Werden die Hausärzte mit «Häppi» glücklich? Von Bernd Glebe, dpa
Viele Hausarztsitze in ländlichen Regionen von Rheinland-Pfalz sind
vakant - Tendenz steigend. Ein neues Projekt soll helfen, den Beruf
attraktiver zu machen und für Entlastung zu sorgen.
Mainz (dpa/lrs) - Mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten,
weniger Wartezeit bei Terminen und mehr Einsatz von praxistauglichen
digitalen Helfern: Das soll in einem Pilotprojekt in sieben
Hausarztpraxen in Rheinland-Pfalz erprobt werden. «Häppi» heißt das
auf sechs Monate angelegte Vorhaben, das von der Landesregierung und
der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland gefördert wird.
Warum kommt «Häppi»?
Mit immer weniger Hausärzten müssen immer mehr chronisch und mehrfach
erkrankte Patientinnen und Patienten gut versorgt werden. Mit einer
besseren Verteilung von Aufgaben und mehr Verantwortung für das
medizinische Fachpersonal sollen die Ärztinnen und Ärzte sich bei dem
Projekt stärker auf ihre Kernaufgabe und damit auf Diagnosen und
Therapien konzentrieren können.
Welche Aufgaben übernimmt das medizinische Fachpersonal?
Es geht nicht nur um Tätigkeiten wie das Impfen und das Abnehmen von
medizinischen Werten. Das nicht ärztliche medizinische Fachpersonal
soll nach dem «Häppi»-Konzept auch Routinebesuche zu Hause und in
Altenheimen übernehmen. Dank einer Ausstattung mit Laptop samt Kamera
kann sich ein Arzt bei Bedarf dazuzuschalten.
Wie werden die Aufgaben getrennt?
Eine Diagnose stellen und über eine Therapie entscheiden, diese
Aufgaben bleiben klar in ärztlicher Hand, betont die
Landesvorsitzende der Hausärzte, Barbara Römer. In Zukunft werde aber
beim Besuch in einer Hausarztpraxis nicht immer der Arzt alleine der
Ansprechpartner für die Patienten sein. Mit einer Verteilung der
Aufgaben sei eine extreme Entlastung der Ärztinnen und Ärzten
möglich, ohne einen Qualitätsverlust bei den Patienten.
Wie viele Hausarztpraxen gibt es in Rheinland-Pfalz?
Rund 2400 Hausartpraxen sind es im Land. Davon sind nach Schätzung
des Hausärzteverbands etwa zwei Drittel auf dem Land. Nach Angaben
von Römer gibt es derzeit rund 300 freie Hausarztsitze - Tendenz
steigend.
Was droht?
Wegen dieser Entwicklung müsse die Attraktivität dieses Berufs gerade
im ländlichen Raum gesteigert werden, mahnt die Landesvorsitzende.
Viele Kolleginnen und Kollegen seien wegen der hohen Arbeitsbelastung
nahe am Burnout. Deswegen müsse es tiefgreifende strukturelle
Veränderungen mit mehr Teamarbeit und zunehmender Digitalisierung in
den Praxen geben.
Welche neuen Gesundheitsfachberufe gibt es?
Über einen Bachelorstudiengang kann der Gesundheitsfachberuf «Primary
Care Management» (PCM) erlernt werden. Dabei werden fundierte
medizinische und organisatorische Kompetenzen vermittelt, um ärztlich
delegierte Aufgaben in Hausarztpraxen zu übernehmen. Dazu zählen
Basisuntersuchungen, eine zielgerichtete Anamnese, das
Medikamentenmanagement und die Infektionsprävention.
Ein «Physician Assistant» (PA), auch Arztassistent genannt, ist ein
medizinischer Fachberuf, der ebenfalls ärztlich delegierbare Aufgaben
übernimmt und somit Ärzte in ihrer Arbeit unterstützt. Ein PA kann in
verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens tätig sein, etwa in
Krankenhäusern, Praxen und Notaufnahmen.
Wie soll die Digitalisierung in Hausarztpraxen helfen?
Im rheinland-pfälzischen «Häppi»-Projekt wird neben dem Einsatz von
Videosprechstunden, der Online-Terminvergabe oder Messengerdiensten
ein Schwerpunkt auf den Einsatz KI-basierter Telefonassistenz
gesetzt. Damit soll die enorme Zeit, die für telefonische
Routineanfragen sonst in einer Praxis nötig ist, reduziert werden.
Diese Telefonassistenz nutzt künstliche Intelligenz, um Gespräche zu
verstehen und passend zu reagieren. Die Technologie basiert auf
Sprachverarbeitung, die es der KI ermöglicht, natürliche Sprache zu
erkennen und darauf interaktiv zu antworten. Damit sollen nicht nur
Termine vereinbart werden, sondern auch Rezepte bestellt und
Formulare überwiesen werden können.
Welche Hausarztpraxen machen bei dem Pilotprojekt mit?
Die sieben «Häppi»-Praxen befinden sich in folgenden Regionen:
· Kirchen, Landkreis Altenkirchen
· Hachenburg, Westerwaldkreis
· Simmern, Rhein-Hunsrück-Kreis
· Bad Ems, Rhein-Lahn-Kreis
· Mommenheim, Landkreis Mainz-Bingen
· Irrel, Eifelkreis Bitburg-Prüm
· Kirchheimbolanden, Donnersbergkreis
Bei den Teilnehmern handelt es sich überwiegend um inhabergeführte
hausärztliche Einzelpraxen, aber auch um Gemeinschaftspraxen und ein
medizinisches Versorgungszentrum. Alle Praxen liegen in ländlichen
Gebieten.
Warum heißt das Projekt «Häppi»?
«Häppi» ist eine Abkürzung für «Hausärztliches
Primärversorgungszentrum, Patientenversorgung Interprofessionell».
Das Pilotprojekt wird wissenschaftlich begleitet. Die Ergebnisse
sollen in ein überarbeitetes Best-Practice-Handbuch einfließen und
dieses soll Ende 2026 landesweit zur Verfügung stehen.
Das Versorgungskonzept des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes auf
Bundesebene wird bereits in Baden-Württemberg erprobt. In
Rheinland-Pfalz und Bayern startet das Pilotprojekt.
Wie wird das Vorhaben finanziell unterstützt?
«Häppi» wird mit Mitteln des Landes Rheinland-Pfalz und der AOK
Rheinland-Pfalz/Saarland mit insgesamt bis zu 280.000 Euro gefördert.
Das Pilotprojekt ist auf sechs Monate angelegt.
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