
Minimalinvasive Behandlungen hätten «ein ganz anderes Risikoprofil»,
das eher mit einer Tätowierung oder einem Ohrloch-Piercing
vergleichbar sei, meinen sie.
Kläger sehen Gefahr für Verbraucher
Das Unternehmen mit Sitz in Recklinghausen benenne auf seiner
Internetseite selbst die Risiken, die mit den Behandlungen
einhergehen könnten, sagt hingegen Susanne Punsmann, Anwältin der
klagenden Verbraucherzentrale. Dazu zählten zum Beispiel
Schwellungen, blaue Flecken oder auch Infektionen, allergische
Reaktionen und Embolien. Doch wenn auf Vorher-Nachher-Fotos
ausschließlich das positive Endergebnis gezeigt werde, bestehe die
Gefahr, dass Verbraucherinnen und Verbraucher die Risiken der
Behandlung komplett ausblendeten, so Punsmann.
«Vorher-Nachher-Bildern sind auch bei anderen Anbietern sehr
verbreitet», erklärt die Rechtsanwältin. Der Markt für das
Unterspritzen von Hyaluron oder Botox sei «riesig». Mittlerweile
würden die Eingriffe von anderen Anbietern teils sogar als
«Hyaluron-to-go» im Einkaufszentrum verkauft und wirkten dabei so
harmlos wie ein Friseurbesuch. Das seien sie aber nicht, betont
Punsmann.
OLG: Skalpell ist nicht entscheidend
Das Oberlandesgericht Hamm hatte der Klage der Verbraucherzentrale im
August vergangenen Jahres stattgegeben und Aesthetify auf
Unterlassung verurteilt. Es stufte die minimalinvasiven Behandlungen
ebenso wie die Kläger als operative plastisch-chirurgische Eingriffe
im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes ein. Dafür brauche es kein
Skalpell oder Messer. Es genüge jedes Instrument, mit dem Form- und
Gestaltveränderungen an den Organen oder der Körperoberfläche
vorgenommen würden, so das Gericht.
Auch in Karlsruhe sieht es für «Dr. Rick und Dr. Nick» nicht gut aus:
Das OLG habe sich sehr sorgfältig mit dem Fall beschäftigt, betonte
der Vorsitzende Richter, Thomas Koch, zu Beginn der mündlichen
Verhandlung. Die vorläufige Einschätzung des Senats gehe «stark in
die Richtung des Berufungsgerichts». Wann der BGH sein Urteil fällt,
blieb zunächst offen.
Die beiden Aesthetify-Gründer kritisierten im Anschluss an die
Verhandlung vor allem, dass die Risiken der von ihnen angebotenen
Unterspritzungen dort mit plastisch-chirurgischen Operationen
verglichen wurden. Das sei für sie schwer nachvollziehbar. Ihrer
Ansicht nach fehlten dem Senat die «medizinische Expertise», sagte
Heüveldop.
Verbraucherschützer fordern Reform
Anwältin Punsmann zeigte sich nach der Verhandlung «zuversichtlich,
dass die Entscheidung in unserem Sinne ausfällt». Aber auch wenn der
BGH der Einschätzung der Vorinstanz folgen sollte, sieht sie kaum
Grund zum Aufatmen. «Der Markt für Schönheitseingriffe ist groß und
hart umkämpft», sagt sie. Vor allem Anbieter ohne nachgewiesene
Expertise wie eine entsprechende Facharztausbildung seien sehr
kreativ und schreckten vor Werbeverstößen nicht zurück, wenn sich
dadurch ihre Dienstleistungen verkaufen ließen.
«Ich gehe daher davon aus, dass wir auch bei einem für uns positiven
Urteil bald die nächsten Themen haben, bei denen wir gegen
unzulässige Werbung für Schönheitsbehandlungen vorgehen», so
Punsmann.
Die Konferenz der Verbraucherschutzminister habe im Mai beschlossen,
die Werbung für Schönheitsoperationen weiter einschränken zu wollen.
«Das wäre wünschenswert, um dem Wildwuchs im Netz entschieden und
nicht nur mit der Klärung juristischer Einzelfragen
entgegenzutreten», findet die Juristin.
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